Öl-Kauf in Russland statt Waffenhilfe: Nato-Land füllt Putins Kriegskasse auf

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Tschechien soll die Ausnahmeregelung der EU zum Importverbot russischem Öls ausnutzen. Experten werfen dem Land eine Mitfinanzierung des Ukrainekriegs vor.

Prag/Kiew/Moskau – Es sind Zahle, die nachdenklich machen: Tschechien, einer der stärksten Nato-Verbündeten der Ukraine, soll seit Beginn der russischen Invasion mehr als sieben Milliarden Euro (7,62 Milliarden Dollar) für russisches Öl und Gas ausgegeben haben. Dagegen sehen die 1,29 Milliarden Euro, die es an Entwicklungshilfe an Kiew bezahlt, eher mickrig aus.

Dass Tschechien mehr als das Fünffache Russlands Präsident Putin für Rohstoffe bezahlt hat, zeigen Zahlen aus dem am Montag (14. Oktober) veröffentlichten Bericht vom Center for the Study of Democracy und dem Centre for Research on Energy and Clean Air. Analysten sprechen davon, dass Tschechien, „zur Finanzierung des Krieges des Kremls beigetragen“ hat. In dem 18-seitigen Bericht wird die anhaltende Abhängigkeit der europäischen Mächte von russischen fossilen Brennstoffen beleuchtet.

Bericht enthüllt: Tschechien nutzt Ausnahmeregelung der EU zum Importverbot russischem Öls aus

Unter dem Titel „Tapping the Loophole“ übersetzt „Das Schlupfloch ausnutzen“ berichten die Experten davon, dass Tschechien eine EU-Ausnahmeregelung vom Importverbot russischer Öl- und Erdölprodukte durch die Europäische Union ausgenutzt hat. 

Tatsächlich importiert Tschechien aktuell mehr Öl über die russische Druschba-Pipeline als vor dem Krieg – der höchste Stand seit dem Jahr 2012. Denn von den Russland-Sanktionen ist diese Pipeline ausgenommen. Diese Ausnahme nutzen Tschechien, die Slowakei und Ungarn. Polen und Deutschland, die auch an Druschba angeschlossen sind, haben darauf verzichtet. 

Pipeline „Druschba“
Die Druschba-Pipeline. © Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Ein generelles Importverbot für Erdgas aus Russland gibt es bisher nicht. Dafür fehlt unter den Mitgliedstaaten die nötige Einstimmigkeit. Mit der Ausnahmeregelung wollte man den Binnenstaaten Mitteleuropas – wie etwa Tschechien, Ungarn und der Slowakei – die Möglichkeit geben, ihre Nutzung russischen Öls über einen längeren Zeitraum hinweg schrittweise einzustellen, während sie nach neuen Versorgungsrouten für ihren Treibstoff suchen.

Tschechien profitiert vom Ukrainekonflikt: russisches Erdöl seit Ausbruch des Krieges günstiger

Den beiden Denkfabriken zufolge hat Tschechien diese Gesetzeslücke und die daraus resultierenden Preisnachlässe auf russisches Rohöl jedoch im vergangenen Jahr „ausgenutzt“, um seine Importe zu steigern. Im Jahr 2023 stiegen diese auf 60 Prozent der tschechischen Ölimporte, im Jahr 2022 waren es noch 56 Prozent.

Nach Schätzungen der Experten hat die anhaltende Abhängigkeit des Landes von russischer Energie Moskau seit Februar 2022 Steuereinnahmen von mehr als 2,3 Milliarden Euro eingebracht. Der Bericht argumentierte, dass Tschechien über „ausreichend alternative Versorgungsoptionen außerhalb Russlands“ verfüge und auch über die notwendigen Versorgungsrouten und das nötige Energieportfolio, um vollständig aus der Nutzung russischer fossiler Brennstoffe auszusteigen.

Die Experten forderten die Europäische Union auf, „die strategische Abkopplung vom russischen Öl zu vollenden“, indem sie die Ausnahmeregelungen für Importe nach Tschechien, Ungarn und in die Slowakei aufhebt und eine feste Frist für die Einstellung sämtlicher russischer Gasimporte setzt.

Keine Unabhängigkeit von Russland: EU bezieht weiterhin ein Fünftel des Erdgases aus Russland

Tatsächlich importiert die Europäische Union ungeachtet des Ukraine-Kriegs immer noch fast ein Fünftel ihres Erdgases aus Russland. Im Vergleich zum vergangenen Jahr stiegen die Einfuhren sogar wieder, wie ein im September aus Brüssel veröffentlichter Energiebericht der EU-Kommission zeigt. Für die Slowakei, Ungarn und Österreich bleibt Russland der größte Lieferant.

Energiekommissarin Kadri Simson rief die Mitgliedsländer auf, größere Anstrengungen zur Unabhängigkeit von Moskau zu unternehmen. Russland könne die EU aber durch Drehen am Gashahn heute „nicht mehr erpressen“, betonte sie. Im Jahr 2021 hatten die EU-Länder nach ihren Angaben noch 45 Prozent ihres Bedarfs durch russisches Pipeline- oder Flüssigerdgas (LNG) gedeckt. (bg)

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