US-Wahl-Duell: „Extrem angriffslustige“ Harris treibt Trump in die Defensive
Das TV-Duell zur US-Wahl wird von manchen als „Desaster“ für Donald Trump bezeichnet. Dabei geht es beiden Kandidaten gar nicht darum, Wähler umzustimmen, weiß ein US-Experte.
Dem weltweit mit Spannung erwarteten TV-Duell zwischen Kamala Harris und Donald Trump mangelte es nicht an eindrucksvollen Momenten. Gegen 3 Uhr Nachts deutscher Zeit betraten beide die Bühne. Harris gab sich von Beginn an offensiv und wollte den ehemaligen Präsidenten aus der Reserve locken. Obwohl Trump den Erwartungen vieler gerecht wurde und teilweise absurde Lügen erzählte, lässt sich das Duell nicht so einfach als Sieg für Harris deuten, analysiert Julian Müller-Kaler. Der US-Experte sagt über das Duell, dass es keinem der beiden Kandidaten überhaupt darum gehe, Wähler umzustimmen.
TV-Duell Trump gegen Harris: Momentum und Angriffslust
Beide Seiten gingen mit großen Erwartungen in das TV-Duell. Donald Trump gelingt es seit Joe Bidens Rückzug und der Euphorie um Harris als neuer Kandidatin der Demokraten nicht mehr, ein eigenes Momentum zu kreieren, sagen Beobachter. Bei Harris dagegen sind konkrete politische Inhalte bisher rar gewesen, das Duell war eine gute Möglichkeit für sie, das zu ändern.

„Um das Momentum ihrer Kampagne nicht zu verlieren, ging es Harris also vor allen Dingen darum, keine groben Fehler zu machen. Was ihr erfolgreich gelungen ist“, sagt Müller-Kaler gegenüber IPPEN.MEDIA. Der Associate Fellow für die USA und transatlantische Beziehungen von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) lebt selbst in Washington. „Ich würde sogar weiter gehen und sagen, dass sie für ihre Verhältnisse extrem angriffslustig war und Trump an der ein oder anderen Stelle erfolgreich aus der Reserve locken konnte.“
Harris mit Nadelstichen gegen Trumps Ego
Das wurde deutlich, als Harris es offenbar auf Trumps Ego abgesehen hatte. Etwa als sie sagte, Menschen fänden seine Wahlkampfauftritte langweilig. Trump reagierte – wohl zur Freude von Harris und den Demokraten – sehr gereizt. Typische Trump-Erzählungen fehlten im Duell ebenfalls nicht. So behauptete der ehemalige Präsident, Ausländer würden Katzen und Hunde der US-Amerikaner stehlen und essen. Außerdem sagte er, ein ehemaliger Gouverneur der Demokraten sei beim umstrittenen Thema Abtreibung für „Hinrichtungen“ nach der Geburt eines Kindes.
Noch während der Sendung wurden derartige Falschaussagen durch Faktenchecks entlarvt. Ein Umstand, der allerdings indirekt dem Trump-Lager und dessen Narrativ nutzen kann, alle am Duell Beteiligten seien gegen Trump gewesen. Diese defensive Haltung Trumps sei nicht zu unterschätzen, sagt der US-Experte Müller-Kaler: „Eine Position, in der sich der ehemalige Präsident gefällt, denn seine Kandidatur und sein Erfolg waren schon immer vielmehr Symptom als Ursache eines politischen und gesellschaftlichen Eskalationsprozesses an dessen Ende sich eine Vielzahl der amerikanischen Wähler als Verlierer und Vergessen des Systems verstehen. Diese Perzeption macht den Populismus erst wirkungsmächtig.“
Polarisierung in den USA (zu) groß
Müller-Kaler sagt zwar, dass dem Trump-Lager weiterhin gute Strategien gegen Harris fehlen, diese dagegen gute Nadelstiche setzen und grobe eigene Fehler vermeiden konnte. Ein klarer Gewinner aber sei dennoch schwer auszumachen. „Dafür ist Amerika inzwischen einfach zu polarisiert. Die jeweiligen Spinndoktoren der verschiedenen Lager picken sich die guten Momente ihrer Kandidaten raus und erklären, warum er oder sie die besser Wahl im November ist“, so der DGAP-Fachmann. Unter Spinntdoktoren werden die Wahlkampfmanager verstanden, die nach Duellen versuchen, bei Medien ihre eigene Deutung des Duells erfolgreich zu platzieren.
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„Man muss konsterniert feststellen, dass weite Teile der amerikanischen Bevölkerung inzwischen in unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten leben. Die Leute sehen eine derartige Debatte – sofern sie sich überhaupt dafür interessieren – durch eine parteipolitische oder ideologische Brille. Das steht der Sieger für viele schon vorher fest.“
Bringt das TV-Duell überhaupt etwas?
Stellt sich die Frage, welchen Wert eine solche Debatte in dieser polarisierten Gesellschaft noch hat. Zum einen ist Wahlkampf in den USA traditionell mehr Unterhaltung als thematische Auseinandersetzung. Unterhaltend dürfte das Duell wohl für fast alle gewesen sein.
Zum anderen dient das TV-Duell beiden Kandidaten vor allem nach innen, so der US-Experte. „Es mag hart klingen, aber keinem der beiden Kandidaten geht es wirklich darum, Wähler vom anderen Lager abzuwerben. Auch die noch wenigen Unentschlossenen spielen nicht wirklich eine Rolle“, so Müller-Kaler.
Für den DGAP-Experten ist Mobilisierung der Kernpunkt: „Am Ende geht es schlicht und ergreifend darum, die eigene Wählerschaft an die Wahlurne zu bringen. Wer das erfolgreicher schafft, gewinnt im November die Wahl. Dahingehend waren auch die von Harris und Trump besetzen Themen keine Überraschung: während Trump das Thema illegale Einwanderung und Inflation in den Mittelpunkt seiner Argumentation stellte, ging es bei Harris vor allen Dingen um das Recht auf Abtreibung und Amerikas internationale Verantwortung.“