Kein Bürgergeld mehr für Ukrainer: Warum der Söder-Vorstoß wenig bringen würde

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Markus Söder will Ukraine-Flüchtlingen das Bürgergeld streichen. Ein Bericht der Arbeitsagentur widerspricht einer Einschätzung des Ministerpräsidenten.

Berlin – Gegen Arbeitsverweigerer strenger vorgehen und bandenmäßigen Leistungsbetrug unterbinden: So wollen Bundeskanzler Friedrich Merz und die Regierung aus SPD, CDU und CSU im Haushalt 2026 mehrere Milliarden Euro beim Bürgergeld einsparen. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat nun eine weitere mögliche Spar-Zielgruppe ins Visier genommen: ukrainische Geflüchtete.

„Es muss endlich dafür gesorgt werden, dass jeder Arbeit annehmen muss, der arbeiten kann“, sagte Söder im Sommerinterview mit dem ZDF und sprach sich dafür aus, dass Geflüchtete aus der Ukraine statt Bürgergeld geringere Asylbewerberleistungen erhalten. Weil Deutschland wie „kein Land der Welt“ Bürgergeld an die Ukrainer im Land zahle, würden zuletzt so wenige der Geflüchteten in Deutschland anfangen zu arbeiten, prangerte der CSU-Parteichef in dem Interview an. Es ist ein Vorstoß, der zu vielen Diskussionen in der deutschen Politik geführt hat.

Söder möchte Leistungen für Geflüchtete streichen: Nutzen Ukrainer das Bürgergeld aus?

Bürgergeld (Regelsatz) Asylbewerberleistung
Alleinerziehend 563 Euro Max. 441 Euro
Partner innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft 506 Euro Max. 397 Euro
Erwachsene unter 25 Jahren, die im Elternhaus leben 451 Euro Max. 353 Euro
Jugendliche zwischen 14 und 17 471 Euro Max. 391 Euro
Kinder von 6 bis 13 Jahre 390 Euro Max. 327 Euro
Kinder von 0 bis 5 Jahre 357 Euro Max. 299 Euro

Ob durch eine Umstellung allerdings mehr Ukrainer auch anfangen würden zu arbeiten, ist fraglich. Zu dem Ergebnis kam ein Bericht der Bundesagentur für Arbeit bereits im Juli.

An Ukrainerinnen und Ukrainer und deren Kinder flossen 2024 laut Arbeitsministerium rund 6,3 Milliarden Euro an Bürgergeld. Die Leistung wird hauptsächlich aus Bundesmitteln finanziert. Die Bundesländer und Kommunen wiederum sind in der Umsetzung über die Jobcenter mit eingebunden. Den größten organisatorischen Aufwand haben Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachen und Hessen. Nach Angaben des Ausländerzentralregisters halten sich in diesen Bundesländern die meisten Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auf.

Von den rund 1,3 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern in Deutschland sind etwa 30 Prozent Kinder und Jugendliche, etwas über 30 Prozent der geflüchteten Ukrainer sind erwerbstätig. Mehr als 500.000 der Geflüchteten sind als erwerbsfähig gemeldet. Davon sind mehr als zwei Drittel aber „nicht verfügbar“.

6,3 Milliarden Euro Bürgergeld zahlte der Bund an ukrainische Geflüchtete: Viele davon sind alleinerziehend

Das liegt laut einem Bericht der Bundesagentur für Arbeit vom Juli 2025 allerdings nicht daran, dass Geflüchteten sich auf dem Bürgergeld ausruhen würden. „Viele Ukrainerinnen und Ukrainer besuchen Integrations- und Sprachkurse, und insbesondere für (viele zumeist faktisch alleinerziehenden) Frauen mit kleinen Kindern ist eine Erwerbsaufnahme oftmals schwer realisierbar“, heißt es in dem Report. Zudem habe rund die Hälfte der im Juli 2025 arbeitslos gemeldeten Ukrainerinnen und Ukrainer (106.000) keine oder eine noch nicht anerkannte abgeschlossene Berufsausbildung.

Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit in Deutschland ~1,3 Millionen
davon Kinder unter 18 Jahren ~359.000
davon 65 Jahre alt oder älter ~134.000
Sozialversicherungspflichtig beschäftigt ~296.000
In Ausbildung/Im Studium ~67.000
Als erwerbsfähig gemeldet ~519.000
davon nicht verfügbar (z.B. alleinerziehend oder in Integrationskurs) ~374.000

Mit Blick auf Tschechien oder Polen könnte schnell ein Vergleich herangezogen und angemerkt werden, dass dort verhältnismäßig mehr ukrainische Geflüchtete arbeiten. In den Ländern gestaltet sich Integration allerdings aufgrund der sprachlichen Nähe einfacher. In Hinblick auf die rund 77.000 Ukrainer, die aktuell in Deutschland an Sprach- und Integrationskursen teilnehmen, sollte die Anzahl der Berufseinsteiger in den kommenden Monaten auch hier nochmal ansteigen.

Unrealistisch bleibt es allerdings, dass alleinerziehenden Mütter, die immer noch den Großteil der ukrainischen Geflüchteten ausmachen, kurzfristig entscheiden, einen Nebenjob oder gleich eine Vollzeitbeschäftigung anzutreten. Dafür müsste zuerst ein anderes Problem in Deutschland gelöst werden: der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen und Fachpersonal in Kita und Kindergärten. Auch ukrainische Eltern haben in Deutschland den Anspruch darauf, ihr Kind in die Krippe, den Kindergarten oder Hort zu geben.

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