Arbeitspflicht für Bürgergeldempfänger - Union will Schwerin-Modell bundesweit - SPD wettert: „Griff in die Mottenkiste“
Der Vorstoß von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, eine Arbeitspflicht für Bezieher staatlicher Grundsicherung einzuführen, hat in der SPD scharfe Kritik ausgelöst.
„Eine Arbeitspflicht für erwerbsfähige Bürgergeld-Empfänger ist der Griff in die arbeitsmarktpolitische Mottenkiste“, sagte der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Martin Rosemann, am Sonntag der „Welt“.
Linnemann hatte sich am Wochenende für einen solchen Vorschlag ausgesprochen. „Jeder, der in Deutschland Bürgergeld bezieht und arbeiten kann, muss arbeiten gehen“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Ansonsten dürfe es keine Sozialleistungen mehr geben.
Schwerin verhängt Arbeitspflicht für Bürgergeldempfänger
Vorbild ist die Stadt Schwerin, in der seit kurzem eine Arbeitspflicht für Menschen, die Grundsicherung beziehen, gilt: Wer Bürgergeld erhält und sich weigert, eine bei Kitas, Vereinen oder Schulen geschaffene Stelle anzunehmen, riskiert künftig eine Kürzung seinen staatlichen Leistungen.
Einen entsprechenden Antrag hatte die CDU im Stadtrat auf Basis eines AfD-Antrags eingebracht. Dieser wurde im Dezember beschlossen.
In der Union will man das Schweriner Modell nun auch bundesweit einführen. „Wer Leistungen von der Gemeinschaft erhält, kann auch eine Leistung für die Gemeinschaft erbringen“, legte der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Thorsten Frei, am Sonntag gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland nach. Es gebe kein „Staatsgeld“, sondern nur das Geld der Steuerzahler.
CDU/CSU haben das Bürgergeld zu einem ihrer Schwerpunkte im Bundestagswahlkampf gemacht. Schon im November kündigte Linnemann die Abschaffung des Bürgergelds als eine der ersten Maßnahmen nach Übernahme der Regierungsgeschäfte an.
SPD lehnt Vorschlag ab – FDP und AfD offen
Zwar haben sich zuletzt vereinzelt Sozialdemokraten offen dafür gezeigt, Missbrauch beim Bürgergeld effektiver bekämpfen wollen. Die Abschaffung oder die Arbeitsverpflichtung für Bürgergeld-Empfänger dürfte mit der SPD wohl nicht zu machen sein.
„Der Vorschlag von Herrn Linnemann zeigt wieder mal, dass die Union keine echten Lösungen anzubieten hat“, sagte der SPD-Politiker Rosemann.
Die eigentlichen Probleme aus seiner Sicht: Die mangelnde Passgenauigkeit von Stellen und Bewerbern sowie größere Hemmnisse in der Vermittlung vieler Bürgergeld-Empfänger.
„Deshalb muss man auch genau da ansetzen – durch mehr Qualifizierung, ausreichende Kinderbetreuung, Unterstützung bei der Bewältigung gesundheitlicher Probleme“, so Rosemann.
Verfassungsrechtlich ist eine Streichung der Grundsicherung ohne weiteres nicht möglich, da es einen gesetzlichen Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gibt. Das Bundesverfassungsgericht hatte kürzlich schon bestimmte Sanktionen bei Arbeitsverweigerung für teils verfassungswidrig erklärt.
Darauf wiesen am Wochenende auch Vertreter der Linken hin. „Nach der Wehrpflicht fordert die CDU nun eine Arbeitspflicht“, sagte der Vorsitzende der Linke-Gruppe im Bundestag, Sören Pellmann, gegenüber der „Welt“. Das erinnere an dunkle Zeiten, sei grundgesetzwidrig und zynisch angesichts steigender Arbeitslosenzahlen.
Zuspruch erhielt Linnemann dagegen von FDP und AfD. Für den FDP-Politiker Jens Teutrine ist das eine Frage des Respektes gegenüber Steuerzahlenden.
Der AfD-Politiker René Springer wies darauf hin, seine Partei habe einen derartigen Vorschlag schon lange vor der Union gemacht. Der AfD-Vorschlag geht allerdings weit über den von CDU/CSU hinaus. Für alle, die länger als sechs Monate Bürgergeld beziehen, will die Partei eine Arbeitspflicht in gemeinnützigen Bereichen von 15 Wochenstunden einführen.
Von Felix Kiefer
Das Original zu diesem Beitrag "Arbeitspflicht für Bürgergeld-Empfänger: Union will Maßnahme bundesweit – SPD spricht von „Griff in die Mottenkiste“" stammt von Tagesspiegel.