Von Putin zwangsrekrutiert: Migranten sollen Russlands Verluste im Ukraine-Krieg ausgleichen

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Die Russen wollen nicht mehr an die Ukraine-Front. Um die Verluste ausgleichen zu können, setzt Putins Regime auf die Zwangsrekrutierung von Migranten.

St. Petersburg – Um die hohen Zahlen an Verlusten auszugleichen, haben russischen Behörden nach eigenen Angaben bereits 10.000 eingebürgerte Männer in den Angriffskrieg gegen die Ukraine geschickt. „Wir haben schon mehr als 30.000 (Migranten) geschnappt, die die Staatsbürgerschaft erhalten haben und sich nicht ins Wehrdienstregister eintragen wollten, und haben etwa 10.000 davon in die Zone der militärischen Spezialoperation geschickt“, sagte Alexander Bastrykin. Der Chef des russischen Ermittlungskomitees ließ die Worte bei einem Auftritt auf dem Petersburger Juristenforum fallen, wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet. Bastrykin war Studienkommilitone von Kremlchef Wladimir Putin und gilt als dessen enger Vertrauter. Bastrykin sah in der Zwangsrekrutierung von Eingebürgerten noch einen Vorteil: Auf diese Weise würden viele Migranten Russland verlassen, sagte er laut dpa.

Die Einwanderer seien angeblich vor allem für das Ausheben von Schützengräben und das Bauen von Befestigungen zuständig. „Dafür braucht man wirklich kräftige Hände“, sagte Bastrykin. In den vergangenen Monaten haben Sicherheitsbehörden immer wieder Razzien in Betrieben mit Gastarbeitern durchgeführt, die hauptsächlich aus den postsowjetischen Staaten in Zentralasien stammen. Russische Medien berichteten, dass Migranten, die bereits den russischen Pass bekommen haben, häufig zwangsrekrutiert werden. Ein erleichtertes Einbürgerungsverfahren wird anderen versprochen, wenn sie an die Front geschickt werden.

Russian police detain alleged illegal migrants
Um Verluste an der Front auszugleichen, schickt Moskau zwangsrekrutierte Migranten an die Front. (Symbolbild) © Maxim Shipenkov/dpa

Angriffskrieg in der Ukraine: Putin braucht Ausgleich für hohe Verluste an der Front

Putin behauptet, dass derzeit etwa 700.000 russische Soldaten für seinen Angriffskrieg an der Front in der Ukraine stehen. Einige von ihnen waren Männer, die bei einer Teilmobilisierung im Herbst 2022 rekrutiert wurden. Aufgrund der mangelnden Beliebtheit der Maßnahme möchte der Kreml auf weitere Mobilmachungswellen verzichten und sucht nach alternativen Wegen, um die Verluste zu kompensieren. Putin hatte während einer Fernsehfragestunde im Dezember 2023 gesagt, dass „derzeit“ keine Notwendigkeit dafür bestehe, weitere Rekrutierungen durchzuführen. Zuvor war er gefragt worden, ob die Russen mit einer neuen Mobilisierung nach dem Muster des Herbsts 2022 rechnen müssten. Das Verteidigungsministerium würde ausreichend Freiwillige als Vertragssoldaten anmelden. Es gibt berechtigte Zweifel daran, ob dies in einem anhaltenden Krieg unter großen Verlusten wahr ist.

Laut britischen Verteidigungsministerium plant Russland weiterhin Ausländer und Migranten auch in die Armee als reguläre Truppen aufzunehmen. Das Ministerium erklärte, dass russische Broschüren in englischer Sprache weiterhin für den Beitritt zur Armee werben. Für den Eintritt in eine Spezialeinheit der russischen Armee gebe es demnach eine Prämie von 2000 Dollar, 2200 Dollar monatlich sowie einen russischen Pass und Zugang zu kostenloser medizinischer Versorgung und Ausbildung.

Russland beschuldigt den Westen und die Ukraine als einzige Söldner anzuheuern

Es wird vom britischen Verteidigungsministerium angenommen, dass die Mehrheit der von der Werbung rekrutierten Personen Arbeitsmigranten sind und nicht ausgebildete, professionelle Soldaten. Die Anzahl der Ausländer in Russlands Armee ist bisher recht gering. Außerdem gab das britische Ministerium bekannt, dass Migranten nicht in eine Sondereinheit aufgenommen werden, sondern in die bestehenden Strukturen integriert werden. Ausländer würden zum Militärdienst gezwungen oder mit finanziellen Versprechungen gelockt.

Russlands Propaganda beschuldigt aber die Ukrainer und den Westen, auf „ausländische Söldner“ zurückzugreifen. Aber es steht außer Frage, dass die russischen Behörden fremde Kräfte als eine bedeutende Ressource für die Front betrachten, genauso wie Einwanderer, die erst kürzlich eingebürgert wurden. In beiden Fällen komme es häufig zu Zwang. Eine Aufgliederung nach Herkunftsländern sei nicht möglich, wie die Neue Zürcher Zeitung schreibt. Es gibt indirekt Hinweise auf einzelne Fälle, dass ausländische Staaten über die russische Anwerbepraxis äußern. So forderten die Außenministerien Kubas und Nepals im vergangenen Jahr Russland auf, ihre Staatsbürger nicht in den Kriegsdienst einzuziehen.

913 Verluste am Tag im Ukraine-Krieg: „Wie ein Sklave auf die Schlachtbank geführt“

Aber wie der kirgisische Dienst von Radio Liberty berichtet, findet die Anwerbung auch ganz direkt statt. Ein Kirgise aus der nordsibirischen Erdölstadt Surgut sagt, dass auch zum Beispiel auf Stromrechnungen für den Armeedienst geworben wird. Denn in Surgut arbeiten viele Migranten. Bemühungen um die Rekrutierung richten sich auch an Frauen, zum Beispiel als medizinisches Personal, sowie an im Kriegsgebiet benötigte Fachkräfte wie Bauarbeiter und Fahrer. Soldaten werden dann von der paramilitärischen Truppe Redut rekrutiert. Diese hat viele Aufgaben übernommen, die zuvor mit der Wagner-Gruppe, der Truppe des verstorbenen Geschäftsmannes Jewgeni Prigoschin, verbunden waren.

Mein Sohn wurde wie ein Sklave auf die Schlachtbank geführt“, sagte die Mutter eines gefallenen Kirgisen gegenüber Radio Liberty. Viele Verwandte hätten erst nach der Bekanntgabe des Todes ihres Angehörigen begriffen, warum die Männer plötzlich verschwunden waren. Nicht jeder weiß, wo die Verstorbenen begraben werden. Nur wenige der Leichen sind in ihre Heimatländer zurückgeschickt worden. Laut einem Bericht der Zeit sterben durchschnittlich 913 Soldaten der russischen Armee pro Tag.

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