Kritischer Moment für Russlands Wirtschaft? Jetzt soll Putins Kriegskasse ausgetrocknet werden

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Russland verdient weiter viel Geld mit Öl. Die USA und die EU wollen jetzt die Daumenschrauben anziehen. ©  dpa/Sputnik/Sergei Ilyin//dpa/Stefan Sauer

Russlands Wirtschaft taumelt. Der richtige Zeitpunkt, um Putins Kriegskasse jetzt weiter anzugreifen? Einige EU-Länder machen einen heiklen Vorstoß.

Stockholm – Öl und Gas zählen weiter zu wichtigen Einnahmequellen, mit denen Wladimir Putin den Ukraine-Krieg finanziert. Zunehmend gerät nun Putins Schattenflotte in die Schlagzeilen. Jetzt reagiert der Westen und zieht die Daumenschrauben an.

Der erste Schritt kam aus den USA: Washington hat wegen Moskaus Angriffskrieg gegen die Ukraine in der vergangenen Woche weitere Sanktionen gegen den russischen Energiesektor verhängt. So werden die Ölkonzerne Gazprom Neft und Surgutneftegas, aber auch 183 Tanker, die mutmaßlich zur Schattenflotte Russlands gehören, mit Restriktionen belegt. Das sind Tanker und Frachter, die Russland nutzt, um bestehende Sanktionen beim Öltransport zu umgehen. Betroffen ist zudem der russische Atomkonzern Rosatom. Auch die Sanktionen aus London zielen auf Gazprom Neft und Surgutneftegas, deren Gewinne nach Angaben des britischen Außenministeriums „Putins Kriegskasse füllen und den Krieg in der Ukraine erleichtern“.

Russland reagiert verschnupft: Es sei unmöglich, mit Sanktionen Energierouten zu stoppen, die sich auf natürlich Weise gebildet hätten. Werde an einer Stelle ein Hindernis aufgebaut, tauchten an anderer Stelle Alternativen auf, so Kreml-Sprecher Peskow. Ein Verweis auf die Schattenflotte? „Putin ist jetzt in einer schlechten Lage“ und es sei wichtig, ihm keinen „Spielraum“ zu lassen, sagte US-Präsident Joe Biden nach der Ankündigung von neuen britischen und US-Sanktionen gegen Russlands Energiesektor am Freitag zu Reportern im Weißen Haus.

Russlands Kriegs-Kasse: EU-Länder wollen Daumenschrauben anziehen

Nach dem US-Vorstoß dringen die baltischen und nordeuropäischen EU-Länder jetzt zudem auf eine Verschärfung des Preisdeckels für russisches Öl. Damit will man Russlands Kriegskasse weiter schmälern.

Um angesichts russischer Bemühungen um Anpassung und Umgehung von Sanktionen wirksam zu bleiben, müssten Strafmaßnahmen kontinuierlich verschärft werden, schreiben die Außenminister der Länder in einem Brief. Dieser ist an die Außenbeauftragte der Staatengemeinschaft, Kaja Kallas, sowie an Maria Luís Albuquerque, EU-Finanzkommissarin, adressiert. Dabei seien Maßnahmen, die auf die Einnahmen aus dem Ölexport abzielen, von entscheidender Bedeutung, da sie Russlands wichtigste Einnahmequelle schmälerten. Der Brief liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Russlands Schattenflotte: Ölpreisdeckel 2022 beschlossen - kritischer Zeitpunkt für Russland?

Der im Dezember 2022 beschlossene Ölpreisdeckel soll Russland dazu zwingen, Erdöl für höchstens 60 Dollar pro Barrel (159 Liter) an Abnehmer in anderen Staaten zu verkaufen. Die Obergrenze ist eine der Sanktionen, mit denen der Westen auf den von Moskau begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine reagiert. 

Aus zwei Gründen sei nun der richtige Zeitpunkt für eine Absenkung der Obergrenze, schreiben die Außenminister von Dänemark, Estland, Finnland, Lettland, Litauen und Schweden. Zum einen sei der internationale Ölmarkt heute besser versorgt als 2022, was das Risiko für einen Versorgungsschock durch eine niedrigere Preisobergrenze verringere. Zudem habe Russland angesichts begrenzter Lagerkapazitäten und seiner Abhängigkeit von Energieexporten keine Alternative zu weiteren Ölexporten.

Die Unterzeichner fordern die Adressaten daher auf, bei den Beratungen über Sanktionen innerhalb der G7 das Ziel einer niedrigeren Ölpreisobergrenze dringend voranzutreiben. Weiterhin müsse eine niedrigere Ölpreisobergrenze mit anderen Maßnahmen zur Begrenzung der Einnahmen Russlands aus Ölexporten einhergehen. Unter anderem die Regierung in Tallinn hatte schon mehrfach vehement auf eine niedrige Obergrenze gedrängt.

Dass Sanktionen wirksam sind, zeigt sich auch an den Folgen der neu verhängten US-Sanktionen: Seitdem haben mindestens 65 Öltanker Anker geworfen, berichtet Reuters unter Berufung auf Schiffahrtsdaten. Demnach lagen fünf davon vor chinesischen Häfen und sieben vor Singapur. Andere stoppten ihre Fahrt in der Nähe Russlands in der Ostsee oder im Fernen Osten. Außerdem stiegen nach Marktschätzungen die Tageseinnahmen für Supertanker um mehr als zehn Prozent.

Putins Schattenflotte im Fadenkreuz: Nato-Gipfel wegen Ostsee-Vorfällen

Nach mehreren vermuteten Sabotageakten auf offener See beraten zudem Bundeskanzler Olaf Scholz und Staats- und Regierungschefs weiterer Nato-Staaten am Dienstag über die Sicherheit im Ostsee-Raum. Bei einem Gipfel in der finnischen Hauptstadt Helsinki sollen vor allem Wege gefunden werden, wie man kritische Infrastruktur in der Ostsee besser schützen und der Bedrohung durch die sogenannte russische Schattenflotte begegnen kann. Damit sind Schiffe gemeint, die Russland benutzt, um Sanktionen infolge seines Einmarsches in die Ukraine etwa beim Öltransport zu umgehen.

Gastgeber des Sicherheitsgipfels sind der finnische Staatspräsident Alexander Stubb und der estnische Ministerpräsident Kristen Michal. Neben Scholz nehmen auch die Staats- und Regierungschefs weiterer NATO-Länder aus der Ostsee-Region teil, darunter Dänemark, Lettland, Litauen, Polen und Schweden. NATO-Generalsekretär Mark Rutte reist aus Brüssel an, während die EU-Kommission von Vizepräsidentin Henna Virkkunen vertreten wird. Russland, der einzige Ostsee-Anrainerstaat außerhalb der NATO, ist nicht beteiligt.

Mit dem Gipfel reagieren die beteiligten Nato-Länder auf jüngste Vorfälle, bei denen mehrere Kabel in der Ostsee mutmaßlich vorsätzlich gekappt wurden. Darunter war in gleich zwei Fällen auch ein Glasfaserkabel, das zwischen Helsinki und Rostock verläuft. Beim jüngsten dieser Vorfälle, bei dem auch eine Stromleitung zwischen Finnland und Estland beschädigt wurde, steht der Öltanker „Eagle S“ unter Verdacht, die Schäden mit seinem Anker verursacht zu haben. Das Schiff fuhr unter der Flagge der Cookinseln, gehört nach Einschätzung der EU aber zur russischen Schattenflotte. (dpa/rjs)

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