TV-Kolumne - „Deutsche Bahn - Die Insider“: „Was Fahrgäste nie über die Bahn erfahren sollen“

Die Deutsche Bahn fährt weltweit. Während man hierzulande auf einen pünktlichen Zug hofft – oftmals vergebens –, braust die Bahn im Ausland, und das übrigens gewinnbringend. Diese Sparte bringt Geld. Geld, das in der Heimat fehlt. Im interessanten ZDF-Film von Marvin Mohr kommen Insider zu Wort. Diese sind gut bearbeitet in der Maske – Perücken, Bärte und viel Schminke sollen sie nicht erkennbar machen.

Alte Speisereste, alte Kopfkissen

Nehmen wir Arne. Der frühere Zugchef mit Tarnnamen spricht über Würste. Und damit meint er nicht seine früheren Chefs. 230.000 Currywürste pro Jahr werden im Bordrestaurant verzehrt. Arne würde keine einzige davon essen. Das Geschirr sei oft nicht sauber. Auf die alten Speisereste wird dann einfach die Currywurst draufgepackt. Arne weiß noch mehr. Und auch das hat mit fehlender Sauberkeit zu tun. Er berichtet: „Die Kopfkissen werden fast nie gewechselt.“ Im Labor lassen die investigativen Journalisten Bakterien ausmachen. Das bringt Arne zu seinem Fazit: „Ich würde das Kissen meiden und lieber eine Mütze aufsetzen.“ Oh weh, das klingt nach Artenvielfalt auf dem Kopf. Also viel Öko.

Alles Öko oder nur Greenwashing?

Mit Öko geht es weiter, also der Frage: Ist die Bahn wirklich so ökologisch, wie sie behauptet? 100 Prozent Ökostrom, sagt die Werbung. Und auch das ist PR in eigener Sache: „Die Bahn wird bis 2040 klimaneutral.“ Niklas, der frühere Mitarbeiter, meint lapidar: „Das ist nicht umsetzbar, niemals!“ Denn der Großteil des Nahverkehrs fährt mit Dieselmotoren – und der macht wiederum den Großteil des Bahnverkehrs aus. Das ergibt eine Bilanz von 17,9 Millionen Tonnen Co2 pro Jahr – nur die Lufthansa verursacht mehr Emissionen. Eine befragte Passantin schüttelt den Kopf. „Das ist schon Greenwashing!“

E-Roller kostet 36.000 Euro bei der Bahn – oder 600 Euro in echt

Es arbeiten in Deutschland 211.000 Menschen für die Deutsche Bahn. Ein Reisebegleiter etwa verdient 3000 Euro. Die Streiks – wie derzeit beliebt – bringen zwar mehr Geld, aber kein Renommee. 20.000 Stellen sind aktuell unbesetzt. Wie das? Der Ruf der Deutschen Bahn als Arbeitgeber ist nicht gerade prickelnd. Der Leumund bei der Kundschaft leidet auch. Weil tolle Angebote in Wahrheit gar keine sind. „Viele Tickets sind Lockangebote“, sagt der sogenannte Björn. „Die Bahn versucht, die Kunden so erziehen, dass sie zur richtigen Zeit buchen.“ Dazu kommen vermeintliche Schnäppchen für Vielfahrer. Für 36.000 Punkte à 1 Euro im Bonussystem gibt es einen E-Roller – also kostet dieser 36.000 Euro, regulär zahlt man dafür etwa 600 Euro.

Auf dem Boden vor dem Klo über dem kaputten Gleis


Es wird nicht besser. Die faktenreiche TV-Dokumentation mit den Insidern liefert bitteres Material. Überfüllte Züge seien an der Tagesordnung, berichtet der verkleidete Arne. Es würden mehr Tickets verkauft als Sitzplätze vorhanden seien. Sitzt man halt mal ein paar Stunden auf dem Boden vor dem Klo. Entschädigungen für verspätete Züge? Nur noch, wenn die Gleise schlappmachen. Wenn ein Sturm das Fahren verhindert oder ein Mensch sich im Bahnbetrieb töten will – leider kein Geld für die Fahrgäste. Apropos Gleise: „Wir bauen wie noch nie“, verspricht ein Werbetrailer der Bahn. Niklas weiß indes, dass nur repariert wird, wenn es nicht mehr anders geht. Das bedeutet 300 Langsamfahrstellen – und ein Bremsen von 160 Stundenkilometern auf 20 km/h. Dafür schießt der Bund jedes Jahr Milliarden Euro zu. Heißt im Klartext: Die Instandhaltung der Schienennetze werde bewusst vernachlässigt. Für die Instandhaltung wendet die Schweiz übrigens mehr als drei Mal so viel auf wie Deutschland. Heißt als Fazit des Ganzen: Europaweit ist die Bahn auf dem dritten Platz – von hinten.