„Rückschlag für unsere Exporteure“: Wie die deutsche Wirtschaft auf Trumps Strafzölle reagiert

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Donald Trumps Zölle könnten auch die deutsche Wirtschaft empfindlich treffen. Die Branchenverbände geben sich besonnen – und kämpferisch.

Washington – Am groß angekündigten „Liberation Day“ hat US-Präsident Donald Trump neue Strafzölle verkündet – und dabei (fast) die gesamte Weltwirtschaft ins Visier genommen. Der Handelskonflikt um Importzölle droht von China über unbewohnte Inseln im Pazifik bis hin zur EU zu eskalieren. Auch die deutsche Wirtschaft, so befürchten es führende Branchenverbände, könnte von den 20-prozentigen Zöllen stark betroffen sein.

Trumps Strafzölle: Verbände erwarten Rückschlag für deutsche Wirtschaft – und wollen dennoch kämpfen

Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer, bezeichnet die Einfuhrzölle auf europäische Waren als „Rückschlag für unsere Exporteure“, da die USA Deutschlands wichtigster Handelspartner sind. Eine DIHK-Umfrage unter 2.600 Mitgliedsunternehmen, die vor den aktuellen Strafzöllen durchgeführt wurde, zeigte bereits, dass 70 Prozent negative Auswirkungen von Trumps Zollpolitik erwarten. Die Botschaft: Die USA gelten nicht mehr als Hoffnungsträger, sondern als Problemmarkt. Treier betont die Notwendigkeit, Alternativen auf den Weltmärkten zu finden und Abkommen mit den Mercosur-Staaten sowie Indien „unter Dach und Fach“ zu bringen: „Viele andere Wirtschaftsregionen strecken uns die Hand aus. Da müssen wir jetzt beherzt einschlagen“, sagte er gegenüber IPPEN.MEDIA.

Donald Trump verkündet bei seiner Rede am „Liberation Day“ massive US-Zölle.
Donald Trump verkündet bei seiner Rede am „Liberation Day“ massive US-Zölle. © BRENDAN SMIALOWSKI/AFP

Ralph Beranek, Geschäftsführer des deutschen Nussproduzenten Seeberger, verdeutlicht die Ohnmacht einzelner Unternehmen: „Solche Zölle können wir unmöglich wegstecken“, erklärte er der WirtschaftsWoche. Seeberger bezieht Mandeln, Walnusskerne, Erdnüsse und Cranberrys aus den USA, was bei möglichen Gegenzöllen und einem Handelskrieg zwischen EU und USA „ein Drama“ wäre. Ein Wechsel des Anbaulands für bestimmte Produkte könnte aufgrund der Qualitätssicherheit sowie den Standortfaktoren vor Ort bis zu drei Jahre dauern.

Exportrückgang von 15 Prozent erwartet – droht „kleineren Unternehmen“ tatsächlich das Aus?

Der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) warnt ebenfalls vor schwerwiegenden Folgen: „Bei kleineren Unternehmen, die schon geschwächt aus den letzten schwierigen Jahren kommen, kann das auch das Aus bedeuten und damit trifft es dann auch deren Arbeitnehmer“, so Präsident Dirk Jandura gegenüber IPPEN.MEDIA. Das ifo-Institut berechnete zuletzt einen Rückgang der deutschen Exporte um etwa 15 Prozent, wenn die Einfuhrzölle eintreten sollten. Auch die deutsche Chemieindustrie wird die Auswirkungen spüren, da die USA der wichtigste Handelspartner außerhalb der EU sind. Deutschland exportierte Waren im Wert von rund 10,2 Milliarden Euro in die USA, während es umgekehrt nur welche über 7,6 Milliarden Euro importierte. „Der US-Präsident hat der Weltwirtschaft einen weiteren Tiefschlag verpasst. Wir bedauern die Entscheidung der US-Regierung“, äußerte Wolfgang Große Entrup, Präsident des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) in Deutschland.

