Russlands Wirtschaft am Wendepunkt: „Wachstumswunder“ neigt sich dem Ende zu
Wenn es nach Putin geht, sollte die russische Wirtschaft eins: wachsen. Doch genau das wird sie im kommenden Jahr offenbar nicht. Denn Putins Pläne gehen nicht auf.
Moskau – Wachstum durch Kriegswirtschaft: Das Erfolgsmodell hat offenbar seine Grenzen erreicht. Im Vergleich zum Beginn des Ukraine-Kriegs haben sich die Umstände für den Kreml-Chef Wladimir Putin deutlich verändert. Zweifellos würde sich der russische Präsident wünschen, dass Russlands Wirtschaft im kommenden kräftig wächst. Doch das Wachstum wird eher gehemmt, als dass es beschleunigt wird. Wie gut ist Putin vorbereitet?
Aussichten für Russlands Wirtschaft 2025: Grenzen des Wachstums sind wohl erreicht
Die Problemliste der russischen Wirtschaft ist lang. Nach mehr als zwei Jahren Krieg gegen die Ukraine wird Putin allmählich einsehen müssen, dass er Russlands Wirtschaft durch die Umstellung auf eine Kriegswirtschaft keinen Gefallen getan hat. Putins Methode bestand darin, viel Geld ins Militär zu pumpen und auch für 2025 plant der Kreml hohe Ausgaben für den Ukraine-Krieg ein. Die Theorie: Rekordinvestitionen sollten das Wirtschaftswachstum beschleunigen.
Bedingt durch diese hohen Staatsausgaben für Krieg und Rüstung sowie dem daraus resultierenden Konsum, stieg das BIP im Jahr 2023 um 3,6 Prozent. Und für 2024 liegen die Schätzungen sogar etwas darüber. Bei seiner Jahrespressekonferenz im Dezember 2024 ging Putin davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch 2024 um 3,9 Prozent, „vielleicht sogar vier Prozent“ wachse. Die Realität ist allerdings eine andere. „Die Grenzen dieses Wachstumsmodells sind erreicht“, hatte etwa Janis Kluge, Russland-Experte der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik, bereits Ende November 2024 in einer Analyse.
Seit Anfang 2024 sei die russische Wirtschaft kaum noch gewachsen. Der kurzzeitige, kriegsbedingte Boost ist für die Wirtschaft langfristig nicht nachhaltig. Ökonomen warnten vor einer Überhitzung der russischen Wirtschaft.
Hohe Inflation setzt Russlands Wirtschaft unter Druck – steigt der Leitzins nochmal?
Die hohen Kriegsausgaben sind auch den Finanzinstituten ein Dorn im Auge. „Zusätzliche staatliche Ausgaben und die damit verbundene Ausweitung des Haushaltsdefizits im Jahr 2024 haben inflationsfördernde Wirkung“, zitierte die AFP die russische Zentralbank im Oktober 2024. Bei seiner Pressekonferenz im Dezember hatte Putin die Zentralbank in die Pflicht genommen – sie habe die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente nicht schnell und entschlossen genug eingesetzt, ihre wiederholten Zinserhöhungen seien nicht früh genug erfolgt.
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Die Inflation in Russland setzte die russische Zentralbank mehrfach unter Druck. Im Dezember 2024 erreichte die Inflationsrate in Russland 9,50 Prozent, nachdem sie im November noch bei 8,90 Prozent lag. Analysten von Trading Economics erwarten, dass die Inflation weiter zunehmen wird. Liam Peach, leitender Schwellenmarktökonom bei Capital Economics, prognostiziert für Anfang 2025 eine Inflationsrate von 10,50 Prozent. Um die hohe Inflation zu bekämpfen, hatte die Zentralbank ihren Leitzins wiederholt angehoben, bis er mit 21 Prozent einen Rekordwert erreichte. Für 2025 rechnen Experten, dass der Leitzins weiter steigen könnte.
Neben einer steigenden Inflation hatte vor allem der Rubel-Absturz viel Panik in der Finanzwelt ausgelöst. Welche Maßnahmen die russischen Finanzinstitute für ihre Geldpolitik einleiten werden, bleibt noch abzuwarten. Ein wesentlicher Unterschied zu 2022 bestehe allerdings laut Wladislaw Inozemcew, russischstämmiger Ökonom und Mitbegründer des Zentrums für Analysen und Strategien in Europa (CASE), darin, dass die wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger und die Zentralbank nicht mehr an einem Strang ziehen. Jeder verfolge seine eigenen Interessen, wie man zuletzt etwa bei der Abwertung des Rubels sah. „Das macht die Situation gefährlich“, sagte der Ökonom zur Welt.
Sanktionen gegen Russlands Wirtschaft: So schmälern sie Putins Kriegseinnahmen
Während Russlands Wirtschaft weiter gegen eine hohe Inflation kämpft, versucht Putin sich durch Geschäfte im Energiesektor eine Säule aufzubauen. Einnahmen durch den Verkauf von Öl und Gas haben vor dem Krieg dem Kreml viel Geld in die Kriegskasse gespült. Putin will Russlands LNG-Exporte bis 2035 sogar verdreifachen.
Doch die jüngsten Sanktionen machen Putin einen Strich durch die Rechnung. Erstmals im Sommer 2024 verhängte die EU Sanktionen gegen russisches LNG, was Russlands Handelspartner immer stärker vertreibt, weil sie Sekundärsanktionen fürchten. So hadert Indien offenbar mit dem Kauf von sanktioniertem LNG aus Russland und auch China wendet sich zunehmend von Russland ab.
Die USA haben zudem erst Mitte Januar 2024 neue Sanktionen gegen Russlands Wirtschaft erlassen, die insbesondere die Ölindustrie und insbesondere Rohöl-Exporte schwächen sollen. Russland produziert täglich rund neun Millionen Barrel Rohöl sowie raffinierte Produkte, Russlands Ölexporte machen täglich zwischen vier bis fünf Millionen Barrel Rohöl und raffinierte Produkte aus. Von den fünf Millionen Fass Rohöl, die Russland exportiere, gelangen 2,9 Millionen mittels Tankern in die Welt, erklärt der russische Energieanalyst Michail Krutichin im Gespräch mit Welt. „Unterschiedlichen Schätzungen zufolge sind 25 bis 50 Prozent dieser verschifften Ölmenge von den Sanktionen betroffen“.
Zudem fließt seit Beginn des Jahres 2025 kein russisches Gas mehr über die ukrainischen Pipelines nach Europa, weil ein Abkommen zwischen Russland und der Ukraine nicht verlängert wurde. Schätzungen wird Putin infolgedessen Milliardenverluste machen.