Merz plant Bürgergeld-Reform: Ab 2027 könnten für Empfänger Zwangsumzüge drohen

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Die Merz-Regierung will die steigenden Bürgergeld-Kosten eindämmen. Besonders bei den Wohnkosten sind drastische Einschnitte geplant. Das müssen Betroffene wissen.

Berlin – Höhere Eigenanteile bei den Wohnkosten und Zwangsumzüge – das droht Millionen Empfängern von Bürgergeld ab 2027. Eine geplante Reform von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zur Wohnkostenübernahme im Bürgergeld-System könnte betroffene Familien in existenzielle Nöte bringen. Besonders in Großstädten und Ballungsräumen müssen sich Leistungsbezieher auf drastische Veränderungen einstellen.

Kanzler Friedrich Merz (CDU) will harte Einschnitte bei Wohnkosten für Bürgergeldempfänger.
Kanzler Friedrich Merz (CDU) will harte Einschnitte bei Wohnkosten für Bürgergeld-Empfänger. © Ardan Fuessmann/dts Nachrichtenagentur/IMAGO

Merz plant, die bisher von Kommunen festgelegten Höchstsätze für Wohnkosten durch bundesweit einheitliche Pauschalen zu ersetzen. Diese sollen sich an Durchschnittswerten orientieren und in Ballungsräumen nur moderat ansteigen. Gleichzeitig soll die einjährige Karenzzeit des Bürgergeldes entfallen, die es neuen Leistungsbeziehenden bisher ermöglicht, ihre tatsächliche Miete zunächst vollständig erstattet zu bekommen. Der Kanzler begründet diesen Schritt damit, dass Jobcenter in manchen Großstädten „bis zu 20 Euro pro Quadratmeter“ erstatten und eine vierköpfige Familie so mehr als 2000 Euro Warmmiete monatlich erhalten könne. Dies sei laut Merz nicht mehr vermittelbar.

Kosten für Wohnungen von Bürgergeld-Empfängern steigen kontinuierlich

Die geplante Reform steht im Kontext steigender Mietkosten und wachsender finanzieller Belastungen für den Staat. Laut dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) sind seit 2015 die Nettokaltmieten bundesweit um durchschnittlich 18 Prozent gestiegen, in Großstädten sogar um mehr als 30 Prozent. Die Bundesagentur für Arbeit verzeichnete 2023 Rekordausgaben von mehr als 20 Milliarden Euro für Unterkunft und Heizung von Bürgergeld-Haushalten, was etwa ein Drittel aller Bürgergeld-Ausgaben ausmacht und den Bundeshaushalt zunehmend belastet. Gleichzeitig stieg die Zahl der Leistungshaushalte 2024 um weitere 2,1 Prozent.

Beobachter rechnen damit, dass sich die neuen Richtwerte an den bisherigen Mindeststandards für sozialen Wohnungsbau orientieren könnten. Diese variieren von Bundesland zu Bundesland. Für die Stadt München zeigte etwa eine Tabelle, dass eine angemessene Wohnungsgröße 50 Quadratmeter für eine Person vorsieht, 65 für zwei Personen und jeweils 15 Quadratmeter mehr für jede weitere Person. Die Bundesregierung plant, den entsprechenden Gesetzentwurf noch im Herbst 2025 vorzulegen. Nach derzeitigem Zeitplan könnte die Neue Grundsicherung mit pauschalen Wohnkosten zum 1. Januar 2027 in Kraft treten. Auch bei Zahlungen an Ukraine-Flüchtlinge soll gespart werden.

Kritik an Bürgergeld-Vorstoß: Problem nicht an der Wurzel gepackt

Die geplante Reform stößt auf breite Kritik. Die SPD wirft Merz vor, „Wohnungslosigkeit statt Lösungen“ zu produzieren. Der Deutsche Mieterbund hält Kürzungen bei Bedürftigen für den falschen Ansatz und fordert stattdessen mehr sozialen Wohnungsbau, um die Kostenbremse an der Wurzel anzusetzen. Sozialverbände befürchten zudem, dass Pauschalen den tatsächlichen Mietanstieg ignorieren und so verdeckte Armut fördern könnten. Für Bürgergeld-Empfänger könnte die Reform weitreichende Folgen haben. Gegen-hartz.de verweist auf einen höheren Eigenanteil, wenn die tatsächliche Miete die Pauschale übersteigt bis hin zu Zwangsumzügen, wenn Bürgergeld-Beziehende die Kosten nicht tragen können.

Betroffene sollten ihren Mietvertrag prüfen. Liegt die Warmmiete bereits unter den geplanten Pauschalen, besteht kaum Handlungsbedarf. Aktuelle Angemessenheitswerte sollten vom Jobcenter schriftlich in Form einer Wohnkostenbescheinigung bestätigt werden. Bei Gesundheitsproblemen, Pflegebedürftigkeit oder fehlendem barrierefreiem Wohnraum können Jobcenter Ausnahmen zulassen. Für solche Fälle hilft ein Härtefallantrag. Sozialberatungsstellen und Mietervereine geben zudem Auskunft.

Zu wenige Sozialwohnungen für Bedarf in Deutschland

Im Bereich des sozialen Wohnungsbaus zeichnet sich eine positive Entwicklung ab. Das Bundesbauministerium meldet für 2024 einen Anstieg der geförderten Sozialwohnungen um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, auf insgesamt 61.934 Wohneinheiten. Trotz dieses Fortschritts bleibt die Gesamtzahl der Sozialwohnungen mit 1.046.031 Ende 2024 laut Bundesministerium für Wohnung, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) weit hinter dem Bedarf zurück.

Gerade wurde nach einer Anfrage bekannt, dass Hunderttausenden Bürgergeld-Empfängern zu hohe Mieten bereits von der Grundleistung abgezogen werden. (diase)

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