Wegen Trumps Strafzöllen droht „kleineren Unternehmen“ das Aus – doch die deutsche Wirtschaft kämpft
Ob Pharma, Chemie oder Lebensmittel: Donald Trumps Strafzölle erhöhen den Druck auf die deutsche Exportwirtschaft. Die Branchenverbände sind besorgt.
Washington – US-Präsident Donald Trump hat erneut zur Zoll-Keule gegriffen – und diesmal (fast) die gesamte Weltwirtschaft ins Visier genommen. Von China (34 Prozent) über unbewohnte Inseln im Pazifik (zehn Prozent) bis zur EU (20 Prozent) droht der Handelskonflikt um Importzölle endgültig zu eskalieren. Auch die deutsche Wirtschaft dürfte davon empfindlich getroffen werden, davon gehen zumindest die führenden Branchenverbände in Deutschland aus.
Donald Trumps Strafzölle bedrohen deutsche Wirtschaft – doch Branchenverbände geben sich kämpferisch
Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer, sieht in den Einfuhrzöllen auf europäische Waren einen „Rückschlag für unsere Exporteure“ – immerhin seien die USA Deutschlands wichtigster Handelspartner. Diese Stimmung spiegelte sich bereits in einer DIHK-Umfrage wider, die der Verband im Februar und März unter 2.600 Mitgliedsunternehmen durchgeführt hatte – also noch vor Bekanntgabe der aktuellen Strafzölle.
Bereits damals gaben 70 Prozent an, dass sie negative Auswirkungen von Trumps Zollpolitik erwarten. Die USA gelten demnach nicht mehr als Hoffnungsträger, sondern als Problemmarkt. Für Treier gehe es nun darum, Alternativen auf den Weltmärkten auszuloten und Abkommen mit den Mercosur-Staaten sowie mit Indien endlich „unter Dach und Fach“ zu bringen: „Viele andere Wirtschaftsregionen strecken uns die Hand aus. Da müssen wir jetzt beherzt einschlagen“, erklärte er gegenüber IPPEN.MEDIA.

Wie machtlos einzelne Unternehmen sind, schilderte Ralph Beranek, Geschäftsführer des deutschen Nussproduzenten Seeberger: „Solche Zölle können wir unmöglich wegstecken“, erklärte er gegenüber der WirtschaftsWoche. Die Premiummarke Seeberger bezieht Mandeln, Walnusskerne, Erdnüsse und Cranberrys aus den USA, was bei potenziellen Gegenzöllen und einem ausufernden Handelskrieg zwischen EU und USA „ein Drama“ werde. So dauere es drei Jahre, einen neuen Lieferanten zu finden, wenn Seeberger das Anbauland für bestimmte Produkte wechseln müsste.
Chemieindustrie unter Druck: USA wichtigster Handelspartner – Ungleichgewicht in Handelsbilanz
Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen rechnet ebenfalls mit schwerwiegenden Konsequenzen: „Bei kleineren Unternehmen, die schon geschwächt aus den letzten schwierigen Jahren kommen, kann das auch das Aus bedeuten und damit trifft es dann auch deren Arbeitnehmer“, erklärte Präsident Dirk Jandura gegenüber IPPEN.MEDIA. Das ifo-Institut hatte unlängst berechnet, dass die Einfuhrzölle zu einem Rückgang der deutschen Exporte um rund 15 Prozent führen könnten.
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Diesen Effekt dürfte auch die deutsche Chemieindustrie merken, immerhin sind die USA der wichtigste Handelspartner außerhalb der EU: So exportierte Deutschland Waren im Wert von rund 10,2 Milliarden Euro in die USA, bezog allerdings nur welche im Wert von 7,6 Milliarden Euro aus den Staaten. Ein Ungleichgewicht, das der US-Regierung nicht passen dürfte. „Der US-Präsident hat der Weltwirtschaft einen weiteren Tiefschlag verpasst. Wir bedauern die Entscheidung der US-Regierung“, erklärte Wolfgang Große Entrup, Präsident vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) in Deutschland.
Große Unsicherheit bei Pharma-Unternehmen: Welche Produkte schließen Trumps Zölle tatsächlich ein?
Die Verzahnung der deutschen Chemiebranche in den USA ist enorm – und durch die Zölle umso fragiler: Laut Bundesbank sind 128 Tochterunternehmen von deutschen Chemie-Unternehmen in den Vereinigten Staaten tätig. Bei insgesamt 53.000 Beschäftigten erwirtschafteten sie 2024 einen Umsatz von mindestens 65 Milliarden Euro. Umso wichtiger sei nun die Balance zwischen Reaktion und Kompromiss – das sei die „Herausforderung der Stunde“, erklärt Große Entrup. Für eine abschließende Bewertung sei es allerdings noch zu früh, betont der Verband. Die US-Regierung habe im Chemiebereich zahlreiche Ausnahmen vorgesehen. Aktuell würden die Hintergründe sorgfältig geprüft.
