Mitarbeiter der Deutschen Bahn: Defekte Züge und schlechter Service sind der DB-Spitze „sch***egal“
Bei der Deutschen Bahn scheint das Fass langsam überzulaufen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen melden sich zunehmend zu Wort und beklagen: So kann es nicht weitergehen.
München – Die Zustände bei der Deutschen Bahn sind nicht mehr tragbar. Nicht nur für die Fahrgäste sind die Verspätungen, Zugausfälle und der unzuverlässige Service mittlerweile eine Qual. Auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Konzerns scheinen die Situation nicht länger aushalten zu können. Es mehren sich die Medienberichte über ein Personal, bei dem das Fass nun überläuft.
Überlastetes Personal bei der Deutschen Bahn: „Hält man auf Dauer nicht aus“
In einem neuen Bericht hat Focus Online das Personal bei einer Bahnreise durch ganz Deutschland befragt. Gegenüber dem Magazin klagten Mitarbeitende über die Geschäftsleitung, die mit „gefüllten Taschen dasitzen“ und die „Hauptverursacher“ der Probleme bei der Bahn seien. „Das hält man auf Dauer nicht aus“, sagte ein Lokführer. Die Chefetage sei „komplett weltfremd und trifft (wenn überhaupt) Entscheidungen, die nur noch Kopfschütteln bei uns operativen Führungskräften auslösen“.
Der Bericht beleuchtet vor allem die verheerende Personalsituation, an allen Ecken und Enden fehle es an Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Dadurch passiere es regelmäßig, dass das Personal auf einmal andere Aufgaben übernehmen müsse, als eigentlich in ihrer Jobbeschreibung steht. So komme es auch mal vor, dass Zugbegleiter „keine Fahrscheinkontrolle mehr durchführen, sondern Kaffee, Snacks und Getränke verkaufen“, weil das vom Vorstand so erwünscht sei.
Ein Zugchef resümiert seine Erfahrung gegenüber Focus Online wie folgt: „Weniger Personal, mehr Arbeit in fremden Bereichen, weniger Bezahlung, Druck von oben, keine Motivation. [...] Dass wir Züge nur mit einem Zugchef fahren oder dass der ganze Zug defekt ist, das ist der DB-Spitze scheißegal, der Zug muss rollen!“
Deutsche Bahn mit Negativ-Schlagzeilen konfrontiert: Berichte schildern ein Chaos
Um das Chaos in den Griff zu bekommen, werde mittlerweile eingestellt, was das Zeug hält. Dabei werde nicht auf die Qualifikationen der Bewerber und Bewerberinnen geachtet, heißt es. „Nach der Einstellung werden die neuen Mitarbeiter dann kurz (vier Wochen) von total unfähigen Ausbildern geschult und anschließend auf den Fahrgast losgelassen.“
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Der Focus-Bericht folgt auf eine Reihe von Negativ-Schlagzeilen, die die Bahn belasten. Anfang der Woche berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass die Deutsche Bahn in diesem Jahr schon zwei oder drei Millionen Mal ihre Fahrpläne anpassen musste. „Fahrpläne werden nicht mehr gerechnet, sondern nur noch geschätzt“, sagte ein Mitglied des Aufsichtsrats der SZ.
Auch die Münchener Zeitung hat mit dem Personal gesprochen, die ein ähnlich verheerendes Bild zeichneten. „Das, was wir hier abliefern, ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten“, soll ein DB-Mitarbeiter in einem internen Chat geschrieben haben. Auch in diesem Bericht wird der Personalmangel geschildert, eine Mitarbeiterin wird mit den Worten zitiert: „Ich finde, es wird jeden Tag schlimmer und man ist immer mit weniger Personal auf den Zügen“.
Bahn beginnt mit der Sanierung des Netzes – aber es wird noch dauern
Derweil hat die Deutsche Bahn in diesem Jahr mit der Generalsanierung des Schienennetzes begonnen. Insgesamt 40 hochbelastete Korridore will die Deutsche Bahn bis Ende 2030 generalsanieren. Ein milliardenschweres Vorhaben: Für die Riedbahn wird derzeit die Summe von 1,3 Milliarden Euro genannt, für die Generalsanierung des Abschnitts Hamburg-Berlin im kommenden Jahr 2,2 Milliarden Euro. Während mehrmonatiger Vollsperrungen sollen gleichzeitig Gleise, Weichen, Oberleitungen, Signaltechnik, Brücken, Bahnübergänge und Stationen mit Bahnsteigen auf den neuesten Stand gebracht werden.
Doch nach Expertenansicht kann das nur der Beginn sein. Der Fahrgastverband Pro Bahn fürchtet „ein Jahrzehnt mit vielen Baustellen, Umleitungen und Einschränkungen“ bei der Deutschen Bahn. „Die Früchte der Investitionen in das Bahnnetz werden wir erst in vielen Jahren ernten können“, sagte der Vize-Verbandsvorsitzende Andreas Schröder dem Portal Web.de News. Schon heute sei die Geduld vieler frustrierter Pendler am Ende. „Verspätungen, Ausfälle und Angebotseinschränkungen sind an der Tagesordnung.“
Das deckt sich auch mit Einschätzungen innerhalb des Unternehmens. Ein Fahrdienstleister sagte der SZ, dass es über zehn Jahre dauern werde, bis das Schienennetz wieder halbwegs in Ordnung gebracht werden kann. Besonders beunruhigend folgender Satz in dem Bericht: „In veralteten Stellwerken würden museumsreife Schaltpulte mit Tesafilm notdürftig zusammengeklebt, damit sie nicht auseinanderfielen.“ (mit dpa und AFP)