Unsere Kanzlerkandidaten: Wer künftig das Land regieren möchte

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Friedrich Merz, Olaf Scholz, Robert Habeck und Alice Weidel: Gleich vier Kanzlerkandidaten gehen ins Rennen um die Bundestagswahl 2025. Die Unterschiede könnten kaum größer sein. © IMAGO Images/Sven Simon

Olaf Scholz, Friedrich Merz, Robert Habeck und Alice Weidel: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gehen vier Kanzlerkandidaten in den Schlussspurt um eine Bundestagswahl. Wer sind sie und was wollen sie?

Wir geben Ihnen einen Überblick über die Kanzlerkandidaten.

Olaf Scholz – der kühle Sozial-Hanseat

2021 gelang Olaf Scholz der Überraschungscoup – Kanzler nach 16 Jahren Merkel. In seiner Kanzlerschaft löste er beim Thema Sozialpolitik zentrale Versprechen ein, die Wirtschaft hingegen lahmt mehr denn je. Und seine mühsam zusammengetragene Ampelkoalition – vorzeitig geplatzt. Folge: Dem Hanseaten droht nach langer politischer Karriere das vorzeitige Aus.

Mit dem Wahlsieg 2021 rechnete kaum jemand. In den Umfragen abgeschlagen, schaffte der erprobte Finanzminister nach bestandener Finanz- und Corona-Krise und auch aufgrund schwacher Konkurrenz den Sprung ins Kanzleramt – auch dank Stimmen aus Mitteldeutschland.

Dreieinhalb Jahre später erneut im Umfragetief

Nach der euphorisch gegründeten Ampel – die bekannterweise Ende 2024 jäh zerbrach – ist die Ausgangslage für den Hanseaten im Bundestagswahlkampf 2025 ähnlich. Er traut sich auch diesmal mit seinem nüchternen Politikstil das Kanzleramt zu – samt verklausulierter Sprache, kommoder Kommunikation und neuerdings – durchaus aggressiverem Unterton.

Überraschend: Inhaltlich setzt der durchaus konservative Sozialdemokrat ähnliche Schwerpunkte wie im Wahlkampf 2021. Erneut rücken sozialpolitische Themen wie Mindestlohn, stabile Rente und sinkender Mehrwertsteuersatz auf Lebensmittel in den Fokus.

Scholz als Gesicht der Krise

Die Corona-Krise ist Vergangenheit, Ukraine-Konflikt, schrumpfende Wirtschaft, Wohnungsnot und ungelöste Migrationsfrage lähmen den Amtsinhaber. Vieles wurde versucht, am Ende muss er eingestehen – so manches liegt auf der Wahlkampfstrecke.

Das Ende einer langen politischen Karriere droht

Olaf Scholz hat viel bundespolitische Regierungserfahrung: SPD-Generalsekretär und Bundesarbeitsminister unter Gerhard Schröder, regierender Bürgermeister in Hamburg, Finanzminister und Vizekanzler in der Regierung Merkel. Am 23. Februar könnte diese lange politische Karriere des gebürtigen Osnabrückers enden.

Fazit: Große Koalition als Machtoption

Für die SPD könnte eine erneute Große Koalition mit der Union eine Machtoption sein – dann womöglich mit Boris Pistorius als Vizekanzler. Der Verteidigungsminister erfreut sich wesentlich größerer Popularität als Scholz. Viele in der SPD hätten ihn anstelle des Amtsinhabers gerne schon jetzt als Spitzenkandidaten gesehen. Eine weitere Option wäre zudem der aktuelle Parteivorsitzende Lars Klingbeil.

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Friedrich Merz – der vermeintliche Asyl- und Bürgergeld-Schreck

Nach dem Scheitern als Fraktionsvorsitzender zu Beginn der Kanzlerschaft von Angela Merkel und einem langjährigen Ausflug in die Privatwirtschaft ist Friedrich Merz als Kanzlerkandidat der Union zurück auf der großen politischen Bühne.

Und hier gibt er sich als Pragmatiker: Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Migration sind laut Merz die drängendsten Themen. Mit seinem „Sofortprogramm“ hat Merz – sollte er Kanzler werden – die für ihn wichtigsten Themen für die ersten 100 Tage einer möglichen Kanzlerschaft schon mal abgesteckt: Erleichterungen für die Wirtschaft, schärfere Sanktionen beim Bürgergeld sowie Zurückweisungen an den Grenzen.

