SPD fürchtet „große Probleme“ im Kampf gegen Trump: Wo Harris vor der US-Wahl „angreifbar“ ist
Weit über die USA hinaus richten sich alle Augen auf Kamala Harris. In der deutschen Sozialdemokratie sieht man die Personalie mit gemischten Gefühlen.
Berlin – „The Democrats, and America, are in uncharted territory now“ – die Demokraten, und die Vereinigten Staaten, befinden sich vor der US-Wahl auf unbekanntem Terrain. So erklärt das Time Magazine die historische Situation wenige Stunden nach dem Rückzug von US-Präsident Joe Biden. Er hatte ein halbes Leben um das Präsidentenamt gekämpft, jetzt wirft der gesundheitlich angeschlagene Kandidat der Demokraten vor einer möglichen zweiten Amtszeit hin.
Als Nachfolgerin empfiehlt Biden seiner Partei per Tweet die US-Vizepräsidentin Kamala Harris. „Demokraten – es ist Zeit zusammenzurücken und Trump zu schlagen“, schreibt Biden in dem sozialen Netzwerk X. Die Demokraten sollten sich von nun an hinter Harris stellen.
Die US-Wahl birgt für Harris Risiken – wegen ihrer Beziehungen zur Wirtschaft
In der SPD sieht man die Personalie mit gemischten Gefühlen. Während Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der in die USA gereist ist, um sich über die Zukunft der Arbeit auszutauschen, eher staatstragend auf die Meldungen reagiert und sich einiges von Harris verspricht, halten USA-Kenner in der Partei sie für eine gewagte Wette. „Kamala Harris wird in erster Linie die Politik Joe Bidens fortsetzen, dazu gehören der Inflation Reduction Act, das Abtreibungsrecht und die Streichung der Studiengebühren“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Metin Hakverdi IPPEN.MEDIA. Zugleich geht er davon aus, „dass Harris große Probleme in dieser Kampagne haben wird“.
Hakverdi war zuletzt als einziger SPD-Politiker auf dem Parteikongress der Republikaner in Milwaukee, anschließend flog er zu Gesprächen mit Demokraten nach Georgia. „Einerseits hat sich Harris für höhere Unternehmenssteuern eingesetzt und die Trump‘schen Steuersenkungen für Reiche kritisiert“, erklärt der Abgeordnete. Sie werbe für Steuersenkungen für mittlere und geringe Einkommen. „Zum anderen wirft man ihr seit Jahren vor, als Vertreterin einer liberalen Wirtschaftselite den großen Tech-Unternehmen nahezustehen – das macht sie angreifbar.“
Harris und die Wahlkampfspenden: „Trump wird ihr das genüsslich vorhalten“
In ihrer Zeit als Staatsanwältin in Kalifornien hat Harris auch Wahlkampfspenden von jenen Konzernen erhalten. „Die Kampagne von Donald Trump wird ihr diese Beziehung genüsslich vorhalten“, glaubt Hakverdi. Wie die Wählerinnen und Wähler eine mögliche Kandidatin Kamala Harris einordnen, hängt folglich von den kommenden Wahlkampfwochen ab. „Die Trump-Anhängerschaft wird versuchen, Harris als abgehoben darzustellen“, sagt Hakverdi.

Trump und dessen „Running Mate“ J.D. Vance, sein Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, „werden Harris gegenüber den Arbeiterinnen und Arbeitern, den Blue-Collar-Workern in Pennsylvania, Michigan oder Wisconsin als Westküsten-Elite verkaufen“. Umso wichtiger sei für Harris die Wahl ihres Vizes. „Wichtig deshalb, weil der aus armen Verhältnissen stammende Vance für Arbeiter im Rust Belt der vermeintlich attraktivere Kandidat ist.“
Der größte Unterschied zu Biden sei, „dass Harris über kaum außenpolitische Erfahrung verfügt“
Wäre Biden früher gegangen, hätte es bei den Demokraten wohl einen harten Kampf um sein Erbe gegeben. So kurz vor der Wahl aber herrscht bislang größte Disziplin in der Partei. „Auch wenn es Vorbehalte von Demokraten gegen sie gibt, scheint alles auf eine Präsidentschaftskandidatur von Kamala Harris hinauszulaufen“, sagt Unionsfraktionsvize Johann Wadephul unserer Redaktion. „Wichtige Spender haben sich zu ihr bekannt.“ Harris werde sicher andere Akzente als Biden setzen. „Allerdings gehe ich von viel Kontinuität im Vergleich zur bisherigen Biden-Politik gerade in der Innenpolitik aus.“
Mit Blick auf die Wahl im November steht Harris unter gewaltigem Zeitdruck. Der größte Unterschied zu Biden sei, „dass Harris über kaum außenpolitische Erfahrung verfügt“, so Wadepuhl. „Das macht die Berater in ihrem unmittelbaren Umfeld umso wichtiger.“ Der CDU-Sicherheitspolitiker zeigt sich „vorsichtig optimistisch, weil sie viele Profis mit transatlantischem Profil in ihrem engen Umfeld hat“. An dieser Stelle müsse die Bundesregierung ansetzen: „Sie muss die verbleibenden Monate nutzen, um diese Kontakte auszubauen und vor allem unsere Interessen darzulegen.“ Dazu gehöre die Unterstützung der Ukraine ebenso wie handelspolitische Fragen zum Abbau bestehender Handelsschranken.