Umfragen zu Trump gegen Harris: Ein Kenner erklärt, was sie wirklich aussagen
Die US-Wahl rückt näher und die Umfragen zeigen ein enges Rennen zwischen Trump und Harris. Doch ein Politikwissenschaftler warnt vor voreiligen Schlüssen.
Washington, D.C. – Der Wahlkampf in den USA ist in vollem Gange. US-Meinungsforschungsinstitute veröffentlichen fast täglich Umfragen zu dem politischen Duell zwischen Donald Trump und Kamala Harris. Aber wie zuverlässig sind diese Erhebungen? Christian Lammert, Politikwissenschaftler am John F. Kennedy-Institut, warnt im Gespräch mit merkur.de von IPPEN.MEDIA, dass Umfragen „generell immer nur einen Ist-Zustand“ darstellen. Die Vorhersage dessen, was bei den US-Wahlen im November geschehen wird, kann „nur bedingt oder gar nicht prognostizieren“ werden.
Experte ordnet Umfragen zur US-Wahl ein: Harris „hat das Momentum auf ihrer Seite“
Die Bedeutung der Umfragen wird sowohl von den Demokraten als auch den Republikanern hoch eingeschätzt. Insbesondere Donald Trump nutzt seine Plattform Truth Social, um entweder mit seiner Führung gegenüber seiner Gegnerin zu prahlen oder über seine laut Publikum schwache Leistung im TV-Duell gegen Harris zu schimpfen. Für sie sieht es derzeit gut aus: Der Rücktritt von Joe Biden hat der Demokratischen Partei neuen Schwung verliehen und Harris konnte sich im genannten TV-Duell gegen Trump behaupten. In einigen Umfragen liegt sie sogar vor dem ehemaligen Präsidenten. Lammert stimmt zu: Harris „hat das Momentum auf ihrer Seite“.
Trotzdem haben die Umfragen zur US-Wahl „weder Einfluss auf die Einstellungen der Bürger, noch können sie Wähler mobilisieren oder dazu bringen, nicht zu wählen“, so Lammert. Es ist wichtig zu beachten, wer an den Umfragen teilgenommen hat. Oft werden „registrierte Wähler“ befragt, bei denen jedoch unklar ist, ob sie tatsächlich zur Wahl gehen werden. „Bessere Umfragen fragen ‚likely voters‘, also Wähler, die erklärt haben, dass sie wahrscheinlich wählen werden“, erklärt Lammert. Hier zeigen sich entscheidende Unterschiede.
Umfragen zur US-Wahl 2024: Harris liegt in den meisten Swing States knapp vor Trump
Die sogenannten Swing States spielen bei der US-Wahl eine entscheidende Rolle. Während Biden noch Kandidat der Demokraten war, war das Bild recht ausgeglichen oder eher pro-Trump. Inzwischen hat Harris in den meisten Staaten die Nase vorn – wenn auch nur knapp. Hier kommen die Fehlermargen ins Spiel. Lammert betont, dass die Umfragen „in den meisten Fällen eine Fehlermarge von bis zu 4 Prozentpunkte haben“.
Kleinste technische Unstimmigkeiten können ein falsches Ergebnis zur Folge haben. „Wenn Harris mit einem Prozentpunkt führt, dann kann das letztendlich auch eine Führung mit bis zu 5 Prozentpunkten bedeuten – oder aber, dass Trump mit drei Prozentpunkten führt“, erklärt Lammert. Dies müsse immer berücksichtigt werden.
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US-Wahl: Umfrage-Statistiktrend könnte Harris zugutekommen – hat Trump das Nachsehen?
Die Befürchtung, Harris‘ Umfragewerte könnten sich als Trugschluss herausstellen – ähnlich wie vor acht Jahren bei Hillary Clinton – teilt Lammert nicht. Trotz ihres deutlichen Vorsprungs in den Umfragen verlor Clinton die US-Wahl 2016 knapp gegen Donald Trump. Der sicherte sich seinen Sieg durch Erfolge in entscheidenden Swing States wie Michigan, Wisconsin und Pennsylvania, die zum ersten Mal seit den 1980er Jahren an die Republikaner gingen.
„Die Umfragen 2016 waren gar nicht so schlecht, sie wurden nur falsche interpretiert. Hillary Clinton hat die Wahl ja gewonnen, zumindest beim ‚popular vote‘ und das hatten die Umfragen vorhergesagt“, so Lammert. Viele Umfragen in den Einzelstaaten waren ebenfalls „sehr akkurat“; unter Berücksichtigung des „margin of error“ (Fehlermarge, Anm. der Red.) lagen die Erhebungen sehr nahe am endgültigen Ergebnis. Die öffentliche und mediale Debatte konnte dies jedoch „nicht richtig einordnen“.
Für zuverlässige Umfragen seien „gute mathematische Modelle, die immer wieder angepasst werden müssen“, erforderlich. Dies sei 2016 geschehen; die Umfragen zur US-Wahl 2020 seien hingegen nochmal genauer gewesen. Wenn Lammert mit seiner Einschätzung richtig liegt, wären das mit Blick auf den 5. November gute Nachrichten für Kamala Harris. (nak)