Kürzungen der Grundrente: Verheiratete Paare sind im Nachteil

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Von der Grundrente sollen Ruheständler mit geringen Renten profitieren. Heiraten Paare, könnte sich das negativ auf die Grundrentenbezüge auswirken.

Bremen – Mehr als sieben Millionen Rentnern in Deutschland bleibt laut Statistischem Bundesamt weniger als 1250 Euro netto im Monat für den Lebensunterhalt. Insgesamt sind das mehr als 42 Prozent aller Rentenempfänger überhaupt im Land, wie aus der Erhebung auf Anfrage des Linken-Abgeordneten Dietmar Bartsch hervorging. Darüber berichteten im Januar 2024 zunächst die Tagesschau und das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Um Rentnern mit besonders niedrigen Rentenbezügen einen dennoch würdevollen Ruhestand zu ermöglichen, ist 2021 die Grundrente eingeführt worden. Sie soll geringe Renten mit einem Zuschlag, den die Rentenversicherung individuell berechnet, bezuschussen. Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales bezogen 2022 etwa 1,1 Millionen Ruheständler in Deutschland Grundrente. Im Durchschnitt werden ihnen monatlich etwa 86 Euro ausgezahlt

Um für die Grundrente berechtigt zu sein, müssen Beschäftigte mindestens 33 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben. Außerdem muss ihre reguläre Altersrente unter dem Existenzminimum liegen. Festgelegt ist der Grundrentenzuschlag jedoch nicht pauschal, sondern wird individuell nach einer Prüfung der Versicherungsbiografie durch die Rentenversicherung bestimmt. Dabei gibt es Freibeträge: Bis zu einem anzurechnenden Einkommen von aktuell 1317 Euro für Alleinstehende und 2055 Euro für Paare (im Jahr 2023) wird keine Einkommensprüfung vorgenommen.

Reichlich Kritik an jährlicher Neuberechnung der Grundrente

Die Einkommensprüfung geschieht jährlich zu Jahresbeginn auf der Grundlage von Daten, die die Rentenversicherung von den Finanzämtern erhält. Doch die jährliche Neuberechnung ist umstritten. Zum Ärger vieler Verbraucher kann sie sich nämlich auch nachteilig auf die Rentenbezüge auswirken. Etwa, wenn unverheiratet lebende Paare sich entscheiden, zu heiraten. 

So berichtet der Rentenexperte und Rechtsanwalt Peter Knöppel gegenüber der Plattform Gegen-Hartz.de von einem Fall, in der einer Betroffenen zum 01.01.2024 60 Euro ihrer monatlichen Rente gekürzt wurden. Grund ist, dass das Einkommen ihres Ehegatten an ihre eigene Grundrente angerechnet wurde. Diese Anrechnung hält Knöppel für verfassungswidrig, denn sie greife in die Rechte des von der Einkommensanrechnung betroffenen Ehegatten nach Artikel 14 des Grundgesetzes ein.

Außerdem sei eine solche Anrechnung „systemwidrig“, so Knöppel, wenn es um das generelle Rentenmodell geht. Denn die gesetzliche Rente kenne keine Anrechnung eines Einkommens oder Hinzuverdienstes eines Ehepartners auf gesetzliche Rentenansprüche des anderen Ehegattens. Solche Anrechnungen seien in der staatlichen Fürsorge vorgesehen, einem anderen System als dem der Rente also, schließlich stamme der Grundrentenanspruch aus dem SGB VI und nicht aus der Fürsorge.

Rentenexperte mahnt, verheiratete Paare seien bei der Grundrente im Nachteil

Rentenexperte Knöppel macht zudem darauf aufmerksam, dass Ehepartner bei der Grundrente ungleich behandelt werden. Unverheiratet zusammenlebende Paare geben ihr Einkommen für die Grundrente nämlich separat voneinander an. Das Einkommen des einen nicht-ehelichen Lebenspartners hat also keine Auswirkungen auf die Berechnung der Grundrentenhöhe des anderen Partners.

Heiraten Paare, könnte sich für sie ein Nachteil bei der Grundrente ergeben.
Ein älteres Ehepaar sitzt auf einer Parkbank. © IMAGO/RAINER UNKEL

Heiraten Paare jedoch, wird damit auch das Einkommen des Ehepartners herangezogen, um die Höhe der Grundrente zu berechnen. Insofern könne eine Heirat schnell auch dazu führen, dass ein Ehepartner den bestehenden Grundrenten-Freibetrag durch die Heirat überschreitet – und so mit Kürzungen des Grundrentenzuschusses rechnen müsste. Knöppel fordert unter anderem deshalb, dass Sozialgerichte bis hin zum Bundessozialgericht prüfen müssten, ob das Anrechnen des Einkommens auf die Grundrente überhaupt statthaft ist.

Sozialverband kritisiert jährliche Einkommensprüfung schon lange – auch die Ampel-Koalition zweifelt

Kritik an der Einkommensprüfung kommt auch vom Sozialverband Deutschland (SoVD). Bei Betroffenen könne sie nämlich nicht nur zu Rentenkürzungen, sondern auch zu wachsender Verunsicherung führen. Außerdem betont der Verband, die Einkommensprüfung könne den Kreis der Beziehungsberechtigten verkleinern und führe zudem zu einem beträchtlichen bürokratischen Mehraufwand.

Die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier fordert, auf die Einkommensprüfung zu verzichten, um Menschen mit niedrigen Renten nicht weiter zu belasten: „Gerade jetzt – in einer Phase der hohen Inflation – muss wenigstens die Einkommensprüfung bei der Grundrente ausgesetzt, am besten ganz gestrichen werden. Sonst führt der gut gemeinte Gedanke einer Grundrente nur zu einem weiteren Vertrauensverlust in die gesetzliche Rente – aber auch in den Staat.“

Am Montag (12. Februar 2024) wurde bekannt, dass Teile der Ampel-Koalition die jährliche Einkommensprüfung im Rahmen der Grundsteuerberechtigung zunehmend anzweifeln. Grund dafür ist aber nicht nur der durch die Einkommensprüfung verursachte bürokratische Mehraufwand, sondern auch, dass die Kosten den Nutzen der Prüfung deutlich übersteigen. Hinzu kommt das zeitintensive und komplizierte Prüfungsverfahren, das die Bundesregierung dazu bringen könnte, künftig Änderungen für Rentner bei der Grundrente einzuführen. (Fabian Hartmann)

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