Der Ampel fliegt die Wirtschaftspolitik um die Ohren: Eigentlich bleibt nur eine Lösung
Volkswagen, Thyssenkrupp, Intel: Für die Ampel-Koalition reiht sich gerade ein Wirtschafts-Desaster an das nächste. Eine Lösung könnte da wieder an Bedeutung gewinnen.
Berlin – Fast können sie einem leid tun, die Politiker und Politikerinnen der Ampel-Koalition. Seit mehreren Wochen reiht sich eine Hiobsbotschaft aus der Wirtschaft an die nächste: Kein Wachstum, keine Investitionen, Stellenabbau, sogar Werksschließungen und Insolvenzen. Kaum ist ein Brand erloschen, keimt schon das nächste Feuer auf. Dabei sind die Probleme nicht nur durch diese Regierung ausgelöst worden (wobei die Ampel ihren eigenen Teil hat). Es sind die Folgen jahrelangen Nichtstuns, die dieser Regierung nun auf die Füße fallen.
Intel, Thyssenkrupp und Volkswagen: Drei große Unternehmen bauen Stellen ab
Ganz aktuell beschäftigt die Ampel-Koalition drei Unternehmen: Einmal Intel, das ihre sündhaft teure Milliardenfabrik in Magdeburg vorerst nicht bauen wird, da sie mit Sparzwängen konfrontiert wird. Die Bundesregierung hatte dem Chip-Giganten einen Zuschuss von knapp zehn Milliarden Euro versprochen, wenn sie in Deutschland ihr Werk mit 3.000 neuen Jobs baut.
Dann ist es natürlich Volkswagen, die der Regierung große Sorgen bereitet. Anfang September hat Europas größter Autobauer angekündigt, dass Werksschließungen in Deutschland und betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr auszuschließen seien. Allein in Deutschland beschäftigt der Konzern fast 300.000 Menschen, wie es im Geschäftsbericht der Gruppe von 2022 heißt.
Zu guter Letzt ist da noch Thyssenkrupp, dessen Stahlsparte gerade mit einem Eklat um den Vorstand Miguel López für Schlagzeilen sorgte. Im Kern des Streits geht es darum, wie viel Geld die Stahlsparte braucht, wie viele Jobs wegfallen werden. Insgesamt beschäftigt Thyssenkrupp über alle Sparten hinweg 56.000 Mitarbeiter in Deutschland, allein in der Stahlsparte sind es 27.000 Menschen.
Transformation wurde in Deutschland lange verschleppt: VW und Thyssenkrupp spüren die Folgen
Diese drei sind aktuell die, die am meisten Aufmerksamkeit bekommen. Doch die regelmäßigen Konjunkturberichte der Wirtschaftsinstitute zeigen, dass es nicht nur ihnen schlecht geht. Die deutsche Wirtschaft stagniert vor sich hin, 2024 dürfte erneut null Wachstum am Ende stehen. Egal was die Bundesregierung tut, ihre Maßnahmen wirken bisher nicht. Und auch die im Sommer beschlossene Wachstumsinitiative der Ampel-Koalition löst keine Freudensprünge in der Wirtschaft aus.
Die Ursachen der Probleme liegen dabei auf der Hand: Zu lange wurde in Deutschland nicht in den klimaneutralen Umbau investiert. Wie die Wirtschaftsweise Veronika Grimm gegenüber der Wirtschaftswoche sagt: „Der Standort stand lange noch gut da, aber zehrte von seiner Substanz. Doch nun werden die Spielräume immer enger, nicht zuletzt, weil die Handlungsbedarfe zu lange unter den Teppich gekehrt wurden.“
Das lässt sich auch bei VW und Thyssenkrupp Steel erkennen. Beide Unternehmen beginnen jetzt mit ihren Transformationsprozessen, bei VW ist es die Umstellung auf Elektromobilität, bei Thyssenkrupp die Dekarbonisierung von Stahl. Dass dieser Strukturwandel Geld kosten würde, war klar – doch erst jetzt wird auch allen Betroffenen schmerzlich bewusst, was das bedeuten könnte.
BDI warnt: Die Transformation wird noch mehr Geld kosten, als erwartet
Dabei investiert die Bundesregierung viel Geld, Milliarden fließen in den Aufbau von grünen Kraftwerken, in die Förderung der Transformation im Mittelstand, allein Thyssenkrupp hat von der Bundesregierung zwei Milliarden Euro bekommen, um ihre Kohleöfen auf Wasserstoff umzurüsten. Doch es braucht mehr Geld, wie gerade erst der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erläuterte: Bis 2030 braucht die Industrie 1,4 Billionen Euro an Investitionen, davon sollten 460 Milliarden Euro aus staatlicher Hand kommen. Zum Vergleich: 2025 plant die Bundesregierung insgesamt 488 Milliarden Euro auszugeben.
Es wird also alles sehr viel teurer als gedacht. Und die Bundesregierung muss eine Entscheidung treffen: Entweder lässt sie zu, dass Unternehmen wie Thyssenkrupp und Volkswagen gehen, ins Ausland, wo die Bedingungen besser sind. Oder sie packt an und investiert viel mehr Geld. Und es gibt eine Stellschraube, an der sie drehen könnte – die wahrscheinlich schlagartig zu Verbesserungen führen würde.
Dazu reicht es, die Unternehmen und Verbände selbst anzuhören: Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl, sagt in dieser Woche zur Wirtschaftswoche: Strompreise müssen runter. Subventionen sind weniger wert als gute Bedingungen für alle, so ihr Argument. Der Verband Initiative Zukunft Wirtschaft Deutschland (IZW) schrieb kürzlich in einem offenen Brief an die Regierung, dass die Wirtschaft den „energiepolitischen Scherbenhaufen“ der Politik ausbaden müsse. Der Chef von Saarstahl forderte gegenüber dem Handelsblatt einen Industriestrompreis von vier Cent pro Kilowattstunden (aktuell liegt der Preis viermal so hoch). Und Hildegard Müller, Chefin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), forderte in der Tagesschau neulich eine Verbesserung des „Ökosystems Elektromobilität“, also der Ausbau von Ladestationen und eine Senkung der Strompreise.
Wirtschaft fordert günstigere Strompreise: SPD und Grüne wären für Industriestrompreis
Aus Sicht der Wirtschaft gibt es also eine ganz klare Empfehlung: Die Bundesregierung muss die Energiepreise absenken. Nur so könne der Standort gerettet werden, nur so können Arbeitsplätze erhalten und Investitionen in eine klimaneutrale Wirtschaft getätigt werden, so heißt es immer wieder. Veronika Grimm macht in der Wirtschaftswoche einen konkreten Vorschlag: Die zehn Milliarden Euro, die jetzt erstmal doch nicht zur Subventionierung von Intel gebraucht werden, würde sie nutzen, um die Netzentgelte drastisch zu senken. Maria Rippel von der Wirtschaftsvereinigung Stahl sagt: „Generell gehört der Transport von Strom aus meiner Sicht zur Daseinsvorsorge.“
Das fordert auch die SPD-Bundestagsfraktion. Bernd Westphal, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, fordert im Spiegel einen „Transformationsstrompreis“, mit dem der Staat den Unternehmen unter die Arme greift. „Nur so können wir die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie sichern“, so Westphal.
Mit Christian Lindner (FDP) als Kassenwart wird das Vorhaben vermutlich nichts, und auch der Kanzler will Strom nicht subventionieren. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wäre dafür, diesen Kampf hat er schon 2023 gegen Lindner und Scholz verloren. Ob er den Streit nochmal wagt?