Seltsames Medien-Phänomen bei US-Wahl: Kritische Artikel über Trump helfen ihm, statt zu schaden

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Der US-Wahlkampf ist geprägt von heftigen Auseinandersetzungen. Medien stehen dabei oft im Kreuzfeuer der Kritik. Ein Experte äußert sich zur Debatte.

Der Ton im diesjährigen US-Wahlkampf ist rau. Mit Kamala Harris als Kandidatin für die Demokraten und Donald Trump als Kandidat für die Republikaner treffen zwei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten aufeinander. Viele Medienschaffende in den USA müssen sich immer wieder der Kritik stellen, dass sie zu einseitig berichten würden.

Professor Dennis Steffan ist Kommunikationswissenschaftler an der Freien Universität Berlin und beschäftigt sich unter anderem mit der US-amerikanischen Medienlandschaft und dem US-Wahlkampf. Im Interview mit IPPEN.MEDIA spricht er über die US-Medienlandschaft, den Vorwurf einer Anti-Trump-Haltung und die Rolle von sozialen Medien im Wahlkampf.

Gibt es in den USA ein bestimmtes Muster in der Berichterstattung?

In der Berichterstattung können wir ganz klare Muster erkennen. Wir sprechen hier in der Forschung von Framing. Framing bedeutet die Hervorhebung von bestimmten Merkmalen eines Ereignisses, eines Themas oder einer Person. Wir unterscheiden in der Regel zwischen „Themenframing“, also wie ein Thema aufbereitet wird, was besonders betont und was vernachlässigt wird. Und wir haben sogenanntes Character Framing, also die Art und Weise, wie die Charaktereigenschaften der Präsidentschaftskandidierenden medial dargestellt werden.

Können Frames positiv und negativ ausfallen?

Es gibt so etwas wie ein „Ideal-Candidate-Framing“. Hier wird ein Präsidentschaftskandidat oder eine Präsidentschaftskandidatin als besonders staatsmännisch und empathisch dargestellt, denn das sind nach Ansicht vieler Wählerinnen und Wähler wichtige Anforderungen an das Amt eines US-Präsidenten beziehungsweise einer US-Präsidentin. Ein Beispiel dafür sind Berichte über Auftritte der Kandidierenden vor ihren Anhängerinnen und Anhängern. Und gleichzeitig beobachten wir in der Berichterstattung auch das „Loser-Framing“, also dass die Kandidatinnen und Kandidaten sehr unvorteilhaft dargestellt werden und zum Beispiel in unangenehmen Situationen porträtiert werden und dabei teilweise unbeholfen wirken oder sich unangemessen benehmen.

US-Wahl: „US-Medienlandschaft ist viel polarisierter geworden“

Die US-Medienlandschaft unterscheidet sich zum Beispiel von der Deutschen. Wie hat sich die Medienlandschaft in den USA entwickelt?

Was wir in den USA klar feststellen können, ist, dass die Medienlandschaft viel polarisierter geworden ist. Das zeigt sich beispielsweise auch in international vergleichenden Studien. Zu erklären ist das unter anderem durch die starke Kommerzialisierung des US-amerikanischen Mediensystems.

Gibt es auch politische Faktoren, die diese Polarisierung beeinflussen?

Durch die Zuspitzung auf zwei Kandidaten finden wir in den USA, dem Land der Demokratie schlechthin, einen relativ guten Nährboden für eine polarisierte journalistische Berichterstattung.

In den USA gibt es Medienhäuser, die ganz klar Trump oder Harris befürworten. Ist das freier und fairer Journalismus?

Das ist insofern frei und fair, weil wir einen Medienpluralismus haben, also eine Diversität im Journalismus. Und da ist es absolut legitim, dass es einige journalistische Medien gibt, die den einen Kandidaten bevorzugen und dass es journalistische Medien gibt, die die andere Kandidatin favorisieren. Das bedeutet aber nicht, dass die Berichterstattung immer objektiv ist.

Gibt es eine einheitliche Linie bei der Berichterstattung über die US-Wahl?

Oftmals hört man von republikanischer Seite, dass die Medienberichterstattung verzerrt sei, dass es einen Bias in der journalistischen Berichterstattung gebe. Also beispielsweise, dass ein Großteil der Medien die republikanischen Kandidatinnen und Kandidaten negativer darstelle. Die Ergebnisse empirischer Studien deuten aber nicht darauf hin. Den Vorwurf, den viele US-Medien bekommen, der ist empirisch so nicht haltbar.

US-Wahl: „Berichterstattung über Trump ist Wasser auf Mühlen seiner Anhängerinnen und Anhänger“

Trump inszeniert sich immer wieder als Opfer der Medien. Führen negative Berichte über Donald Trump nicht eigentlich wieder zu seiner Stärke?

Die negative US-amerikanische Berichterstattung über Donald Trump ist natürlich Wasser auf die Mühlen seiner Anhängerinnen und Anhänger und spielt ihm gut in die Karten. Trump kann seine populistische Erzählweise damit bedienen und sagen: Seht her, die abgehobenen Medieneliten, die attackieren mich. Dabei bin ich doch der wahre Vertreter des Volkes, derjenige, der eure Sorgen ernst nimmt und der euch am besten repräsentieren kann.

Unabhängig, ob in den USA oder in Deutschland: Medien stehen immer wieder in der Kritik, bestimmte Narrative aufzustellen. Ist so ein Trend wirklich zu erkennen?

Wir erkennen den Trend der Negativität, weil es ein wichtiger Nachrichtenfaktor ist. Medien reagieren auf negative Ereignisse. Deswegen ist Donald Trump auch jemand, der damit aus seiner Perspektive wunderbar spielen kann, weil er den Medien genau das bietet, was sie wollen, nämlich Negativität.

Der Wahlkampf war bis jetzt geprägt von Emotionen. Gewinnt am Ende, wer die Emotionen besser nutzen und interpretieren kann?

Wir haben zurzeit eine relativ miese Stimmung in den USA und das ist ein Nährboden für Emotionen. US-Amerikanerinnen und US-Amerikaner wählen mit dem Geldbeutel. Das heißt, sie vergleichen ihre wirtschaftliche Situation mit der vor vier Jahren und schauen dann: Geht es mir eigentlich besser als vor vier Jahren oder geht es mir schlechter als vor vier Jahren?

Soziale Medien spielen eine immer wichtigere Rolle im Wahlkampf. Gewinnt am Ende die Wahl, wer erfolgreicher in den sozialen Medien ist?

Von so einem kausalen Effekt würde ich nicht sprechen, aber soziale Medien können über ein verändertes Kandidatenimage zum Erfolg beitragen. Wenn Kandidierende eine sehr gute oder effektive Kommunikationsstrategie auf Social-Media-Plattformen wählen, kann das die Wählerinnen und Wähler in ihrer Urteilsbildung über den politischen Kandidierenden beeinflussen. Beispielsweise kann man dann einen Kandidaten oder eine Kandidatin besonders sympathisch finden, weil er oder sie sich bürgernah inszeniert. Dieser veränderte Sympathiefaktor kann sich wiederum auf das Wahlverhalten auswirken. Aber die letztliche Wahlentscheidung hat in der Regel mehrere Faktoren.

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