ThyssenKrupp, Bosch, VW: Lage ist „sehr ernst“ – Ökonom Fuest skizziert Weg aus der Krise

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Mit ThyssenKrupp kündigt ein weiterer deutscher Weltkonzern angesichts der Wirtschaftskrise Stellenabbau an. Experte Clemens Fuest rät zu einem Blick auf andere Branchen.

Mainz – 11.000 Stellen will ThyssenKrupp bei seiner Tochter ThyssenKrupp Steel abbauen, bei Bosch sollen von den bis zu 5550 zu streichenden Stellen 3800 in Deutschland betroffen sein, bei VW könnte die Zahl sogar fünfstellig sein. Erschreckende Entwicklungen bei drei Weltkonzernen aus Deutschland, die zu unterstreichen scheinen, wie schlecht es um die Wirtschaft in der Bundesrepublik bestellt ist.

Auch Clemens Fuest will nichts beschönigen. Im Interview mit ZDF heute betonte der Präsident des ifo Instituts: „Die Lage ist schon sehr ernst.“ In Bezug auf ThyssenKrupp, das für die jüngste Hiobsbotschaft sorgte, hält er fest: „Seit dem Jahr 2000 ist die Stahlproduktion in Deutschland um ungefähr ein Viertel zurückgegangen.“ Es sei eine „Tendenz zur Verlagerung in Schwellenländer“ festzustellen. Stahl zähle zu den Produkten, die auch dort leicht produziert werden können.

Fuest über ThyssenKrupp & Co.: „Kosten am Standort Deutschland werden erhöht“

Grundsätzlich gebe es „einen Strukturwandel-Effekt. Und der wird verstärkt durch die deutsche Wirtschaftspolitik, die eben Kosten am Standort Deutschland erhöht und das Energie-Angebot verknappt.“ Dazu zählt er die Dekarbonisierung, den Ausstieg aus der Kernenergie und – natürlich nicht freiwillig – das Ende der Gas-Importe aus Russland.

Die Automobil-Industrie sind für den Ökonomen der „zweite Sorgenbereich in der deutschen Industrie“. Hier erwähnt Fuest den von der Politik forcierten Übergang zur Elektromobilität.

„Das wäre zwar alles auszuhalten, wenn neue Dinge entstehen würden. Aber gleichzeitig entsteht einfach zu wenig Neues in diesen Unternehmen“, moniert der 56-Jährige: „Es entstehen auch zu wenig neue Unternehmen in Deutschland und Europa, weil es interessanter ist, mit neuen Unternehmen in die USA zu gehen.“

Die Angst vor dem Jobverlust: ifo-Instituts-Chef Clemens Fuest hat keine guten Nachrichten für ThyssenKrupp, VW, Bosch & Co. © Screenshot ZDF, IMAGO / Funke Foto Services

Fuest über den Standort Deutschland: Sehr viel Bürokratie und komplexe Genehmigungsverfahren

So gewinne die Deindustrialisierung an Fahrt und es fehle an Alternativen. Hinzu kämen bekannte Hürden: „sehr viel Bürokratie, komplexe Genehmigungsverfahren“, für Menschen in niederen Einkommensbereichen würde sich Arbeit kaum lohnen, unter allen G7-Staaten rufe Deutschland die höchsten Unternehmenssteuern auf.

„Es ist diese Summe der Belastungen, die es den Unternehmen sehr schwer macht“, fasst Fuest zusammen. Bei der Frage nach Lösungen rät er von Sofortmaßnahmen wie kurzfristigen Subventionen ab: „Meine Empfehlung wäre, sich hinzusetzen und sorgfältig darüber nachzudenken, wie man eine Strategie entwickeln kann, die den Standort stärkt.“

Wirtschaftskrise in Deutschland: Fuest zeigt zwei Lösungswege aus dem Tief auf

Er selbst skizziert zwei Anpassungsmöglichkeiten. „Entweder, man verändert die Energiepolitik und versucht, das Energie-Angebot zu erhöhen“, nennt Fuest den ersten Weg. „Das versucht die Politik in Deutschland zum Beispiel mit schnellerem Netzausbau, mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien.“ Dies sei an sich „richtig, aber wir werden da teurer bleiben, weil andere die ganze Breite der Technologien einsetzen, eben auch die Kernenergie, teilweise auch fossile Brennstoffe, da können wir nicht mithalten“.

Und Lösung B? „Der andere Weg ist die Anpassung. Dass wir es also akzeptieren, dass die energieintensive Industrie schrumpfen wird. Das sind etwa 15 Prozent der industriellen Wertschöpfung in Deutschland“, zeigt er eine Option auf, die für manche Branchen enorm schmerzhaft sein würde.

Menschen vor einem Mahnwache-Plakat
Bangen um ihren Job: Mitarbeiter von ThyssenKrupp halten nach den jüngsten Meldungen eines Stellenabbaus eine Mahnwache ab. © IMAGO / Sven Simon

Fuest über grüne Technologien: „Können wichtige Ergänzung sein - aber mehr auch nicht“

Doch für Fuest lohnt es, den Blick zu weiten: „Wir haben sehr, sehr viele Unternehmen in Deutschland, sehr produktive, die nicht so energieintensiv sind. Und wir müssen Raum schaffen für ganz neue Unternehmen.“ Erstere seien „Hidden Champions, Unternehmen, die in Nischen Weltmarktführer sind“ und augenscheinlich nicht die Aufmerksamkeit bekommen wie die schwankenden Weltkonzerne.

Fuest, der die Lage bereits zu Jahresbeginn als „extrem schlecht“ eingestuft hatte, malt also mit dem Blick auf die deutsche Wirtschaft keineswegs schwarz. Allerdings wäre es seiner Meinung nach auch falsch, alles auf Grün zu setzen: „Die Vorstellung, dass grüne Technologien die Basis sind für den Industriestandort Deutschland, das ist eine Illusion, das ist Wunschdenken. Sie können eine wichtige Ergänzung sein, vielleicht mal in der Zukunft, aber mehr auch nicht.“ (mg)

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