Arbeitspflicht für Bürgergeld-Empfänger: Müssen sich Arbeitssuchende um die Merz-Ankündigung sorgen?
Union und SPD wollen laut Koalitionsvertrag strenger gegen sogenannte Arbeitsverweigerinnen und -verweigerer vorgehen. Wie aber ließe sich das umsetzen?
Frankfurt am Main – CDU/CSU und SPD wollen das Bürgergeld laut aktuellem Stand des Koalitionsvertrags grundlegend umstrukturieren. Demnach wird eine „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ das Anfang 2023 eingeführte Bürgergeld ersetzen. Dazu gehört auch die häufig vor allem seitens der Union in persona von Friedrich Merz vorgebrachte Forderung, Arbeitssuchende, die sich arbeitsunwillig zeigen und Jobangebote wiederholt ausschlagen, strenger zu sanktionieren. In diesem Zuge war bisher auch immer wieder von einer sogenannten Arbeitspflicht die Rede. Was aber bedeutet das für Bürgergeld-Empfängerinnen und Empfänger, und was könnte nun auf sie zukommen?
Neben der Union zeigte sich auch die SPD offen für Sanktionen gegen Arbeitsverweigerer
Bereits Mitte Februar (19. Februar) kurz vor der Bundestagswahl hatte sich Olaf Scholz (SPD) im von Welt und Bild organisierten TV-Duell mit Merz für sogenannte öffentlich geförderte Jobangebote für Arbeitsverweigerer ausgesprochen. Bei ihnen müsse das Jobcenter die Möglichkeit haben, mit Leistungskürzungen darauf reagieren zu können, wenn Arbeitssuchende Termine wiederholt nicht wahrnehmen und Jobangebote immer wieder ausschlagen.

Im 185-seitigen Koalitionsvertrag von Union und SPD heißt es dazu nach aktuellem Stand: „Wir werden Vermittlungshürden beseitigen, Mitwirkungspflichten und Sanktionen im Sinne des Prinzips Fördern und Fordern verschärfen. Sanktionen müssen schneller, einfacher und unbürokratischer durchgesetzt werden können.“ Auch solle die besondere Situation von Menschen mit psychischen Erkrankungen berücksichtigt werden, wenn dies die Aufnahme eines Jobangebots für sie schwieriger gestaltet.
Schärfere Bürgergeld-Sanktionen sind nur schwer durchsetzbar
Besonders hart fällt der Ton der neuen Regierungspartner im Koalitionsvertrag gegenüber denjenigen aus, „die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern.“ Bei ihnen soll ein „vollständiger Leistungsentzug vorgenommen“ werden, wie es im Koalitionsvertrag im Wortlaut heißt. Die Koalitionspartner fügen hinzu: „Für die Verschärfung von Sanktionen werden wir die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beachten.“
Offenbar sollen die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Bürgergelds – beziehungsweise der Grundsicherung für Arbeitssuchende, wie sie künftig heißen wird – neu abgetastet und ausgeschöpft werden. Nach gegenwärtigem Stand dürfte sich eine vollständige Streichung der staatlichen Unterstützung für Arbeitslose nämlich schwierig gestalten.
Union und SPD wollen „Instrumente und Strukturen“ der Arbeitsagentur laut Koalitionsvertrag prüfen
Grundsätzlich möglich ist eine vollständige Streichung der staatlichen Unterstützung für Arbeitssuchende bis zum Jahr 2019 gewesen. Dann aber hatte das Bundesverfassungsgericht eine absolute Sanktion als verfassungswidrig eingestuft und geurteilt, dass lediglich eine Kürzung von 30 Prozent der Leistung vertretbar sei. In der Begründung des Urteils beschrieb das Gericht allerdings eine Fallkonstellation, in der ein vollständiger Leistungsentzug gerechtfertigt wäre: Dies sei dann der Fall, wenn Bürgergeld-Beziehende „willentlich und ohne wichtigen Grund eine konkret angebotene zumutbare und existenzsichernde Arbeit verweigern“, informiert das Bundessozialministerium.
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Anfang 2024 dann wurde jene Gesetzesgrundlage erneut verschärft, sodass die Streichung der finanziellen Stütze für Arbeitslose für einen Zeitraum von zwei Monaten möglich ist. In der Praxis gilt das jedoch als nur schwer durchsetzbar, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt.
Von einer sogenannten Arbeitspflicht ist im Koalitionsvertrag von Union und SPD jedoch nicht explizit die Rede. Welche Möglichkeiten sich den Regierungspartnern bieten, mit den Leistungskürzungen Druck auf Arbeitsverweigerungen und -verweigerer aufzubauen, bleibt im Konkreten also abzuwarten. Jedoch schreiben die Koalitionspartner: „Wir werden alle bisherigen Instrumente und Strukturen der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter auf ihre Wirksamkeit prüfen und anpassen.“ (fh)