Haushaltsplan für 2025 - In Lindners Steuerschätzung steckt eine erstaunliche Rechnung des Finanzministers

Mit einem launigen „Guten Morgen, meine Damen und Herren“ hat Christian Lindner am Donnerstagnachmittag um 15 Uhr (Berliner Ortszeit) seine Pressekonferenz zur Bekanntgabe der neuesten Steuerschätzung begonnen. Das lag vor allem daran, dass der Bundesfinanzminister sich derzeit in Washington zur Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds aufhält. Und dort begann die Pressekonferenz eben um 9 Uhr Ortszeit.

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Vor Steuerschätzung klaffte Lücke von mindestens zwölf Milliarden Euro

Aber das „Guten Morgen“ konnte auch wie ein Weckruf wirken – jedenfalls nutzte Lindner den Auftritt, um einmal mehr harte Sparmaßnahmen anzumahnen, damit im Haushalt für 2025 die Einnahmen und die Ausgaben ins Lot gebracht werden können. 

Bekanntlich klaffte da vor der Steuerschätzung noch eine Lücke von mindestens zwölf Milliarden Euro.

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Nun aber nannte der Finanzminister einen neuen Handlungsbedarf von 13,5 Milliarden Euro. Und verband das mit der dramatischen Feststellung, man sei nun in dem von ihm so genannten „Herbst der Entscheidungen“ angekommen.

Wir sind im Herbst der Entscheidungen angekommen (Christian Lindner)

Andererseits steht in der Steuerschätzung schwarz auf weiß, dass der Bund gegenüber der Schätzung vom Mai (die Basis war für den Etatentwurf des Kabinetts vom Juli) 700 Millionen Euro mehr an Steuereinnahmen erwarten darf. 

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Doch wie kommt diese Diskrepanz zustande? Und wie dramatisch ist die Situation denn nun?

Die Erklärung ist nicht einfach, und auch Lindner und sein Haushaltsstaatssekretär Wolf Reuter brauchten einige Runden, um mehr Klarheit zu schaffen. 

Denn die Mehreinnahmen von 700 Millionen Euro sind weit weniger, als die Regierung selbst angenommen hatte.

Die Wachstumsinitiative bringt also nach der Berechnung des Arbeitskreises der Steuerschätzer – Fachleute aus den Finanzministerien des Bundes und der Länder, von Verbänden, der Bundesbank und Wirtschaftsinstituten – weniger als gedacht. 

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Es sei nicht die Belebung, die man ursprünglich erwartet habe, sagt Lindner und mahnt, die Wachstumsinitiative müsse deutlich ausgeweitet werden.

Über eine Vorsorge hatte Lindner eigentlich Mehreinnahmen in Höhe von 14,3 Milliarden Euro in den Etat eingepreist und dabei auch auf die Konjunkturmaßnahmen gesetzt. Sie müssen nun, folgt man dem Finanzministerium, von den 700 Millionen abgezogen werden – und schon hat man den neuen Handlungsbedarf von etwa 13 Milliarden.

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Wo Lindner das fehlende Geld hernehmen will

Wie der zu decken wäre, dazu hat Lindner am Donnerstag eine klare Meinung vorgetragen. Er will dafür die sieben Milliarden Euro nutzen, die als Subvention für die mittlerweile auf Eis liegende Ansiedlung des Intel-Halbleiterwerks bei Magdeburg im Klima- und Transformationsfonds (KTF) vorgesehen sind. Das Geld soll aus dem Nebenetat KTF in den Kernhaushalt zurückfließen.

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Damit wäre der Konsolidierungsbedarf auf etwa sechs Milliarden Euro reduziert. Wegen der Konjunkturschwäche darf die Regierung aber 2025 auch mehr neue Kredite aufnehmen, ohne mit der Schuldenbremse zu kollidieren. 

Kommt die Ampel mit einem blauen Auge davon?

Und zwar etwa fünf Milliarden Euro. Womit der sich aus der Steuerschätzung ergebende zusätzliche Handlungsbedarf auf etwa eine Milliarde Euro schrumpft.

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Also kommt die Ampel mit einem blauen Auge davon? Hat Lindner mit seinen Forderungen nach mehr Wachstumspolitik und Kürzungen bei den Sozialausgaben überzogen? Wer weiß. Aber es gibt tatsächlich noch den Handlungsbedarf, den es schon vor der Steuerschätzung gab.

Denn im Etat klafft ein Loch von mindestens zwölf Milliarden Euro, das zunächst über eine Globale Minderausgabe (GMA) gedeckt wurde. Das ist an sich eine übliche Maßnahme, allerdings nicht in dieser Höhe. Um verfassungsrechtliche Risiken auszuschließen, soll die GMA daher um 2,4 Milliarden Euro gesenkt werden – aber wie, das ist offen.

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Lindner: „Nichts weiter, als auf die Realitäten hinzuweisen“

Alter und neuer Handlungsbedarf addieren sich so auf drei bis vier Milliarden Euro. Dazu kommen noch mögliche „Zusatzbedarfe“. Den Ausdruck wählte Reuter für mögliche Mehrausgaben beim Bürgergeld oder der Strompreissubventionierung, die der Staatssekretär aber nicht näher benannte.

Lindner wählte schließlich die Formulierung, dass der gesamte Handlungsbedarf „näher an zehn Milliarden als an einer Milliarde“ sei. Zum Abschluss, nach einem Dutzend Fragen, meinte der Finanzminister, er verbinde mit der Pressekonferenz „nichts weiter, als auf die Realitäten hinzuweisen“. Aber selten war es so zäh, diese am Ende einigermaßen genau beziffert zu bekommen.

Von Albert Funk

Das Original zu diesem Beitrag "Lindners Steuerschätzung: Die erstaunlichen Rechnungen des Finanzministers" stammt von Tagesspiegel.