Nachteile für Ältere - Notaufnahme-Chef soll Lauterbach-Reform umsetzen – findet die aber „beängstigend“

Montagvormittag in der Leonberger Notaufnahme: Ein Rettungswagen fährt vor, die Schiebetüren öffnen sich. Rasch schieben zwei Sanitäter eine blasse, ältere Frau herein. Ihre Augen halb geöffnet, ihre Haut blass wie helles Pergamentpapier. Im Stechschritt fasst der Notfallsanitäter zusammen, was er weiß. Sie habe Fieber und musste erbrechen, sei älter. Die Frau wird auf ein Krankenbett gehievt und an Michael Beier, Chefarzt und Leiter der Leonberger Notaufnahme und seine Pflegekräfte übergeben.

In wenigen Minuten ist die Patientin Teil einer gut geölten Maschinerie geworden. Aber eine Maschine braucht Wartung und es mangelt an Ersatzteilen: Fachkräftemangel, Bettenmangel. Zudem ist der Unterhalt teuer: Am Ende eines Tages hat das Leonberger Krankenhaus weniger Geld eingenommen als ausgegeben. Karl Lauterbachs Reform soll einem System helfen, das Kranke behandelt und selbst kränkelt. Was sagt man vor Ort dazu? Ein Tag in der Notaufnahme.

Eine gute Übergabe der Patientin vom Rettungsdienst an die Pflegekräfte der Notaufnahme sei entscheidend, betont Michael Beier, Chefarzt und Leiter der Leonberger Notaufnahme. Nur so sind alle auf einem Stand. Seit 2022 leitet Beier die Leonberger Notaufnahme, zuvor leitete er die Notaufnahme der Medius Kliniken in Ostfildern-Ruit. Das bedeutet vieles auf einmal im Blick zu behalten. Immer wieder klingelt daher sein Telefon – mal geht es um die medizinische Versorgung, die Einteilung der Betten oder die Mitarbeitenden.

Krankenhausreform: „Es ist beängstigend“

Meist kommen die Patienten zu Fuß in die Leonberger Notaufnahme oder werden vom Rettungsfahrzeug gebracht – in seltenen Fällen auch vom Hubschrauber Christoph 41. „Die Tage von unserem Hubschrauber Christoph sind vermutlich gezählt“, sagt Beier. Denn dann soll der Rettungshubschrauber nach Tübingen ziehen. Doch die Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach könnte das verhindern, weil dadurch die Anzahl der Kliniken sinken könnte. Das könnte bedeuten, dass es gelte, weitere Strecken zu überwinden. Stattdessen sollen die Kliniken sich jeweils spezialisieren – was Beier begrüßt.

Für Leonberg werden das die Bereiche Bauch-Magen-Darm, die Chirurgie, die Alters-Traumatologie oder die Altersmedizin sein. Allerdings ist ihm die Reform bislang noch deutlich zu schwammig: „Es ist beängstigend, dass unklar ist, was passiert – gerade, wenn es um die medizinische Versorgung geht.“ Weitere Entfernungen könnten zudem bedeuten, dass ältere Leute weniger besucht würden.

Wann die Patienten an der Reihe sind, entscheidet eine Pflegerin am Empfang – je nach Beschwerden. Weder weise noch wimmle man hier jemanden ab. „Ob hier jemand richtig ist, fragen wir uns nicht“, sagt Beier. Man könne nie wissen, warum jemand nicht zum Hausarzt geht und ob die Notaufnahme dann die einzige Lösung darstellt. Ein Patient passt Beier am Empfang ab, beschwert sich, dass er so lange warten müsse. Passiert das öfter? „Immer wieder, ich sehe das als meine Aufgabe. Wenn meine Kolleginnen und Kollegen angegangen werden, ist es mein Job, die Mannschaft zu verteidigen.“

Stellen offen, Überwachungsraum unbesetzt

Genug Personal und guter Zusammenhalt, lernt man an diesem Tag, sind von entscheidender Bedeutung. Beier und seine Kolleginnen und Kollegen duzen sich, sprechen über den letzten Urlaub oder das Wochenende. „Wenn am Ende des Tages niemand merkt, dass ich Chef bin, habe ich alles richtig gemacht“, sagt Beier. Doch auch hier „reibt und rumpelt es“, sagt er. Es gebe zwar wenig Fluktuation, aber bis Ende des Jahres 2024 waren noch immer zwei Stellen offen. Im Februar erst wurde ein Überwachungsraum eingeführt. „Den können wir aktuell nicht betreiben, weil wir zu wenig Personal haben.“ Doch Beier ist optimistisch: Ab Februar solle das wieder anders aussehen.

Davor gilt es allerdings, den Erkältungswinter noch vollends zu überstehen. „Heute haben wir 95 Patienten behandelt“, sagt Beier am Ende des Tages. „In den nächsten Monaten werden es mehr sein.“

Von Chiara Sterk

Das Original zu diesem Beitrag "Zwischen Zeitdruck und ungeduldigen Patienten" stammt von Stuttgarter Zeitung.