Immer mehr gehen früher in Rente – Ampel-Reform belastet Steuerzahler
2023 wurde die Hinzuverdienstgrenze für Rentner, die vor der Regelaltersgrenze den Ruhestand antreten, abgeschafft. Damit hat sich die Zahl der Frührentner offenbar erhöht.
Köln – In Deutschland arbeiten mehr Menschen im Rentenalter weiter, als je zuvor. Das ergab neulich eine Untersuchung des Statistischen Bundesamtes auf Anfrage des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). So seien 2024 mehr als 1,1 Millionen Menschen im Rentenalter noch erwerbstätig gewesen, das waren 51.000 mehr als im Jahr zuvor.
Zugleich hat sich die Zahl derer erhöht, die eine Rente beziehen und trotzdem weiterarbeiten. Das zeigt eine aktuelle Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Vor allem sei diese Entwicklung bei Frührentnern zu beobachten, die seit 2023 unbegrenzt neben der Rente hinzuverdienen können.
Rentner können seit 2023 unbegrenzt hinzuverdienen: Immer mehr Menschen gehen daher früher in Rente
Die Hinzuverdienstgrenze für Rentner, die langjährig oder besonders langjährig versichert sind und daher früher in Rente gehen können, wurde zum 1. Januar 2023 abgeschafft. Das Ziel der Reform durch die Ampel-Regierung war, die Erwerbstätigkeit von Rentnern zu erhöhen und so den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Allerdings gibt es nun erste Anzeichen dafür, dass die Reform zugleich dazu geführt hat, dass jetzt mehr Menschen vorzeitig in Rente gehen.
Unterschied Rente für langjährig und Rente für besonders langjährig Versicherte
Bei den Rentenbezugsarten wird im Alter zwischen drei Rentenarten unterschieden:
Die Rente für besonders langjährig Versicherte können Menschen bekommen, die mindestens 45 Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt haben. Diese Menschen können, ohne Abschläge zu zahlen, zwei Jahre vor der normalen Altersgrenze in Rente gehen.
Die Rente für langjährig Versicherte gibt es für Versicherte schon nach 35 Jahren. Diese Menschen können ebenfalls zwei Jahre vor der Regelaltersgrenze in den Ruhestand gehen, müssen aber dafür Abschläge zahlen. Pro Monat, den man früher in Rente geht, wird die Rente um 0,3 Prozent gekürzt.
Die reguläre Altersrente gibt es für alle, die in ihrem Leben mindestens fünf Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt haben. Diese Personen können in der Regel mit 67 Jahren in Rente gehen. Gerade wird diese Grenze von 65 auf 67 Jahren angehoben, weshalb es einige Kohorten gibt, die vorher in den Ruhestand gehen. Ab 2031 wird dieser Übergang abgeschlossen sein.
Verglichen wurden die Zugänge zur Rente zwischen 2018 und 2023. Im Jahr 2018, also vor den Reformen an der Hinzuverdienstgrenze, gingen 1,06 Millionen Menschen in Frührente ohne Abschlag. 689.605 Personen nahmen die Rente für langjährig Versicherte in Anspruch, haben also Abschläge bezahlt. Die Zahl der Regelaltersrentner lag bei 1,32 Millionen Menschen.
2023 war insbesondere die Zahl der langjährig versicherten Frührentner deutlich angestiegen: In dem Jahr gingen 1,48 Millionen Menschen in den vorzeitigen Ruhestand. Die Zahl der besonders langjährig Versicherten stieg auf fast 2 Mio. Rentner und Rentnerinnen an. Die Regelaltersrentner machten 3,34 Millionen aus.
Anteil der Frührentner steigt: Mehr als die Hälfte der Rentner gehen vorzeitig in Rente
Die absoluten Zahlen sind allerdings nur bedingt aussagekräftig: Da gerade die Babyboomer-Generation in das Rentenalter kommt, ist es nur logisch, dass überall die Zahlen grundsätzlich ansteigen. Aufschlussreicher ist daher die Betrachtung der Anteile: 2018 waren 46,6 Prozent der Neurentner im Regelalter in Rente gegangen. 2023 waren es 44,7 Prozent. Gleichzeitig stieg der Anteil der Frührentner: von 53,4 Prozent im Jahr 2018 auf 55,3 Prozent an. Fast 24 Prozent der Neurentner waren 2023 langjährig Versicherte, die also die Rente mit Abschlägen gewählt haben.

„Die Entwicklungen der Anteile der Rentenzugangsart deuten darauf hin, dass parallel zur Heraufsetzung der Hinzuverdienstgrenze mehr Personen einen vorzeitigen Renteneintritt mit Abschlägen wählen und folglich der Anteil der Personen, die bis zur Regelaltersgrenze arbeitet, sinkt“, schreibt das IW in der Studie.
Wer nach der Rente weiterarbeitet, zahlt keine Beiträge in die Rentenkasse
Dass das mit der Reform der Hinzuverdienstgrenze zusammenhängt, zeigen die Daten zum Hinzuverdienst der Rentner und Rentnerinnen. So steigt der Anteil der Rentner, die in Frührente gehen, aber dann trotzdem weiterarbeiten, seit 2023 deutlich an. 2018 sind nur 9,27 Prozent der Männer und 11 Prozent der Frauen, die mit Abschlägen früher in Rente gingen, danach noch einer Arbeit nachgegangen. 2023 waren es 23 Prozent der Männer und 25 Prozent der Frauen.
Es lohnt sich offenbar für viele Menschen also, eine Rente mit Abschlägen zu beziehen und gleichzeitig einem Job nachzugehen. Dabei ist wichtig zu wissen, dass diese Gruppe an Arbeitnehmern keine Beiträge zur Rentenkasse mehr zahlen müssen. Dadurch wird die Rentenkasse doppelt belastet: Auf der einen Seite verliert sie die Beitragszahlungen der Menschen, die ohne die Ampel-Reform mutmaßlich weiter eingezahlt hätten; auf der anderen Seite muss sie mehr Menschen vorzeitig eine Rente auszahlen (auch wenn sie durch die Abschläge etwas entlastet wird).
Ampel-Reform hat Ziel offenbar verfehlt: Rentner tragen nicht zur Bekämpfung des Fachkräftemangels bei
Das IW kritisiert an dieser Stelle, dass die Reform ihr eigentliches Ziel offenbar nicht erreicht hat: die Bekämpfung des Fachkräftemangels. Die Berufe, in denen Rentner und Rentnerinnen überwiegend tätig sind, sind nicht jene, in denen größere Engpässe herrschen. „Über alle Berufsbereiche hinweg tragen Neurentnerinnen und -rentner mit Hinzuverdienst im Promillebereich zur Fachkräftesicherung des jeweiligen Berufsbereichs bei“, so die Studie.
Da die Reform der Hinzuverdienstgrenze noch recht neu ist, muss die weitere Entwicklung kritisch beobachtet werden. Diese ersten Erkenntnisse deuten jedoch darauf hin, dass die Reform der Gesellschaft teuer zu stehen kommt. „Wenn Renteneintritte durch die Möglichkeit des unbegrenzten Hinzuverdienstes vorgezogen würden, bedeutet dies eine stärkere Belastung für Beitrags- und Steuerzahler“, heißt es im Fazit des IW.