Steuererleichterungen und Bürokratieabbau – das Dauerthema

Die Wirtschaft müsse wieder Verlässlichkeit bekommen, konkrete Maßnahmen wären Steuererleichterungen für die Unternehmen und ein schneller Bürokratieabbau durch eine Rücknahme des umstrittenen Lieferkettengesetzes. Das Ziel von zwei Prozent Wirtschaftswachstum pro Jahr sei ambitioniert, aber machbar, so Merz. Binnen vier Jahren will er Deutschland in die Spitzengruppe der Europäischen Union und der Eurozone zurückführen.

Bürgergeld wird zum Tabu erklärt

Auch das System des sogenannten Bürgergeldes soll vom Kopf auf die Füße gestellt werden – vornehmlich mit deutlich schärferen Sanktionen. Der Name Bürgergeld werde in der Union nicht weiterverwendet, so der Parteivorsitzende.

Migration soll am Tag eins verändert werden

Im Bereich der Migrationspolitik will er für den Fall einer Regierungsverantwortung am ersten Tag seiner Amtszeit durch Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers anweisen, die deutschen Staatsgrenzen zu allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren – und ausnahmslos alle Versuche illegaler Einreisen verhindern.

Fazit: Ein möglicher Kanzler im Dauerfeuer

Seit Monaten steht Friedrich Merz in den Umfragen auf Platz eins. Mit seinen Vorstellungen dürfte es allerdings mehr als schwierig werden, tragfähige Koalitionen zu bilden. Die AFD hat er mehrfach als möglichen Partner ausgeschlossen. SPD und Grüne zeigen – bislang – wenig Interesse an einer Zusammenarbeit.

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Robert Habeck – der hoffnungsvolle Ökovisionär

Als Wirtschaftsminister einer geschrumpften Ampelregierung hat es Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck in diesem Wahlkampf alles andere als leicht.

Mit der Kampagne „Kanzler werden, Mensch bleiben“ und emotionalen Instagram-Videos will der Schleswig-Holsteiner einen anderen Politikstil verkörpern und vor allem auffallen. Als Realpolitiker setzt er im Wahlkampf auf Emotionalität. So möchte er vor allem Inflation und Rezession in Deutschland greifbar machen und dafür werben, warum die Energiewende – trotz des Scheiterns des versprochenen grünen Wirtschaftswunders – weiterhin richtig ist. Habeck kann im aktuellen Wahlkampf Politik erklären – das muss auch so mancher Kritiker zugeben.

Realo Habeck – das Gesicht der Grünen

Politik gestalten, in unterschiedlichsten Konstellationen regieren – das hat Habeck gelernt. Er steht für grüne Realpolitik und prägte Bündnis 90/Die Grünen in den vergangenen Jahren wie kaum jemand vor ihm. Der studierte Germanist, Philosoph und Kinderbuchautor hat so ziemlich jedes Amt in seiner Partei bekleidet: Kreisvorsitzender in Flensburg, Fraktions- und Landesvorsitzender der Grünen in Schleswig-Holstein, Vorsitzender der Bundestagsfraktion und Parteivorsitzender und schließlich Wirtschaftsminister. Als Kanzlerkandidat präsentiert er sich auf Instagram, X und TikTok modern und nahbar – und wirbt vor allem um neue junge Wählerschichten.

Grünes Wirtschaftswunder blieb bisher aus

Habecks persönliche politische Bilanz ist eng verwoben mit der gescheiterten Ampelkoalition. Von Infrastruktur, über Energieversorgung bis zur Klimapolitik versprachen die Koalitionäre 2021 einst ein grünes Wirtschaftswunder – und sind damit vorerst gescheitert. Alle Versuche, die deutsche Solarindustrie wiederzubeleben, scheiterten an ausländischen Konkurrenten, die deutsche Automobilbranche verpasste es bislang konkurrenzfähig auf E-Autos zu setzen und verlor mit dem überraschenden Subventions-Aus den letzten Strohhalm. Auch die Wärmewende geriet dank Koalitionskrach zum großen kommunikativen Desaster, ebenso kamen klimaneutrales Bauen und diverse Ansiedlungen von Schlüsselindustrien wie Batterie- und Chipherstellern in Deutschland unter die Räder. Habeck fehlen in diesem Wahlkampf schlicht die Erfolge bei grünen Kernthemen.

Krisenmanager mit breitem Investitionswillen

Als größte politische Errungenschaft Habecks darf sein Krisenmanagement, während der ausbleibenden russischen Gaslieferungen infolge des Ukrainekriegs angesehen werden. Prophezeite Stromausfälle blieben ebenso aus wie ein drohendes energie- und wirtschaftspolitisches Energiedesaster.

