Kompletter Kontrollverlust bei der Deutschen Bahn: „Fahrpläne können nur noch geschätzt werden“
Das Chaos bei der Deutschen Bahn ist wohl größer als gedacht. Fahrpläne müssen millionenfach geändert werden, ein Aufsichtsrat spricht von Kontrollverlust.
Frankfurt/Main - Rote Zahlen, schlechtes Image, Unpünktlichkeit, Zugausfälle. Die Deutsche Bahn macht derzeit fast nur mit Negativschlagzeilen von sich reden. Grund für die verbreitete Unpünktlichkeit ist vor allem die marode Infrastruktur, die derzeit saniert wird. Laut Bahn gibt es in diesem Jahr 18 Großbaustellen, darunter sind die Strecken von Frankfurt nach Mannheim und von Hamburg nach Berlin. Eine dieser Baustellen, die Strecke Köln-Frankfurt, ist bereits abgeschlossen.
Deutsche Bahn kann Fahrpläne nur noch schätzen: Zwischen zwei und drei Millionen Änderungen in diesem Jahr
Besserung ist auf absehbare Zeit nicht in Sicht, auch wenn die Bahn für Juli eine Erhöhung der betrieblichen Pünktlichkeit im Fernverkehr um 9,1 Prozentpunkte auf 62 Prozent meldete. Das bedeutet zum einen, dass immer etwa noch jeder dritte Zug unpünktlich war. Zum anderen ist die Verbesserung darauf zurückzuführen, dass extreme Wetterereignisse im Juni massive Hochwasserschäden an den Gleisen verursacht hatten. Diese wurden im Juli behoben. Und 62 Prozent ist der zweitschlechteste Wert der Bahn-Statistik in diesem Jahr.

Doch das Chaos bei der Bahn ist offenbar größer als gedacht. Wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) berichtet, hat die Bahn allein in diesem Jahr die Fahrpläne zwischen zwei und drei Millionen Mal geändert. „Fahrpläne werden nicht mehr gerechnet, sondern nur noch geschätzt“, zitiert das Blatt ein Mitglied des Aufsichtsrats. Das sei ein „Riesenproblem“ und führe zu einem „Kontrollverlust“ bei den Fahrplänen. Zwar sei die Sicherheit des Bahnverkehrs nicht gefährdet, aber die Folgen seien „katastrophal“.
Deutsche Bahn kann Fahrpläne nur noch schätzen: Nur noch leere Versprechen
Fahrgäste können sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Züge wie angekündigt fahren. Fahrpläne erwiesen sich zunehmend als leere Versprechungen, weil das Schienennetz jahrzehntelang vernachlässigt worden sei. Immer mehr Langsamfahrstellen würden eingerichtet, damit Mängel an Gleisen, Weichen oder Brücken nicht zu Unfällen führen.
Angesichts der Unpünktlichkeit hält die Bahn laut SZ immer mehr Züge in Reserve, darunter viele ältere Modelle. Diese würden eingesetzt, wenn die planmäßigen Züge so spät am Zielort eintreffen, dass die nächste Fahrt ausfällt. Reservezüge und -personal sind aber teuer und auf Dauer unbezahlbar.
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In diesem Jahr will die Bahn rund 16 Milliarden Euro in die Sanierung und Modernisierung des Schienennetzes investieren, im kommenden Jahr sollen es 15 Milliarden sein. Nach internen Prognosen kann es bis zu zwei Jahre dauern, bis die Reparaturen am Netz zu spürbaren Verbesserungen führen. Ein Fahrdienstleister soll laut SZ-Bericht aber davon ausgehen, dass zehn Jahre nicht ausreichen, um das Schienennetz in Ordnung zu bringen.