Deutsche Bahn muss wegen Navigator-App vor Gericht – „betrifft Millionen Menschen“

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Ausgespäht durch die Deutsche Bahn? Derzeit läuft eine Klage gegen den DB-Konzern. Die Rede ist von „Digitalzwang und Datenmissbrauch.“

„Alle elf Minuten verliebt sich ein Single über ...“ Sie kennen die Werbung. Alle elf Sekunden gibt ein Bahnnutzer sensible Daten an den DB-Konzern weiter. Alle elf Sekunden – wird nach Angaben der Deutschen Bahn die App DB-Navigator heruntergeladen. In der App sehen Fahrgäste Zuginformationen, können Tickets buchen und Abos verwalten. Die App ist kostenlos, doch Nutzer bezahlen offenbar mit ihren Daten. Die Deutsche Bahn steht deshalb nun sogar vor Gericht. Es geht um mutmaßliche Datenschutzverstöße, die der Verein Digitalcourage e.V. offengelegt hat.

DB-Navigator: „Die App ist voll mit Trackern, die das Verhalten der Nutzer überwachen“

Der Kernvorwurf lautet: Die Navigator-App gibt zu viele Daten an andere Unternehmen, etwa an Google oder Adobe. Digitalcourage e.V. erklärt dazu: „Die App ist voll mit Trackern – Technologien, die das Verhalten der Nutzer überwachen und Daten sammeln, selbst ohne deren ausdrückliche Einwilligung.“ Gemeint sind Informationen wie Anzahl der Reisenden, Abfahrtstag, Start- und Zielbahnhof oder die Frage, ob ein Kind mitfährt.

Ähnlich argumentiert die Stiftung Warentest. Ihr zufolge werden zusätzlich auch „Namen des Mobil­funk­netz­betreibers an die Bahn sowie Statistiken zur Nutzung der App verschickt“, wie es schon 2022 hieß. Das Fazit der Verbraucherorganisation: „Beim Navigator ist also ein kritisches Daten­sende­verhalten fest­zustellen, weil über­flüssige Daten vers­endet werden.“

Das Ticket direkt aufs Smartphone – über die DB Navigator App.
Das Ticket direkt aufs Smartphone – über die DB Navigator App. © Rüdiger Wölk/Imago

Deutsche Bahn vor Gericht: Gibt der DB Navigator Daten weiter?

Die Deutsche Bahn argumentiert, dass viele dieser Daten nötig sind, um online das passende Ticket auszuwählen. So macht etwa das Alter einen Unterschied beim Preis. Zudem seien die eigenen IT-Leute der DB „auf bestimmte Daten angewiesen“, um die digitalen Services „kontinuierlich weiterentwickeln und verbessern zu können“, wie eine Konzernsprecherin auf Anfrage der Frankfurter Rundschau erklärt.

Die reine Erhebung dieser Daten stellt aber ohnehin kein Problem dar, vielmehr geht es um die unerlaubte Weitergabe. Dazu heißt es von der Deutschen Bahn: „Die Daten werden nur für eigene Zwecke und unter Einhaltung der strengen gesetzlichen Regelungen genutzt. Die Dienste werden nicht für unzulässiges Marketing eingesetzt.“ Für die Datenerhebung seien „sorgfältig ausgewählte und vertraglich gebundene Dienstleister“ beauftragt worden.

Zu diesen Dienstleistern zählt Adobe Analytics – „um sicherstellen zu können, dass Verbindungsinformationen Bahnreisenden auch dann kurzfristig und umfassend zur Verfügung stehen, wenn es zu einer ungewöhnlich hohen Anzahl an gleichzeitigen Zugriffen und Abrufen kommt“.

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Unterwegs mit der Deutschen Bahn: „Wer reisen will, wird zur App gezwungen - und ausgespäht“

Die Verbraucherschützer kritisieren auch, dass Nutzer der Datenweitergabe nicht widersprechen könnten. Die DB rechtfertigt sich. „Die erhobenen Daten sind von so großer Bedeutung, dass es den Navigator unmittelbar beeinträchtigen würde, könnten wir die Dienste nur nach Einholung einer Einwilligung nutzen.“ Der Einsatz der Dienste sei von der aktuellen Rechtslage gedeckt.

Die Verbraucherschützer geben sich mit dieser Argumentation nicht zufrieden, fühlen sich im Recht. Sie kritisieren auch, dass Bahnfahrer mittlerweile kaum mehr an der App vorbeikämen, da Services analog nicht mehr verfügbar seien. So ist etwa die BahnCard theoretisch nur noch per App nutzbar, allerdings kann sich, wer kein Smartphone hat, den QR-Code ausdrucken. „Wer reisen will, wird zur App gezwungen – und wer die App nutzt, wird ausgespäht“, heißt es von Digitalcourage e.V. „Das ist Digitalzwang und Datenmissbrauch.“ Inwiefern es sich tatsächlich um Datenmissbrauch handelt, entscheidet nun die Justiz.

Datenschutzverstöße bei Bahn-App „betreffen Millionen von Menschen“

Schon 2022 bemängelte der Verein in einem offenen Brief an die Deutsche Bahn „erhebliche Verstöße gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG)“. Weiter hieß es in dem Schreiben: „Vor dem Hintergrund der marktbeherrschenden Stellung der Deutschen Bahn, fallen die aufgedeckten Datenschutzverstöße umso mehr ins Gewicht, weil sie Millionen von Menschen betreffen.“ Die App hat nach DB-Angaben mehr als 80 Millionen Downloads.

In dem Brief vom April 2022 stellte Digitalcourage e.V. der Deutschen Bahn ein Ultimatum bis 1. Juli 2022 und drohte mit rechtlichen Schritten. Weil die Mängel offenbar nicht behoben wurden, klagte der Verein. Nun landet die Sache „nach über zwei Jahren juristischer Verzögerungstaktik“, wie der Verein schreibt, vor dem Landgericht Frankfurt. Die Zivilklage wird am Montag, 19. Mai, verhandelt.

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