8000 Nordkorea-Soldaten in Kursk bestätigt – Sorge vor Eskalation im Ukraine-Krieg wächst
Bruch des Völkerrechts oder nicht: Der Westen lässt Russland gewähren mit seinen nordkoreanischen Truppen; die stehen demnächst in den Schützengräben.
Kursk – „Wir haben diese Truppen noch nicht im Kampf gegen ukrainische Streitkräfte gesehen, aber wir erwarten, dass dies in den kommenden Tagen geschieht“, sagte Antony Blinken; den U.S.-amerikanischen Außenminister zitiert gerade Newsweek. Die USA verkünden mit dem Nimbus der Gewissheit, dass aktuell 8000 nordkoreanische Soldaten bei Kursk stünden – offenbar um den infanteristischen Kampf Wladimir Putins gegen die Ukraine zu verstärken. Allerdings weist die Weltpresse zwei mögliche Szenarien aus; und ist vermutlich gegen keine davon gewappnet.
Mark Rutte bietet beide Möglichkeiten an: Die Entsendung nordkoreanischer Truppen durch Moskau stelle „eine erhebliche Eskalation der anhaltenden Beteiligung Nordkoreas an Russlands illegalem Krieg“ und „eine gefährliche Ausweitung des russischen Krieges“ dar, wie den Nato-Generalsekretär das Magazin Politico wiedergibt. Allerdings diagnostiziert der Holländer diese Maßnahme als das letzte Aufgebot des russischen Kriegstreibers und deutet die Mobilisierung als „ein Zeichen von Putins wachsender Verzweiflung“, wie Politico schreibt.
Nordkorea im Gefecht: Präsident Wolodymyr Selenskyj sendet seine gewohnte Botschaft
„Was kann der Westen gegen die Truppenentsendung Nordkoreas an Russland tun?“, fragt in diesem Zusammenhang der Business Insider; und fügt hinzu: „Es gibt nicht viel, wovor der Westen nicht schon zurückgeschreckt wäre.“ Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sendet dementsprechend seine gewohnte Botschaft.
„Berichten des südkoreanischen Geheimdienstes zufolge wurden die in Russland eingesetzten nordkoreanischen Soldaten mit russischen Militäruniformen und gefälschten Ausweispapieren ausgestattet. Damit könnte sichergestellt werden, dass die Truppen nicht mehr Nordkorea, sondern Russland zuzurechnen wären“
Damit sei ein neues Kapitel im Ukraine-Krieg aufgeschlagen worden, sagte jüngst der ukrainische Staatschef nach Angaben von Politico. „Die Stimme der Vereinigten Staaten, die Stimme der Nato, die Stimme der westlichen Partner, die Stimme des globalen Südens und Chinas ist jetzt nicht so laut, wie sie sein müsste, wenn es um das nordkoreanische Kontingent auf russischem Territorium geht“, sagte Selenskyj auf dem Gipfel des Nordischen Rates in Reykjavík, so das Magazin.
Ob die westlichen Partner der Ukraine ihre Stimme gegen Wladimir Putin jetzt erheben sollten, bleibt so umstritten, wie so viele Entscheidungen bisher hin- und hergewälzt wurden, bis deren Antwort kaum noch Bedeutung und ihr ursprüngliches Ziel im Kern verfehlt hatte – beispielsweise die Lieferung von Kampfjets zur Stärkung der ukrainischen Souveränität an deren eigenem Himmel. Jetzt könnten die nordkoreanischen Soldaten im Raum Kursk militärische Fakten schaffen, die der Westen zunächst ausgiebig beobachtet.
Meine news
Nordkorea als Kriegspartei in den Ukraine-Krieg: Der Westen handelt der Lage angepasst
Wie der deutsche General Christin Freuding seit Kriegsausbruch betont, handle der Westen der Lage angepasst. Die Lage könnte sein, dass Nordkorea als Kriegspartei in den Ukraine-Krieg eintritt: „Für die Rechtsstellung als Kriegspartei und die Anwendung des Kriegsrechts kommt es heute deshalb nicht mehr auf den subjektiven Willen der Staaten zum Krieg, sondern ausschließlich auf den objektiven Tatbestand des internationalen bewaffneten Konflikts an. Ein solcher liegt vor, sobald ein Staat gegen einen anderen Staat Waffengewalt einsetzt“, schreibt Stefan Talmon.
Der Völkerrechtler der Universität Bonn legte gleich zu Beginn des Ukraine-Krieges auf seinem „Verfassungsblog“ dar: Voraussetzung für die Rechtsstellung als Kriegspartei sei ursprünglich gewesen, dass ein Staat nach außen seinen Kriegswillen zum Ausdruck brachte, beispielsweise durch eine formelle Kriegserklärung – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte seine Ablehnung von Taurus-Lieferungen immer damit begründet, keinesfalls als Kriegspartei gelten zu wollen. Insofern könnte die Entsendung von Truppen im aktiven Frontkampf eben jene rechtliche Einordnung Nordkoreas nach sich ziehen.
