Druckmittel für China: Sanktionen treiben Putin weiter in die Arme von Xi

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Russlands Wirtschaft will mehr Kooperation mit China. Darin stecken jedoch Risiken. Schon jetzt ist Putin von Xi abhängig – und China weiß das zu nutzen.

Moskau – Nachdem westliche Industrienationen ihre Geschäftsbeziehungen zu Russland zunehmend gekappt hatten, war China in die Bresche gesprungen. Innerhalb kürzester Zeit wuchs das Handelsvolumen zwischen den beiden Riesen-Nationen drastisch. Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin war es gelungen, mit Öl- und Gasverkäufen einen Teil der finanziellen Schäden abzufangen. Sein chinesischer Kollege weiß jedoch genau, wie es den maximalen Profit erreichen kann. Und jetzt will Russland die Energiekooperation mit China erweitern.

Russland rückt an China heran: Höhere Investments in Energiesektor sollen Russlands Wirtschaft stützen

Aktuell besteht diese zu einem großen Teil aus der Lieferung von Kohlenwasserstoffen – das reicht Russland jetzt nicht mehr. Igor Setschin, CEO des russischen Energiekonzerns Rosneft, sagte dazu, die Kooperation ziele auf „die nächste Stufe der Beziehungen“ ab, auf eine Stärkung der Koordinierung „entlang der gesamten Wertschöpfungskette im Energiebereich und verwanden Gebieten“.

Chinas Präsident Xi Jinping und der russische Präsident Wladimir Putin.
Chinas Präsident Xi Jinping und der russische Präsident Wladimir Putin (Symbolfoto). Russland will mehr Kooperation mit China. Darin stecken jedoch Risiken. Schon jetzt ist Putin von Xi abhängig – und China weiß das zu nutzen. © IMAGO / ITAR-TASS/Sergei Guneyev

Das umfasse außerdem fortschrittliche Technologien, Maschinen, modernen Schiffbau und „gemeinsame Teilnahme an wissenschaftlichen Forschungen und Experimenten“. Laut Energy Intelligence benötigt Russlands Wirtschaft weitere Direktinvestitionen in den russischen Energiesektor und verwandte Technologien. Auf dem Russland-China-Energiewirtschaftsforum am 23. Juli rief Setschin dazu auf, entsprechende Investitionen hochzufahren. Der russische Energiesektor biete „eine hohe Investitionsrentabilität“ und „kein Kapitalrenditerisiko“.

China hatte sich seit dem russischen Angriff auf die Ukraine zunehmend als „Rettungsleine“ für Russlands Wirtschaft erwiesen. Nachdem der Westen zunehmend Sanktionen eingesetzt und sich von Russland abgewendet hatte, nahmen die Importe russischer Güter nach China drastisch zu. Im Jahr 2023 waren die Importe von russischem Öl um 24 Prozent auf etwa 2,15 Millionen Barrel pro Tag gewachsen (Energy Intelligence). Auf der anderen Seite aber haben chinesische Investoren es nicht eilig, die westlichen Einkäufe restlos zu ersetzen. Zum Vergleich: Deutschland, Polen und die OECD-Länder in Europa hatten 2021 noch mehr als 2,25 Millionen Barrel pro Tag gekauft (US Energy Information Administration).

Wie abhängig Russlands Wirtschaft von China ist – und warum das ein Druckmittel ist

Setschins Aufrufe verdeutlichen ein gerade neu wachsendes Problem von Russlands Wirtschaft: eine drastische Abhängigkeit von China. Russland braucht seinen asiatischen Partner viel mehr als andersherum – was untere anderem daran liegt, dass China unsanktioniert Zugriff auf westliche Hightech-Komponenten und andere Güter hat, die Russland so dringend braucht. Ein frisches Beispiel dafür sind die Tankschiffe der Eisklasse, die Russland für ein wichtiges LNG-Projekt in Sibirien benötigt. Südkorea, das hier mit dem Bau beauftragt war, hatte den Auftrag kurzerhand auf Eis gelegt – Russland rief jetzt zur Zusammenarbeit mit chinesischen Werften auf, um die Aufgabe zu erfüllen.

Ein weiteres Beispiel ist die „Power of Siberia“–Pipeline, die aktuell russisches Gas nach China bringt. Russland will eine zweite Pipeline ins chinesische Gebiet bauen, weil die schon laufende Röhre nicht mit der gewaltigen Produktion hinterherkommt. Viel gravierender dürfte für Russlands Wirtschaft aber der Gaspreis sein. Xi Jinping hatte schon früh erkannt, in welch vorteilhafter Position er sich beim russischen Gas befindet, und entsprechende Preise für den Import herausgehandelt.

Das Resultat: Gazprom nimmt mit dem chinesischen Handel nur ein Bruchteil dessen ein, was der europäische Markt vor 2022 bezahlt hatte. Zudem sind die Transportkosten in der „Power of Siberia“-Pipeline höher. „China hat nun alle Trümpfe in der Hand, und Gazprom ist in einer ausweglosen Situation“, hatte Michail Krutichin vom Beratungsunternehmen RusEnergy gegenüber der Welt gesagt. Gleichzeitig aber hat Russland nicht wirklich eine Wahl – es darf China nicht als Gaskunden verlieren, da die ohnehin angeschlagenen Einnahmen aus den Gasverkäufen weiter einbrechen könnten.

Sanktionen erdrücken Russlands Wirtschaft – steuert Russland gegen?

Dass Setschin jetzt dazu aufruft, auch im Bereich wichtiger Technologie mit China gemeinsame Sache zu machen, passt auch mit der Einschätzung des Carnegie Russia Eurasia Centers zusammen. Dieses ging in einer Analyse vom April 2024 davon aus, dass Russland durch die westlichen Sanktionen enorme Einbußen bei kritischer Technologie zu erwarten habe. Der wirtschaftliche Kollaps bleibe zwar aus, aber dafür wachse die Kluft zwischen Russland und dem Westen, was Hightech, erneuerbare Energien und die Konstruktion moderner Öltanker angehe.

Langfristig, soweit die Prognose, sollen die Sanktionen das Potenzial von Russlands Wirtschaft deutlich einschränken. Dass China genau diese Lücke jetzt schließen soll, lässt den Schluss zu, dass der Kreml um die tatsächliche Wirkung der Sanktionen weiß – auch, wenn es aus Moskau stets heißt, sie seien nutzlos.

Allerdings ist China quasi zwischen dem Kreml-Herrscher und den westlichen Sanktionen gefangen. Dass sich das „Reich der Mitte“ nicht immer für Russland entscheidet, zeigten zuletzt die russischen Importe, die per Bahn von China nach Russland gelangen. Seit Mai hatte China rund die Hälfte der Zahlungen verweigert, die russische Unternehmen in diesem Rahmen leisteten. Das war als Vorsichtsmaßnahme der Chinesen zu werten, die nicht mit den Sanktionen des Westens in Konfrontation geraten wollten.

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