Druck auf Firmen : Trump will Aus für "woke Ideologie": Was wirklich in den Briefen nach Deutschland steht
Donald Trump hat im Wahlkampf jeder „woken“ Ideologie den Kampf angesagt – und lässt als Präsident neben amerikanischen Unternehmen nun auch europäische und deutsche Firmen unter Druck setzen, die Verträge mit US-Regierungsstellen unterhalten oder anstreben.
Die Botschaft: Beendet die sogenannten DEI-Programme (Diversity, Equity, Inclusion) zum Thema „Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion“ – oder es gibt keine Aufträge aus den USA.
Dieser Redaktion liegt ein Schreiben vor, das von der US-Botschaft in der bulgarischen Hauptstadt Sofia unter anderem deutschen Firmen zuging. In dem Dokument heißt es:
„Alle Vertragspartner des US-Außenministeriums müssen bescheinigen, dass sie keine Programme betreiben, die ‚Diversity, Equity und Inclusion‘ (DEI) fördern und dabei gegen geltende Antidiskriminierungsgesetze verstoßen. Sie müssen zustimmen, dass diese Bescheinigung für die Zahlungsentscheidung der Regierung maßgeblich ist und daher dem False Claims Act (FCA / Gesetz gegen Betrug gegenüber der Bundesregierung) unterliegt.“
Wenn Firmen also DEI-Programme fördern, ohne dies anzugeben, machen sie sich eines schwerwiegenden zivilrechtlichen Verstoßes gegen dieses Gesetz schuldig.
„Vielfalt und Weltoffenheit“: Wichtige Faktoren für deutsche Wirtschaft
In inhaltlich identischer Form sind derartige Schreiben auch deutschen Unternehmen zugegangen, bestätigt auf Anfrage Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK): „Nach unseren Informationen verschicken US-Botschaften in Europa entsprechende Briefe an direkte Geschäftspartner“.
Bislang hätten „etwa zwei Dutzend in Deutschland ansässige Unternehmen solche Schreiben von der US-Botschaft in Berlin erhalten. Außerdem verschicken die US-Konsulate auch in Deutschland solche Aufforderungen an hiesige Betriebe.“
Dabei handele es sich offenkundig um direkte Vertragspartner amerikanischer Regierungsstellen, also nicht um Firmen, die mit Partnern in der freien Wirtschaft zusammenarbeiten.
Treier fügte hinzu, „Vielfalt und Weltoffenheit“ seien für die deutsche Wirtschaft wichtige Faktoren, sowohl im Geschäftsleben als auch in der betrieblichen Praxis: „Die Integration von Menschen unterschiedlicher Herkunft, sexueller Orientierung oder Lebensalter spielt eine große Rolle bei der Weiterentwicklung von Unternehmen sowie bei der Bindung von Arbeitskräften. Das gilt beispielsweise auch für verstärkte Anstrengungen, Menschen mit Handicaps den Zugang ins Erwerbsleben zu erleichtern.“
Über den Autor: Ansgar Graw
Ansgar Graw ist seit März 2020 Herausgeber des Debattenportals "The European". Zuvor war der studierte Historiker und Politikwissenschaftler 22 Jahre in wichtigen Positionen für die Tageszeitung DIE WELT tätig, darunter acht Jahre als politischer Chefkorrespondent in Washington D.C. Graw ist Autor erfolgreicher Bücher, darunter „Die Grünen an der Macht. Eine kritische Bilanz“. Soeben erschien sein Buch „Die Ära Trump. Chancen und Risiken für Amerika und die Welt“.
Trump-Administration sieht in DEI-Initiativen einen ideologischen Aktivismus
Mit identischer Zielsetzung wie das Schreiben der US-Botschaft in Sofia heißt es in einem Rundschreiben der Haushaltsbehörde, dem US Office of Management and Budget (OMB), und dem Wirtschaftsministerium (Department of Commerce) an offenkundig identische Adressaten wörtlich:
„Bundesauftragnehmer und -partner müssen unabhängig von ihrer Gerichtsbarkeit oder Gesellschaftsform sicherstellen, dass ihre internen Personal- und Beschaffungsrichtlinien nicht gegen die Antidiskriminierungsgesetze der USA verstoßen, indem sie Rasse, Geschlecht oder Identitätskategorien über Leistungs- und Sicherheitsaspekte stellen.“
Diese Anweisung betrifft unter anderem europäische Unternehmen, die in Bereichen wie Verteidigung, Cybersecurity, Energie, Transport oder Forschung mit amerikanischen Behörden zusammenarbeiten.