Möglicherweise fehlte dazu aber auch die Erkennbarkeit nordkoreanischer Soldaten als solche – sofern sie das russische Hoheitszeiten am Ärmel trügen, wäre diskutabel als welches Staates Diener sie kämpften: Wenn die nordkoreanischen Soldaten unter ihrer eigenen Flagge gegen die Ukraine anträten, sähe die Legal Tribute Online einen klaren Bruch des Völkerrechts. „Berichten des südkoreanischen Geheimdienstes zufolge wurden die in Russland eingesetzten nordkoreanischen Soldaten mit russischen Militäruniformen und gefälschten Ausweispapieren ausgestattet. Damit könnte sichergestellt werden, dass die Truppen nicht mehr Nordkorea, sondern Russland zuzurechnen wären“, schreibt das Magazin.
Putins Hilfstruppen: „Ukraine wird gezwungen sein, in Europa gegen Nordkorea zu kämpfen“
Etwas komplexer sieht das Alexander Wentker, der in seiner Dissertation an der Stanford University den Begriff „Ko-Partei“ verwendet hat – Wentker zufolge reiche für eine Ko-Partei bereits der zurechenbare Beitrag zum Konflikt mit einem direkten operationalen Bezug zu Kampfhandlungen; diese Partei müsste in die Entscheidungsprozesse zu konkreten Militäroperationen involviert sein und beides müsste von der Ko-Partei wissentlich unternommen werden. Möglicherweise habe insofern die Motivation von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un hinterfragt zu werden – schickt er nur Truppen als reines Menschenmaterial aus einem autokratischen Menschenbild heraus, oder will er ebenfalls in der Ukraine einen Krieg gewinnen?
„Die Ukraine wird gezwungen sein, tatsächlich in Europa gegen Nordkorea zu kämpfen“, sagte Wolodymyr Selenskyj in einer seiner jüngsten Abendansprachen via Telegram, wie der Business Insider veröffentlichte – was nach einer Ausweitung der Kampfhandlungen auf einen dritten Staat klingt. Deutschlands Politiker bringen sich bereits in Stellung – möglicherweise wohl wissend, dass im Falle des Falles andere als sie selbst in der Verantwortung stünden, das eigene Land in einen Krieg zu verwickeln.
Europäische Union soll Stärke und Abschreckung zeigen: Russland sieht sich in der Defensive
So hat sich jüngst im Magazin Stern, der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter aus dem Wahlkreis Aalen-Heidenheim offensiv geäußert: „Die Sorge vor einem Weltkrieg ist nachvollziehbar – Sorge und Beschwichtigung verhindern aber keine Eskalation“, sagte der ehemalige Bundeswehr-Oberst. Er forderte von Europa Stärke und Abschreckung: „Deutschland kann noch so oft sagen, dass wir keine Kriegspartei sein wollen, wenn uns Russland als Kriegsziel sieht. Putin sagt das ganz offen“, so Kieswetter im Stern.
Laut dem Rat der Europäischen Union sende die zunehmende militärische Zusammenarbeit Russlands mit Nordkorea eine klare Botschaft aus: Trotz der erklärten Verhandlungsbereitschaft sei Russland nicht ernsthaft an einem gerechten, umfassenden und dauerhaften Frieden interessiert. Tatsächlich sieht sich Russland in der Defensive.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow hat aktuell über die russische Nachrichtenagentur Interfax verlauten lassen, Russland „betrachte Aufrufe aus dem Westen, wegen Nordkorea Truppen in die Ukraine zu schicken, als einen Versuch, das bereits Geschehene zu rechtfertigen“. Im Gegenteil sähe Russland die Militärhilfe aus Nordkorea als dringend geboten, um dem, ihm zufolge, bereits lange laufenden hybriden Krieg der Nato und der Europäischen Union gegen sein Land wirksam entgegentreten zu können.
Kim und Putins Strategie: Ernster Test für die Entschlossenheit des Westens
Nordkorea könnte auch den letzten Sargnagel in die westlichen Bündnisse treiben: Als „einen viel ernsteren Test für die Entschlossenheit des Westens, als den meisten Menschen derzeit bewusst ist“, bezeichnete Edward Hunter Christie die aktuelle geopolitische Entwicklung gegenüber dem Business Insider. Der ehemalige Nato-Funktionär sieht eher die Partnerschaft des Westens in Gefahr als den Weltfrieden.
Dem Magazin nach sprach sich der Analyst des finnischen Instituts für Internationale Angelegenheiten genauso wie andere Beobachter dafür aus, eine übergeordnete Strategie zu entwickeln. Offensichtlich gebührt Wladimir Putin immer noch der Vortritt, den Gang der Dinge zu bestimmen. Böse formuliert, führt er den Westen vor, weil dessen Staaten so viel Engagement zeigen, wie sie müssen und so wenig wie möglich. Sie schieben eine Eskalation so weit vor sich her, wie irgendwie geht.
Gegenüber dem Business Insider geißelte Edward Hunter Christie das als einen Irrweg: „Die Tatsache, dass dank Nordkorea nun eine ernsthafte Eskalation möglich sei, ist ein Hinweis auf das Scheitern dieser Politik.“