Russland rüstet weiter auf: „Drachen“-Flammenwerfer soll verheerende Schäden verursachen

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Russland rüstet weiter auf: „Drachen“-Flammenwerfer soll verheerende Schäden verursachen

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Wladimir Putin will die Ukraine in Asche sehen und plant einen Flammenwerfer, der weiter schießt als bisher – weil ihm Drohnen der Ukraine zusetzen.

Moskau – „Was ist das? Hat sich die Hölle unter unseren Füßen geöffnet? Sind wir am Rand eines feuerspeienden Vulkans? Der Schützengraben füllt sich mit Flammen, Funken, beißendem Rauch, Atmen ist unmöglich. Ich höre Fauchen, Prasseln, und ach, ja, Schmerzensschreie“, so skizziert der französische Korporal Louis Barthas im Sommer 1915 einen Flammenwerfer-Angriff der deutschen Armee an der Westfront. Erstmals 1914 von Deutschland im Kampf eingesetzt, sollten die von Infanteristen geschulterten Flammenwerfer wieder Dynamik in den festgefahrenen Stellungskrieg hineintragen – danach entwickeln die Deutschen diese Technik weiter.

Jetzt, mehr als ein Jahrhundert später, geht Wladimir Putin im Ukraine-Krieg als Aggressor rigoros gegen den Feind vor – und zündelt heftiger mit thermobarer Munition: „Das ist eine Waffe, die, wenn sie explodiert, ihren Sprengstoff, oder ihren Brennstoff, freisetzt und einen Überdruckeffekt erzeugt, der zu einer viel größeren Detonation führt und aufgrund der Schockwelle wirklich verheerend ist“, so Jean-Marie Collin, Experte und Sprecher von Ican Frankreich, dem französischen Zweig der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen, gegenüber Euronews Next. „Sie kann mit einem einzigen Schuss mehrere Häuserblocks in schwelende Trümmer verwandeln.“

Bewegung: Durch den Stellungskrieg braucht Russland die Bunkerknacker dringend

Wie das Magazin DefenceExpress berichtet, plant Russland wohl die Weiterentwicklung seiner Raketenwerfer-Systeme TOS-1(A) und TOS-2, um deren wunde Punkte auszumerzen. Der britische Geheimdienst hatte schon einige Monate nach dem Überfall auf die Ukraine berichtet, dass diese Raketen- beziehungsweise Flammenwerfer eingesetzt wurden, um die Luftlandetruppen zu unterstützen, weil die anfangs den höchsten Blutzoll für den schlecht koordinierten Angriff gegen die Ukraine leisten mussten. In dieser Zeit vertrauten die russischen Befehlshaber noch darauf, dass ihre Eliteverbände fähig sein würden, sich gegen die ukrainischen Verteidiger durchzusetzen, wie das Magazin Soldat & Technik schreibt. Inzwischen ist der Krieg weitestgehend stecken geblieben, und insofern werden die als Bunkerknacker tauglichen TOS-Systeme für Russland wichtig.

Ein russischer TOS-Raketenwerfer, der thermobare Sprengköpfe verschießen kann.
Eine verheerende Waffe: Ein russischer TOS-Raketenwerfer, der thermobare Sprengköpfe verschießen kann – eine Rakete, die prinzipiell zwei Mal töten kann. © Leonid Faerberg/Imago

Verheerend: Mit der „Sonnenglut“ schützt Putin eigene Truppen vor Verlusten

In den ersten Tagen des Krieges erlitten die Luftlandetruppen durch ihr rein infanteristisch geprägtes Vorgehen schwere Verluste bei dem gescheiterten Versuch, den Flughafen Hostomel im Norden Kiews einzunehmen, während russische Fallschirmjäger bei dem Ansinnen, den Luftwaffenstützpunkt Wassylkiw im Verwaltungsbezirk Kiew zu sichern, ebenfalls eingekesselt und besiegt wurden – deshalb wurden die Flammenwerfer heran gerollt. Die Schwächen des Systems traten aber bald zutage. Aus der jetzt angekündigten neuen Entwicklung schließt DefenceExpress, dass Russland für seinen Flammenwerferpanzer TOS-3 „Dragon“ (deutsch: Drache) das Fahrwerk des Flammenwerfersystems TOS-1A „Solntsepyok“ sowie Trägerraketen des radgestützten Mehrfachraketensystems TOS-2 „Tosochka“ nutzen will.

„Vater der Bombe“ – thermobare Munition tötet zwei Mal

Eine thermobare Waffe – auch Vakuumbombe oder Aerosolbombe genannt – ist eine Waffe, die in zwei Schritten wirkt: Zuerst verteilt eine Explosion in der Luft Brennstoff – etwa Ethylenoxid, Propylenoxid oder Decan. Danach wird die entstandene Wolke aus Tröpfchen entzündet. Derartige Waffen wurden bereits in den 1960er-Jahren entwickelt und ihr Einsatz ist gemäß der Genfer Konvention über Brandwaffen von 1980 in der Nähe von ziviler Infrastruktur oder gar gegen Zivilisten verboten.