Die Trump-Administration sieht in DEI-Initiativen einen ideologischen Aktivismus, der die Leistungsfähigkeit von Organisationen beeinträchtige, Einstellungsentscheidungen politisiere und gegen Prinzipien „leistungsbasierter Auswahl“ verstoße.
Unternehmen, die weiterhin auf DEI-Maßnahmen setzen – etwa durch Quoten, spezielle Förderprogramme für Minderheiten oder verpflichtende Trainings zu „unbewussten Vorurteilen“ – können künftig von Ausschreibungen ausgeschlossen werden oder müssen mit Vertragsstrafen rechnen.
Das kann sie immer dann treffen, wenn bei ihnen Stellen vergeben werden nach Quoten etwa zu Geschlecht, Ethnie, Religion oder sexueller Orientierung. Nur noch Leistungskriterien dürfen den Ausschlag geben.
BDI ermutigt Unternehmen, an ihren Leitlinien festzuhalten
Von den US-Forderungen zeigt sich auch der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) alarmiert. Wolfgang Niedermark, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung, sagte auf Anfrage, sein Verband betrachte die Bestrebungen der US-Regierung, „politische Vorstellungen im Hinblick auf unternehmerische Leitlinien über die eigenen Landesgrenzen hinaus durchzusetzen, mit großer Skepsis“. Unternehmen unterlägen geltendem Recht in jenen Ländern, in denen sie aktiv sind.
Gleichstellungsregeln von Unternehmen folgten zum Teil diesen rechtlichen Vorgaben, so Niedermark: „Darüber hinaus geben sich viele Unternehmen eigene Leitlinien. Diese gelten unabhängig davon, welche Regierung in welchem Land regiert. Deshalb ermutigen wir die Unternehmen, an ihren Leitlinien festzuhalten. Unternehmen, die Vielfalt und gleiche Aufstiegschancen fördern, sind in der Regel innovativer und produktiver und gewinnen mehr qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“
Allerdings schränkte der BDI-Vertreter ein: „Letztlich müssen Unternehmen je nach individueller Situation entscheiden, wie sie auf die Schreiben reagieren.”
Zivilrechtliche Strafen in Höhe von rund 14.000 bis 28.000 US-Dollar pro Verstoß
Denn die Konsequenzen für Verstöße gegen das FCA sind schmerzhaft. Das Gesetz sieht vor, dass der Staat den dreifachen Betrag des erlittenen Schadens zurückfordern kann – also beispielsweise die dreifache Rückzahlung der erhaltenen Mittel. Zusätzlich werden zivilrechtliche Strafen in Höhe von rund 14.000 bis 28.000 US-Dollar pro Verstoß fällig.
Hinzu kommt der Ausschluss von künftigen Bundesaufträgen. Bei Verstößen dürfte das Unternehmen auf eine „Debarment List“ gesetzt werden – was bedeutet, dass es von zukünftigen Bundesverträgen ausgeschlossen wird.
Diese Ausschlusslisten identifizieren Firmen, aber auch Einzelpersonen mit Vor- und Nachnamen, sind öffentlich für jedermann einsehbar und geben an, ob ein Antragsteller wegen Missbrauchs, Betrugs oder Integritätsproblemen ausgeschlossen oder sanktioniert wurde.
Damit kann ein FCA-Verstoß erhebliche Auswirkungen auf die internationale Glaubwürdigkeit und die Beziehungen zu anderen Staaten oder Geschäftspartnern haben.
Auch wenn der False Claim Act zivilrechtlicher Natur ist, kann ein besonders schwerer oder vorsätzlicher Betrug zusätzlich strafrechtlich verfolgt werden, etwa unter dem Vorwurf der Korruption oder Täuschung öffentlicher Stellen.
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