Putins Rohrkrise: Was Russlands Angriffskrieg mit einer österreichischen Firma zu tun hat

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Russlands Kriegswirtschaft hat ein Problem: Die Panzerrohre gehen aus. Eine österreichische Firma ist Weltmarktführer, liefert aber nicht an Putin.

Moskau – Vier Jahre läuft der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine nun schon. Doch wie lange ist Russland noch in der Lage, den Krieg unter den hohen Verlusten aufrechtzuerhalten? Laut einer Analyse von Foreign Policy zufolge verfügt Russland nicht über die Ressourcen für viele weitere Kriegsjahre.

Zwar habe Moskau seine Streitkräfte und Rüstungsproduktion ausgebaut und mehr als 500.000 Arbeiter in der Rüstungsindustrie, etwa 180.000 in den Streitkräften und viele weitere Tausende in paramilitärischen und privaten Militärorganisationen eingestellt. Russland hat Berichten zufolge seine Produktion von Artilleriegeschossen auf 3 Millionen pro Jahr verdreifacht und stellt in großem Maßstab Gleitbomben und Drohnen her. Dennoch steuert Moskau der Analyse zufolge auf eine Sackgasse zu. Egal, wie viele Arbeiter er in die Rüstungsindustrie zu verlagern versucht, der Kreml kann die Produktion nicht schnell genug ausweiten, um die Waffen in dem Tempo zu ersetzen, in dem sie auf dem Schlachtfeld verloren gehen.

Engpässe in russischer Waffenproduktion: Die Kanonenrohrproduktion stockt

Schon jetzt stammt etwa die Hälfte aller von Russland in der Ukraine eingesetzten Artilleriegeschosse aus nordkoreanischen Beständen. Irgendwann in der zweiten Hälfte des Jahres 2025 wird Russland demnach mit schweren Engpässen in mehreren Waffenkategorien konfrontiert sein. Der vielleicht größte Waffenengpass Russlands ist seine Unfähigkeit, großkalibrige Kanonen zu ersetzen. Open-Source-Forschern zufolge, die Videodokumentationen verwenden, verliert Russland im Durchschnitt mehr als 100 Panzer und etwa 220 Artilleriegeschütze pro Monat.

Für die Herstellung von Panzer- und Artillerierohren sind Rotationsschmieden erforderlich – massive technische Anlagen mit einem Gewicht von jeweils 20 bis 30 Tonnen. Diese können jeweils nur etwa zehn Rohre pro Monat produzieren. Russland verliert jeden also Monat rund 320 Panzer- und Artilleriekanonenrohre und produziert nur 20.

Nur zwei einsatzbereite Radialschmieden für Kanonenrohre in Russland

Pavel Luzin, Experte für russische Militärkapazitäten am in Washington ansässigen Centre for European Policy Analysis, schätzt im Gespräch mit dem Economist, dass Russland 30 neue Panzer pro Jahr bauen kann. Als die Ukrainer im vergangenen Jahr einen angeblich neuen T-90M erbeuteten, stellten sie fest, dass dessen Kanone 1992 hergestellt worden war. Auch Luzin schätzt, dass Russlands Fähigkeit, neue Panzer oder Schützenpanzer zu bauen oder sogar alte zu überholen, durch die Schwierigkeit, an Komponenten zu kommen, beeinträchtigt wird.

Laut dem britischen Thinktank RUSI gibt es in Russland nur noch vier Fabriken, die überhaupt Geschützrohre herstellen können. Neben einem Werk in Wolgograd sind das die Fabrik Nr. 9 in Jekaterinburg, die Motowilicha-Werke in Perm und das nationale russische Artillerieforschungs- und Entwicklungszentrum in Nischni Nowgorod. Laut Luzin soll es in Russland sogar nur noch zwei einsatzbereite Radialschmieden von GFM geben.

Österreichische Firma dominiert Weltmarkt für Rotationsschmieden

Eine österreichische Firma namens GFM dominiert den Weltmarkt für Rotationsschmieden. Der russischen Maschinenbauindustrie dagegen fehlt das Know-how zum Bau dieser Fertigungsanlagen. Es ist unwahrscheinlich, dass Russland weitere Schmieden erwerben und seine Produktionsrate steigern wird, und weder Nordkorea noch der Iran verfügen über bedeutende Vorräte an geeigneten Ersatzrohren. Nur eine Entscheidung Chinas, Rohre aus seinen eigenen Vorräten bereitzustellen, könnte Russlands Rohrkrise abwenden.

Ukraine-Krieg: Selenskyj fordert Russland zum weihnachtlichen Truppenabzug auf.
Kanonenrohre: Sie zu produzieren, ist für Russland eine große Herausforderung. © -/dpa

Der russische Historiker und Journalist Kamil Galeev twitterte, dass GFM trotz der Sanktionen angeblich immer noch Radialschneidemaschinen nach Russland liefere, die für die Panzerproduktion eingesetzt würden. Das Unternehmen dementierte das aber deutlich und teilte auf seiner Homepage mit, dass es sich um eine „Falschmeldung“ handle. Man unterhalte keine Geschäftskontakte mehr nach Russland.

Russland schöpft Sowjetvorräte an Panzern aus

Um seine Streitkräfte wieder aufzufüllen, hat Russland Panzer- und Artillerierohre aus den riesigen Vorräten, die es von der Sowjetunion geerbt hat, abgebaut. Aber diese Vorräte sind seit Kriegsbeginn geschrumpft. Wenn man die aktuellen Verluste auf dem Schlachtfeld, die Wiederverwertung von Vorräten und die Produktion zusammenrechnet, dürften Russland irgendwann im Jahr 2025 die Kanonenrohre ausgehen, berechnet Foreign Policy.

Aleksandr Golts, Analyst am Stockholmer Zentrum für Osteuropastudien, sagt, dass Wladimir Putin dem alten Politbüro die riesigen Waffenvorräte zu verdanken hat, die während des Kalten Krieges aufgebaut wurden. Er sagt, die sowjetischen Führer hätten gewusst, dass die westliche Militärausrüstung viel fortschrittlicher war als ihre eigene, also hätten sie sich für die Masse entschieden und in Friedenszeiten Tausende von Panzerfahrzeugen für den Kriegsfall produziert.

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