Russlands Schattenflotten-Tanker in der Ostsee: Nato setzt klares Signal gegen Putin
Beschädigte Unterseekabel in der Ostsee lösen Besorgnis aus: Die Nato verstärkt ihre Marinepräsenz, um kritische Infrastruktur zu schützen.
Kiel – In jüngster Zeit häufen sich die Fälle von mutmaßlicher Sabotage in der Ostsee: Mehrere Unterseekabel wurden beschädigt. Im Visier der Ermittler ist Russlands Schattenflotte. Das Verteidigungsbündnis Nato will solchen hybriden Angriffen vorbeugen und die Ostsee künftig stärker schützen.
Unterseekabel bedroht? Gezielter Angriff kann Gesellschaft Schaden zufügen
Auf dem Meeresboden liegen Kabel, die zur kritischen Infrastruktur Europas zählen. Eine Zerstörung solcher Datenleitungen birgt Gefahren. „Ein Datenkabel, eine Pipeline, ein Windpark wird dem Staat nicht nachhaltig schaden. Da aber, wo ich mehr Infrastruktur habe – wo ich mehr Infrastruktur auch gleichzeitig kaputt machen könnte – da können Kaskadeneffekte entstehen, sodass ich einem Land, einem Staat, einer Gesellschaft Schaden zufügen kann“, erklärt Fregattenkapitän Göran Swistek, Bundeswehr-Experte für maritime Sicherheit bei der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Die Ostsee zählt zu den am stärksten befahrenen Gewässern der Welt, die Überwachung gilt als schwierig. „Wir werden wahrscheinlich nie einen Zustand erreichen können, in dem wir alles das, was an Infrastruktur existiert, schützen können“, so Swistek weiter. Doch um den Schutz zu erhöhen, verstärkt die Nato nun ihre Präsenz in der Ostsee und verlegt mehr Schiffe an die Nordflanke. Zunächst sollen zwei Nato-Schiffe zur Patrouille in die Ostsee geschickt werden, sagte die finnische Außenministerin Elina Valtonen am Freitag. Als deutliches Zeichen gilt auch die Entsendung des ständigen Minenräum-Verbands der Nato, der am Samstag von Kiel in Richtung Baltikum starten soll. Ursprünglich sollten die Schiffe in die Nordsee fahren, doch die Umstände hätten sich geändert, sagte der neue Kommandeur, Erik Kockx.
Russische Schattenflotte im Visier: Sicherheitslage in der Ostsee auch beim Nato-Gipfel Thema
Der Nato-Sicherheitsgipfel am kommenden Dienstag (14. Januar) in der finnischen Hauptstadt Helsinki befasst sich ebenfalls mit der Sicherheitslage in der Ostsee. Dabei geht soll es um eine stärkere militärische Präsenz des Bündnisses sowie um „den künftigen Umgang mit der Bedrohung durch die russische Schattenflotte“ gehen, wie eine Regierungssprecherin von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mitteilte. Details sollen in der kommenden Woche bekannt gegeben werden. Wie aktuell das Thema ist, zeigt auch ein manövrierunfähiger Tanker, der derzeit nördlich der Insel Rügen in der Ostsee treibt. Laut Recherchen von Greenpeace gehört die 18 Jahre alte „Eventin“ zur russischen Schattenflotte, mit der Moskau die westlichen Sanktionen beim Öltransport umgeht.
Bereits Ende vergangenen Jahres war ein weiteres Schiff aus Russland mit hochexplosiver Fracht an Bord wochenlang in der Nordsee getrieben. Sabotageakte an wichtiger Infrastruktur in der Ostsee gab es zuletzt immer häufiger: Am ersten Weihnachtstag wurde eine Störung am Stromkabel Estlink 2 entdeckt, das Finnland mit Estland verbindet. Der Verdacht der finnischen Ermittler fiel auf den Öltanker „Eagle S“, der aus dem russischen St. Petersburg gestartet war. Dessen Anker sei kilometerweit über den Meeresgrund geschliffen und könnte das Kabel so beschädigt haben. Einen Monat zuvor war bereits an zwei Telekommunikationskabeln in der Ostsee ein Schaden festgestellt worden. Verdächtigt wurde in diesem Fall ein chinesisches Frachtschiff.
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Putin testet rote Linien: Moskaus Hybride Angriffe in der Ostsee
Schon im vergangenen Oktober warnte der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) Bruno Kahl im Deutschen Bundestag vor einer Zunahme hybrider Attacken: „Mit dem umfassenden Einsatz hybrider Methoden und Mittel durch Russland steigt auch das Risiko, dass sich irgendwann die Frage eines NATO-Bündnisfalls stellen könnte.“ Als hybride Kriegsführung werden Angriffe unter der Schwelle der direkten militärischen Intervention bezeichnet. Neben Sabotage zählen dazu beispielsweise auch Desinformation oder Cyberangriffe.

Spätestens ab Ende dieses Jahrzehnts seien die russischen Streitkräfte „personell und materiell in der Lage, einen Angriff gegen die Nato durchzuführen“, prognostizierte Kahl weiter. Zuvor werde Putin „rote Linien des Westens austesten und die Konfrontation weiter eskalieren“, glaubt der BND-Chef. Auch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) warnte am Freitag (10. Januar) eindringlich vor den Gefahren durch permanent erfolgende hybride Angriffe Russlands gegen westliche Staaten in der Ostsee. „Es passiert täglich“, so Pistorius, der kritisierte, dass es „einige bei uns in Deutschland gibt, die das immer noch nicht wahrhaben wollen“.
Die Deutsche Marine hat seit Beginn des Ukraine-Kriegs seine Präsenz in der Ostsee bereits im Rahmen der Operation Baltic Guard verstärkt und sei laut Pistorius „in einer Vorreiterrolle dabei“. Am Stützpunkt Nordholz nahe dem niedersächsischen Cuxhaven befindet sich das Marinefliegerkommando der Bundeswehr. In den kommenden zehn Jahren soll der Stützpunkt mit 400 Millionen Euro weiter ausgebaut werden, hieß es. Es werde auch über den Einsatz von Sensoren, von Drohnen und von unbemannten U-Booten nachgedacht, erklärte der Experte für maritime Sicherheit Swistek im vergangenen Sommer. Im Rahmen der Operation Nordic Warden soll auch Künstliche Intelligenz bei der Überwachung der russischen Schattenflotte zum Einsatz kommen, wie aus einer Pressemitteilung des britischen Verteidigungsministeriums vom Montag hervorgeht.