Habeck denkt Wirtschaft, Soziales und Klimapolitik als Ganzes. So will er Deutschland durch Kreditaufnahmen die Wirtschaft auf Vordermann bringen, die Energiewende sozial verträglich abfedern und mit Subventionen Kaufanreize für grüne Technologien schaffen. Das alles ist vor allem eines: sehr teuer. Aus seiner Sicht gelingen nötige Transformationen nur dann, wenn die Schuldenbremse reformiert wird.

Fazit: Ein Grüner als Kanzler?

Die Grünen wurden mit Habeck in der Ampelkoalition flexibel. Das macht die Partei auf jeden Fall für potenzielle Koalitionspartner interessant. Er genießt bisher großen Rückhalt in seiner Partei und hat sogar den Bruch mit der eigenen Jugendorganisation fast unbeschadet überstanden. Aber ein Grüner als Kanzler – dieser Gedanke scheint bei den aktuellen Umfragewerten eher unrealistisch.

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Alice Weidel – die radikal Bürgerliche

Parteichefin Weidel gibt sich in diesem Wahlkampf als bürgerliches Gesicht der AfD. Doch spätestens seit dem Parteitag von Riesa blitzte ihre Nähe zu den Rechtsextremen für alle sichtbar auf. Gestik, Mimik und Tonalität werden seitdem auch im Wahlkampf zunehmend wütend-aggressiv, die Wortwahl härter.

Alternative für Deutschland – Kalkül oder Überzeugung?

So zählt Alice Weidel wohl zur rätselhaftesten Kandidatin, voller Widersprüche, bei der vieles nicht zusammenpassen will. Und ganz so neu ist Weidels radikaler Tonfall beileibe nicht. Neben der unlängst adaptierten Formulierung der „Remigration“ sprach sie beispielsweise bereits 2018 in einer Bundestagsrede von „Kopftuchmädchen“ und „alimentierten Messermännern“. Auch erinnern sich viele dieser Tage an eine E-Mail aus dem Jahr 2013, die offenbar der Zeitung Die Welt vorliegt und von Weidel stammen soll. Laut Welt bezeichnete sie in der Mail Regierungsmitglieder als „Schweine“ und schrieb, Deutschland werde „von kulturfremden Völkern wie Arabern, Sinti und Roma überschwemmt“. Wohlgemerkt: Damals war Weidel noch nicht Mitglied der AfD.

Während sich die Partei in den vergangenen Jahren zunehmend radikalisierte und viele gemäßigte Mitglieder nach und nach die Partei verließen, blieb die jetzige Kanzlerkandidatin und ist die Radikalisierung der Partei durchaus mitgegangen. Als Parteichefin setzt sie sich zwar dafür ein, dass die AfD professioneller und glatter auftritt. Mit Erfolg, wie die Umfragen zeigen: Weniger radikal ist die Partei unter ihrer Führung allerdings nicht geworden – im Gegenteil. Der „wind of change“ eines Björn Höcke scheint in weiten Kreisen der Partei angekommen zu sein.

Zunehmender Schulterschluss mit den Rechtsextremen

Vor allem die Beziehung von Höcke und Weidel sagt viel über die Wendigkeit der Parteichefin selbst aus. Einst wollte sie den Konkurrenten Höcke nach seiner empörenden Aussage über das Berliner Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ aus der Partei ausschließen. Knapp acht Jahre später spricht die AfD-Kanzlerkandidatin beim Parteitag in Riesa ganz im Höcke-Ton selbst von „Windmühlen der Schande“. Überhaupt loben sich beide einander mittlerweile öffentlich: Während Weidel ihren Parteikollegen aus dem Parteitag als den „echten Wahlsieger“ der Thüringer Wahl ausrief, lobte der Thüringer AfD-Chef Weidels Rede. Bürgerlichkeit und Abgrenzung von Extremen sehen anders aus.

Fazit: Regierungsbeteiligung 2029 als Plan

Nach der Bundestagswahl wird Alice Weidel mit ihrer AfD erneut in die Opposition gehen – eine Regierungsbeteiligung gilt als ausgeschlossen. Diese dürfte jedoch das langfristige Ziel im Jahr 2029 sein. Dann stehen erneut Landtagswahlen im Osten und die nächste Bundestagswahl an. Es ist auch Weidels persönlicher Plan, dann zu regieren – am liebsten selbst als Kanzlerin.

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