Resilient oder abhängig? Das wären die Folgen von Trumps Zöllen auf die deutsche Pharma-Branche

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Die USA sind der größte Absatzmarkt der deutschen Pharma-Industrie – umso empfindlicher würden sie Donald Trumps Importzölle treffen. Wie gefährlich ist die Situation für die Branche?

Berlin/Washington – Noch sind die US-amerikanischen Zölle auf Importe aus EU-Ländern eine Mischung aus vagen Ankündigungen und gezielten Drohungen. Doch wie lange bleibt der Status quo so, ehe Präsident Donald Trump seine Wahlkampftiraden zur Realität macht? Mit 20 Prozent käme die EUund damit auch Deutschland – noch besser weg als die Nachbarstaaten Kanada und Mexiko (beide 25 Prozent) oder Trumps größter Feind China (60 Prozent).

Risiko Trump? Ein Viertel der Exporte geht in die USA – Deutsche Pharma-Branche mit großer Abhängigkeit

Und dennoch würden 20-prozentige Strafzölle auf deutsche Exporte in die USA laut Berechnungen des ifo Instituts für ein Gesamtminus von 15 Prozent sorgen. Wohl auch deswegen, weil Deutschland „den Einbruch im Handel mit den USA nicht durch höhere Exporte in andere Länder ausgleichen“ könne, erklärt Andreas Baur, Handelsökonom beim ifo Institut, gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

Am empfindlichsten sei in diesem Szenario allerdings die deutsche Pharmazie-Branche betroffen: Die Exporte würden um 35 Prozent einbrechen. Insgesamt arbeiten 133.000 Beschäftigte in der deutschen Pharmazie-Branche, die 2023 einen Warenwert von rund 37,6 Milliarden Euro produzierte. Die USA nehmen Deutschland ein Viertel aller Exporte in diesem Sektor ab. Immerhin bilden die USA den mit großem Abstand größten Weltmarkt für Pharmazieprodukte – der Umsatz beträgt rund 714.307 Millionen US-Dollar. Dahinter folgen die EU (390.000), China (111.897) und Japan (64.787).

Designierter US-Präsident Trump
Lautstarke Drohung: Donald Trump kündigte bereits im Wahlkampf an, die EU mit Importzöllen zu überziehen. © Evan Vucci/AP/dpa

Auf dem lukrativen US-Markt erzielen auch deutsche Unternehmen wie Bayer, Boehringer Ingelheim oder Fresenius Milliardenumsätze – nicht ohne Grund: Laut Marktstudien kosten verschreibungspflichtige Medikamente dreimal so viel wie in anderen Staaten. Einfache Originalpräparate sind teilweise sogar viermal so teuer.

„Entwicklung genau beobachten“ – Pharma-Riese Merck gibt sich wegen Importzöllen zurückhaltend

Auch deshalb betreiben die großen Player der hiesigen Pharmaziebranche allesamt mehrere Standorte in den USA. Der hessische Chemie- und Pharmakonzern Merck aus Darmstadt beschäftigt in den USA etwa 14.000 Mitarbeiter an verschiedenen Produktionsstandorten. Rund 5,6 Milliarden Euro erwirtschaftet der Konzern pro Jahr – doch bezüglich der Zölle gibt sich Merck zurückhaltend. Ein Sprecher erklärte gegenüber der hessenschau, dass man „nationale Sicherheitsbedenken“ respektiere und man die „Entwicklung genau beobachten und unser Handeln gegebenenfalls anpassen“ werde.

Doch es sind auch weniger die großen Marken, die vor den Importzöllen existenzbedingt zittern dürften. Die kleineren bis mittleren Unternehmen in Deutschland mit einem Umsatz von bis zu zehn Millionen Euro Umsatz dürften von den Zöllen am stärksten betroffen sein.

Für ihre Nischenprodukte ist es oftmals schwerer, einen alternativen Markt zu finden und diesen zu erobern, wenn bestehende Absatzmöglichkeiten zu teuer werden. Angesichts ohnehin schon hoher Produktions- und Energiekosten in Deutschland, wären zusätzliche Zollgebühren in den USA für viele Betriebe eine enorme Herausforderung.

Impfskeptiker als Gesundheitsminister: Robert F. Kennedy Jr. gilt als Gegner der Pharmaunternehmen

Doch wie wahrscheinlich sind die Zölle auf Pharmazieprodukte? Immerhin stehen Medikamente und Medizin in dem Ruf, erstmal der guten Sache – der Gesundheit eines Volkes – zu dienen. Bei Trump genießt die Branche allerdings einen schlechten Ruf, die „immer mit allem davon käme“. Und auch sein designierter Gesundheitsminister, Robert F. Kennedy Jr., gilt als ausgewiesener Feind der Pharmaunternehmen. Der Impfskeptiker neigt dazu, evidenzbasierte medizinische Erkenntnisse als Verschwörungsmythen abzukanzeln.

Jörn Wieczorek, Vorstandsvorsitzender von Pharma Deutschland, hält die Angst vor Zöllen für übertrieben: „Trump propagiert ‚America first‘, das gilt für die Autoindustrie, das steckt hinter der Ankündigung von Importzöllen, und das wird auch bei der US-Pharmaindustrie so sein“, erklärt er gegenüber dem Branchenmedium CHEManager und verweist darauf, dass Trump durch Zölle die Wertschöpfung in den USA schwächen würde.

Zudem könnten Importzölle in einer derart sensiblen Branche auch die eigene Verfügbarkeit von Medikamenten in den USA beeinflussen. Wichtige Mittel könnten teurer werden oder ganz wegbrechen, sollten sich Firmen als Reaktion vom US-Markt abwenden.

Schon 2018 drohte Trump mit Zöllen – und die deutsche Pharma-Branche blieb gelassen

Auf der anderen Seite, so betont es Wieczorek, würden Zölle die europäische Branche ebenso hart treffen. Der Verband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) sieht Trumps Ankündigungen vielmehr als „Weckruf“ für den Sektor, sich von der starken Abhängigkeit in den USA zu lösen – „und zwar in alle Richtungen: mit Blick auf Absatzmärkte, Importquellen pharmazeutischer Erzeugnisse und Handelspartner“.

Diesen Schritt hat die Branche während Trumps erster Amtszeit versäumt. Auch damals, 2018, hatte der US-Präsident mit Zöllen auf europäische Pharma-Unternehmen gedroht. Auch damals blieben Bayer, BPI und Co. zurückhaltend und setzten auf die hohe Versorgungsrelevanz, die ihre Produkte in der Wertschöpfungskette einnahmen. Doch diesmal ist Trump besser auf seine Amtszeit vorbereitet und wirkt mit seinem sofortigen Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation sowie der Ernennung des Impfskeptikers Kennedy noch eine deutliche Spur radikaler.

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