Die enge Verflechtung der deutschen Chemiebranche mit den USA ist durch die Zölle gefährdet. Laut Bundesbank sind 128 Tochterunternehmen deutscher Chemie-Unternehmen in den Staaten tätig, die 2024 mit 53.000 Beschäftigten einen Umsatz von mindestens 65 Milliarden Euro erzielten. Die Balance zwischen Reaktion und Kompromiss laute nun die „Herausforderung der Stunde“, so Große Entrup. Noch sei es aber zu früh für eine endgültige Einschätzung, denn: Die US-Regierung hat bei den Zöllen zahlreiche Ausnahmen auch im Chemiebereich vorgenommen, heißt es aus dem Verband. Derzeit prüfe man alle Hintergründe.

Unübersichtliche Situation in Pharma-Branche: Auf welche Produkte gelten die Trump-Zölle?

Auch in der deutschen Pharma-Branche herrscht große Unsicherheit. Die USA sind der wichtigste Absatzmarkt. „Für die pharmazeutische Industrie wären die Auswirkungen von US-Zöllen gravierend“, erklärt Oliver Kirst, Vorsitzender des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie (BPI). 2023 exportierten deutsche Unternehmen Waren im Wert von 26 Milliarden Euro in die USA, was einem US-Anteil von 23 Prozent an den gesamten deutschen Exporten der Branche entspricht. Deutschland ist auf pharmazeutische Vorprodukte aus den USA angewiesen, die 12 Prozent des Gesamtbedarfs ausmachen. 2023 waren die USA mit einem Volumen von 12,4 Milliarden Euro der größte Lieferant in diesem Bereich.

Aktuell sind Pharmazeutische Produkte (noch) von den Einfuhrzöllen ausgenommen. „Pharmaceuticals“, so der originale Wortlaut in der Erklärung der US-Regierung, bezieht sich auf fertige Arzneimittel und Wirkstoffe. Unklar bleibt, ob die US-Regierung sich an internationale Normen hält und ob auch pharmazeutische Vorprodukte betroffen sind. Produkte aus der Medizintechnik sind sehr wahrscheinlich betroffen. Und dennoch: Die Trump-Administration blieb auch hier bisher vage in ihren Ausführungen.

Einigkeit in deutscher Wirtschaft: Dialog statt Eskalation – EU ist auch für USA wichtiger Markt

In der deutschen Wirtschaft herrscht allerdings Einigkeit über die Reaktion der EU. Alle Verbände plädieren für Dialog statt Eskalation. Treier empfiehlt der EU, mit „Weitsicht“ zu reagieren. Jandura fordert eine Doppelstrategie: „Als EU müssen wir deutlich zeigen: wir sind nicht erpressbar. Auf solche Zölle reagieren wir geschlossen und mit deutlichen Gegenmaßnahmen.“ Dennoch solle die EU „gesprächsbereit“ bleiben, da sie als drittgrößter Wirtschaftsraum der Welt auch für die USA wichtig ist. Kirst sieht in Trumps Zollpolitik eine „Lose-Lose-Situation“: Die Zölle verteuern die Einfuhren in den US-Markt und führen zu Kostensteigerungen im US-Gesundheitssystem. Für die EU könne der Konflikt allerdings auch der Startschuss für mehr Einigung sein – eine Art Bewährungsprobe: „Handelskriege haben das Potenzial, die EU zu spalten. Daher müssen die EU-Staaten zusammenhalten und der Kommission den Rücken stärken“, erklärt Große Entrup.

Dazu sollen auch gemeinsame Reformen sein – auf EU-Ebene wie auch in Deutschland selbst: Die Verbände setzen sich für eine „stärkere Industrie- und Standortpolitik“ (Kirst) ein, die auf geringere Energiekosten, weniger Bürokratie und verstärktes Werben um Fachkräfte (Treier) abzielt.

EU mit klarer Reaktion und kühlem Kopf gegen Trumps Unberechenbarkeit – US-Finanzminister warnt

Die Reaktion der EU sollte also ein Gegenmodell zu den USA sein: Eine Mischung aus kühlem Kopf bewahren und Eigenverantwortung übernehmen. Dieser Pragmatismus der Beteiligten resultiert wohl aber auch aus der Unberechenbarkeit Donald Trumps und seines Kabinetts – nicht zu Unrecht: So drohte US-Finanzminister Scott Bessent bei der Zoll-Pressekonferenz im Weißen Haus ganz unverholen: „Ich würde keine Vergeltung versuchen. Was Verhandlungen angeht – das werden wir sehen.“

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