Der Entzündung der Aerosolwolke folgt eine Druckwelle mit bis zu 50 Metern Durchmesser. Der Brennstoff kann in Innenräume eindringen und Gebäude von innen heraus zerstören. Die Druckwirkung hält wesentlich länger an als bei konventionellem Sprengstoff, die entstehende Hitze ist dabei wesentlich größer. Unmittelbar nach der Druckwelle tritt eine Vakuumwirkung ein, weil die Explosion der Luft auch über den Druckwirkungsbereich hinaus den Sauerstoff zum Verbrennen entzieht. Der so entstehende Unterdruck zerstört Gebäude und führt auch bei Menschen in den Gebäuden zu schweren, dem Erstickungstod ähnlichen, Lungenverletzungen, zu Trommelfellschäden und zu Verletzungen innerer Organe.

Der Unterdruck, den die Explosion erzeugt hat, saugt die zurückströmende Luft wieder an – und mit ihr die Feuerwolke der brennenden Flüssigkeit. Menschen, die die erste Druckwelle überlebt haben und im Unterdruck um Luft ringen, atmen das Feuer geradezu ein. Die thermobare Waffe tötet quasi zum zweiten Mal. Gegen sie besteht kaum Schutz.

2007 wurde in Russland eine sieben Tonnen schwere thermobare Bombe namens „Vater aller Bomben“ getestet, deren Sprengkraft mit 44 Tonnen TNT-Äquivalent angegeben wurde und die damit die stärkste konventionelle Bombe der Welt wäre. Sie überträfe damit sogar die Sprengkraft der kleinsten Atombomben. Verschossen wird die Munition mit dem TOS-Raktenwerfer, der auch in der Ukraine an der Front steht.

Quelle: Bundesministerium für Landesverteidigung

Nach den Erfahrungen der bisherigen Kämpfe ist die Reichweite von bis zu zehn Kilometern das Hauptproblem für den russischen TOS-1A „Solntsepyok“ (zu Deutsch „Sonnenglut“). Deshalb sollen die russischen Systeme aus der Einsatzreichtweite ukrainischer Kampfdrohnen herausrücken – immerhin dokumentiert die Statistikplattform Oryx, dass 20 TOS-1A-Werfer inzwischen zerstört sind – laut unbestätigten Quellen könnten insgesamt rund 50 dieser Fahrzeuge in der Ukraine im Einsatz gewesen sein. Das Gefährt ist grundsätzlich plump und langsam, saß aber in seiner ersten Version TOS-1 „Buratino“ auf einem T-72-Fahrwerk und pflügte sich daher zuverlässig durch das Gelände.

Die neuere Generation sitzt auf einem T-90-Chassis, beziehungsweise wird wohl auch auf eine Armata-Plattform gesetzt werden –DefenceExpress berichtet von den ersten Entwürfen einer neuen Generation. Dessen Serienreife steht noch in den Sternen. Der radgestützte russische TOS-2 verfügt über eine Schussreichweite von 15 bis 24 Kilometern, und kann seine Stellung schneller wechseln. Bisher soll wohl nur ein Einsatz eines russischen TOS-2 „Tosochka“ im Kampf in der Ukraine aus dem Januar bestätigt sein. Der TOS-2 ist eine relativ neue Waffe – vorgestellt worden ist sie 2020 bei der Probe einer Militärparade, wie Armyrecognition berichtet.

Flammpanzer sind im Zweiten Weltkrieg erstmals serienreif eingesetzt worden. Dabei wurden sie gezielt zur taktischen Unterstützung infanteristischer Einheiten verwendet – die Reichweite der Flamme lag mit unter 100 Metern jeweils weit unter den Vorstellungen der Militärs. Neben der physischen Zerstörung von vornehmlich Gebäuden hatten die Flammen vor allem eine große psychische Wirkung auf den Gegner. Sobald ein geplanter Flammenwerfer-Angriff bekannt wurde, zogen sich die in Reichweite liegenden gegnerischen Truppen häufig zurück, wodurch günstigere Voraussetzungen für die eigene angreifende Infanterie geschaffen wurden – schon im Ersten Weltkrieg setzten die Nutzer auf die moralische Erschütterung des Feindes durch diese Waffe.

Die Entwicklung der neuen Raketenwerfer-Generation symbolisiert die verbissene Doktrin Russlands, die sich auch rhetorisch immer wieder Bahn bricht. Im Sommer hatte Russlands Ex-Präsident Dimitri Medwedew explizit davon gesprochen, die ukrainische Führung in Asche zu verwandeln. Der Vertraute von Präsident Wladimir Putin hatte in einem Beitrag auf seinem Telegram-Kanal von einem „Selbsterhaltungskrieg“ gesprochen. „Entweder werden wir ihre feindliche Führung zerstören, oder der kollektive Westen wird Russland am Ende auseinanderreißen. In diesem Fall wird er mit uns sterben“, warnte der stellvertretende Leiter des russischen Sicherheitsrates. Um zu überleben, müsse also der komplette ukrainische Staat „vernichtet“ werden, sodass „nur noch Asche übrig bleibt“.

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