Rente und Lohn zugleich beziehen – Das ist das „Doppelverdiener-Modell“

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Für Arbeitnehmer besteht seit einiger Zeit die Möglichkeit, eine vorgezogene Rente zu beziehen. Und das bei voller Sozialversicherung. Wir werfen einen Blick auf das „Doppelverdiener-Modell“.

Berlin – Bis zum 1. Januar 2023 war nur für reguläre Altersrentner ein unbegrenzter Hinzuverdienst erlaubt. Wer eine vorgezogene Altersrente bezog, musste, sofern er dann Job und Rente kombinierte, mit einer Rentenkürzung rechnen. Erst im Zuge der Corona-Jahre entstanden hier ein paar Sonderregelungen. Und seit etwas mehr als einem Jahr gilt: Auch frühe Altersrentner können in beliebiger Höhe hinzuverdienen, ohne dass eine Rentenkürzung stattfindet. Dabei müssen sie, sofern sie den Job weiterführen oder einen neuen Job aufnehmen, auch nicht die Rentenversicherung informieren.

Regelaltersrenteneintritt 67 Jahre
Verzicht bei der 99,99-prozentigen Teilrente (ausgehend von 2.000 Euro Rente) 20 Cent
Zuschüsse des Bundes in die Rentenversicherung pro Jahr 110 Milliarden Euro

Das Doppelverdiener-Modell im Überblick

Diese Änderung öffnete die Tür für das sogenannte „Doppelverdiener-Modell“. So nennt der Sozialrichter Stephan Rittweger gegenüber dem Spiegel eine Praxis, bei der Beschäftigte zusätzlich zum regulären Gehalt eine teilweise Rente beziehen. So funktioniert das: Ein Arbeitnehmer, der bereits 45 Jahre lang gearbeitet, also seine Berufsjahre bis zur Rente erfüllt hat, könnte mit 65 in Rente gehen. Zwei Jahre also, bevor er das Regelaltersrenten-Alter erreicht.

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Rente und Lohn zugleich beziehen – Das „Doppelverdiener-Modell“ © IMAGO / Westend61

Nun kann er beides beziehen: Arbeitsentgelt und die Rente von der Deutschen Rentenversicherung. Dafür muss er bei der Deutschen Rentenversicherung eine 99,99-prozentige Teilrente beantragen. Für den Fall, dass er 2.000 Euro brutto in seiner regulären Rente erhält, müsste er in diesem Modell auf rund 20 Cent pro Monat verzichten. Ansonsten würde er bereits in Vollrente gehen. Das Besondere an dem Modell: Diejenigen, die es nutzen, sind weiter voll sozialversichert. Außerdem bleiben Ansprüche auf Sozialleistungen wie Kranken- und Kurzarbeitergeld bestehen.

Weniger Wartejahre bedeuten mehr Abschlag

Dem Experten zufolge lohnt sich diese Methode vor allem für Menschen, die schon viel von ihrer Wartezeit angesammelt haben. Wer 45 Wartejahre angesammelt hat, für den soll das Ganze „problemlos“ funktionieren. Für Arbeitnehmer mit 35 Jahren Wartezeit ist das Modell ebenfalls nutzbar, allerdings ist mit Abschlägen zu rechnen, je früher dieser „Teilrenteneintritt“ erfolgt.

Wichtig dabei ist jedoch der Blick in den eigenen Arbeitsvertrag. Einige Verträge beinhalten Klauseln, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsehen, sobald der Arbeitnehmer eine Rente bezieht. Ein Eintreten in die Teilrente würde in diesem Fall nicht funktionieren, wenn das Ziel ist, nebenher noch im Job Geld zu verdienen. In solchen Fällen rät der Experte zum klärenden Gespräch mit dem Arbeitgeber.

Lohn, Rente und Betriebsrente

Und dann gibt es da noch die Betriebsrente, aus der Arbeitnehmer weitere Mittel verdienen können. Sobald diese mit dem normalen Lohn und der Teilrente kombiniert ist, spricht man gar vom „Dreifachverdiener-Modell.“ Um diese zu beziehen, müssen Arbeitnehmer vorerst einen Monat lang Vollrente erhalten, dann auf Teilrente reduzieren, um von mehreren dieser Modelle gleichzeitig zu profitieren.

Hier kommt es jedoch auf ein eher spezielles Set auf verschiedenen Anforderungen an. Außerdem besteht das Risiko, während des Monats der Vollrente zu erkranken, was den Anspruch aufs Krankengeld eliminieren würde. Trotzdem eröffnet sich Arbeitgebern hier die Möglichkeit, erfahrene Fachkräfte ohne finanziellen Mehraufwand zu halten. Sobald sie das erkannt hätten, würden „interessengemäß auch Klauseln im Vertrag abgeändert“.

Fachkräfte halten um jeden Preis

Am Ende stellt sich die Frage: Warum lässt der Gesetzgeber diesen offensichtlichen „Drain“ der Rentenkasse zu, wo die Rententöpfe doch ohnehin belastet sind – und es mittelfristig bleiben werden? Laut dem Spiegel hatte der Gesetzgeber hier den Haltemechanismus von Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt schlichtweg als wichtiger eingestuft. Mehr Arbeitskräfte, die in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, sichern das Modell langfristig.

Experten warnen vor dem Aus des Rentensystems

Aktuell geht der Trend in die Richtung, dass Deutsche eher früher in Rente gehen. Zahlen des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) zeigen, dass viele bereits mit 63 oder 64 aus dem Berufsleben ausscheiden. Etwa ein Viertel aller Neurentner haben im Jahr 2021 nicht das reguläre Renteneintrittsalter erreicht. Der Anstieg der Erwerbstätigenquote bei den über 60-Jährigen ist zum Stillstand gekommen.

„Wir können uns das Rentensystem nicht mehr lange leisten“, sagte etwa die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, zum Münchner Merkur. Bereits jetzt muss der Bund die Rentenversicherung jährlich mit 110 Milliarden Euro „aufpäppeln“. „Wenn wir so weitermachen, geht in 25 Jahren jeder zweite Euro aus dem Bundeshaushalt als Zuschuss in die Rentenkasse.“ Mit mehr Steuergeld allein sei dieses Problem nicht zu lösen. In der Politik steht derzeit unter anderem die Aktienrente als eine mögliche Lösung zur Debatte.

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