Merz-Plan für Rentner kostet 800 Millionen – und bringt nur wenigen etwas
Wer neben der Rente arbeitet, soll bis zu einem bestimmten Gehalt keine Steuern darauf zahlen müssen. Doch der Merz-Plan hat einen Haken.
Berlin – Die Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz plant, ältere Menschen zu motivieren, länger im Berufsleben zu bleiben. Dabei bleibt die politisch sensible Regelaltersgrenze unberührt, während Freiwilligkeit und Anreize im Vordergrund stehen. Über die sogenannte Aktivrente könnten Rentnerinnen und Rentner monatlich bis zu 2000 Euro hinzuverdienen. Diese Renten-Idee stellt jedoch eine „sozialpolitische Gefahr“ dar. Davor warnt Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK.
Kritik an Renten-Plan der Merz-Regierung: Steuerfreier Zuverdienst „verschärft Spaltung“
„Die Förderung der fitten Seniorinnen und Senioren mit guten Einkommen und das Vergessen derjenigen, die aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund der Pflege von Angehörigen nicht bis zur Regelaltersgrenze arbeiten können, verschärft die Spaltung zwischen den ärmeren und durch Sorgearbeit mehr geforderten Seniorinnen und Senioren einerseits und besser verdienenden Silver Agern andererseits“, kritisiert Bentele.
Bentele gründet ihre Kritik auf eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu den Auswirkungen der Aktivrente. Die Ergebnisse würden „unsere Skepsis gegenüber der Aktivrente“ bestätigen, erklärte sie. Laut der Studie würden 230.000 Rentnerinnen und Rentner direkt von der Maßnahme profitieren. „Besonders häufig sind sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Rentenalter in der obersten Einkommensgruppe vertreten“, so das DIW.
Von der Steuerfreiheit auf Einkommen profitieren vor allem besserverdienende Rentner
„Da geringfügig Beschäftigte nicht von der Steuervergünstigung profitieren, entlastet die Aktivrente vor allem Besserverdienende.“ Im Jahr 2022 hatten 645.000 Menschen ab 66 Jahren Minijobs, während 313.000 Rentner einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgingen und 272.000 selbstständig waren.
Das DIW kritisiert, dass die Aktivrente „verteilungspolitische Fragen auf“ wirft. „Wer aus gesundheitlichen Gründen oder wegen familiärer Verpflichtungen nicht weiterarbeiten kann, bleibt außen vor.“ Vor allem gut qualifizierte Rentnerinnen und Rentner mit hohen Einkommen würden profitieren. „Das birgt sozialen Sprengstoff – vor allem, wenn ältere Beschäftigte steuerlich stark begünstigt werden, während jüngere Erwerbstätige weiterhin voll belastet bleiben“, erklärt Studienautor Stefan Bach.
Merz-Plan für die Rente könne das soziale Ungleichgewicht noch verschärfen – Nutzen ist dazu fraglich
Die Ausweitung des von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann initiierten Vorhabens könnte das soziale Ungleichgewicht noch verschärfen. Aus „rechtlichen und faktischen Gleichbehandlungsgründen“ könne man die Vorteile nicht den Selbstständigen vorenthalten, so Bach. Passive Unternehmenseinkünfte von Personengesellschafterinnen und Gesellschaftern würden dadurch begünstigt, was letztlich Kapitalerträge sind, obwohl die Anlegerinnen und Anleger selbst nicht in der Firma arbeiten. „Das zu unterbinden, wird leicht zum Bürokratiemonster“, warnt der Ökonom.
Der Nutzen der Aktivrente bleibt zudem fraglich. Die Mitnahmeeffekte der 230.000 Rentnerinnen und Rentner, die bereits arbeiten und direkt von der Steuerfreiheit profitieren, verursachen laut DIW-Studie Kosten von rund 800 Millionen Euro jährlich. Erst bei einem Zuwachs von 75.000 neuen Erwerbstätigen im Rentenalter könnten zusätzliche Einnahmen von Sozialbeiträgen und Unternehmens- sowie indirekten Steuern einen Überschuss von etwa 500 Millionen Euro generieren. Bei 150.000 Erwerbstätigen könnten Mehreinnahmen von bis zu 1,8 Milliarden Euro entstehen.
„Die Aktivrente ist kein Allheilmittel“: Erwerbsarbeit von Rentnern auf andere Art fördern
Ob diese Effekte eintreten, bleibe jedoch unsicher, warnt das DIW. „Das lässt sich nicht genau schätzen, da es bisher kaum Beschäftigte in dem Alter gab“, erklärt Peter Haan, Leiter der Abteilung Staat im DIW Berlin. „Daher muss man plausible Annahmen treffen und Szenarien rechnen.“
VdK-Präsidentin Bentele zieht das Fazit: „Die Aktivrente ist kein Allheilmittel.“ Sie hat andere Vorschläge: „Wer niedrige und mittlere Einkommen entlasten will, sollte deshalb eher den Grundfreibetrag für alle Erwerbstätigen anheben.“ Um gesundes Arbeiten bis zur Regelaltersgrenze und darüber hinaus zu ermöglichen, „sollte die Arbeitgeber verpflichtet werden, altersgerechte Arbeitsplätze, flexible Arbeitszeitmodelle und Qualifizierung sowie verpflichtende Weiterbildungen zu schaffen“, fordert sie.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann verteidigt seine Aktivrente gegen Studien-Kritik
Carsten Linnemann, der Architekt der Aktivrente, verteidigt das Konzept laut Süddeutscher Zeitung (SZ) als „vollkommen neue Idee“. Er verteidigte sie gegen die wissenschaftlichen Einordnungen: „Alle bisherigen Studien greifen daher nur auf Annahmen zurück.“ Er ist überzeugt, dass es „ein großes Potenzial“ gibt.