Große Unsicherheit herrscht auch in der deutschen Pharma-Branche. Auch hier sind die USA mit Abstand der wichtigste Absatzmarkt. „Für die pharmazeutische Industrie wären die Auswirkungen von US-Zöllen gravierend“, erläutert Oliver Kirst, Vorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI) IPPEN.MEDIA 2023 exportierten deutsche Unternehmen Waren im Wert von 26 Milliarden Euro (2024: 27 Milliarden Euro) in die Vereinigten Staaten – das entspricht einem US-Anteil von 23 Prozent an den gesamten deutschen Exporten der Branche. Auf der Gegenseite ist Deutschland auf pharmazeutische Vorprodukte aus den USA angewiesen – hier wurden rund 12 Prozent des Gesamtbedarfs importiert. 2023 waren die USA mit einem Volumen von 12,4 Milliarden Euro der größte Lieferant auf diesem Feld.
Einigkeit in deutscher Wirtschaft: EU solle auf Dialog statt Eskalation mit Trumps Regierung setzen
Wohl auch deswegen sind pharmazeutische Produkte von den Einfuhrzöllen (noch) ausgenommen. „Pharmaceuticals“, wie es in dem offiziellen Wortlaut der US-Regierung heißt, meint damit in der Regel fertige Arzneimittel und Wirkstoffe – von Tabletten und Impfstoffen bis zu Wirkstoffkonzentraten zur Herstellung von Medikamenten. Dennoch bleibt unklar, ob die US-Regierung sich an diese international verbindlichen Normen hält und ob darunter auch pharmazeutische Vorprodukte fallen. Vermutlich betroffen sind hingegen Produkte aus der Medizintechnik, wie etwa Katheter, Spritzen, Laborgeräte sowie digitale Gesundheitslösungen (Software, Wearables etc.). Auch die Ausführungen der Trump-Administration bleiben bislang vage.
Große Einigkeit herrscht in der deutschen Wirtschaft zudem bei einer etwaigen Reaktion der EU. Alle Verbände werben um Dialog statt Eskalation. Treier rät der EU entschieden, aber mit „Weitsicht“ zu reagieren.
„Lose-Lose-Situation“ für alle Beteiligten – EU-Trumpf: auch für die USA steht viel auf dem Spiel
Auch Jandura plädiert für eine Doppelstrategie: „Als EU müssen wir deutlich zeigen: wir sind nicht erpressbar. Auf solche Zölle reagieren wir geschlossen und mit deutlichen Gegenmaßnahmen.“ Dennoch solle die EU „gesprächsbereit“ bleiben – immerhin sei man als drittgrößter Wirtschaftsraum der Welt auch für die USA wichtig. Kirst sieht in der Zollpolitik Trumps sogar eine „Lose-Lose-Situation“ für alle Beteiligten: Die Zölle verteuern die Einfuhren in den US-Markt und führen zugleich vermutlich zu Kostensteigerungen im US-Gesundheitssystem“, erklärt der BPI-Vorsitzende. VCI-Amtskollege Große Entrup bewertet den Konflikt ebenfalls als Bewährungsprobe für die Einigkeit in der EU: „Handelskriege haben das Potenzial, die EU zu spalten. Daher müssen die EU-Staaten zusammenhalten und der Kommission den Rücken stärken.“
Als eine weitere Reaktion seien laut den Verbänden auch längst überfällige Reformen in der EU und Bundesrepublik notwendig. Dazu zählt in erster Linie eine „stärkere Industrie- und Standortpolitik“ (Kirst), die auf geringere Energiekosten, weniger Bürokratie sowie verstärktes Werben um Fachkräfte (Treier) abzielen sollte.
Deutscher Pragmatismus trifft auf jähzornige Trump-Regierung: „Ich würde keine Vergeltung versuchen“
Kurzum solle die EU also das Gegenmodell zu den USA fahren und einen kühlen Kopf bewahren und Eigenverantwortung übernehmen. Doch der Pragmatismus dürfte wohl auch aus der jähzornigen Unberechenbarkeit Donald Trumps sowie auch seines Kabinetts herrühren. So hatte US-Finanzminister Scott Bessent im Rahmen der Zoll-Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses eine vielsagende Drohung an die Welt gesendet: „Ich würde keine Vergeltung versuchen. Was Verhandlungen angeht – das werden wir sehen.“