Syrien, Ukraine-Krieg, Trump-Rückkehr: „Es gibt in Berlin niemand, der den Ton angeben kann“

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Nach dem Ampel-Aus hat Deutschland bis zur Bundestagswahl keine funktionierende Regierung. Was bedeutet das für die Handlungsfähigkeit der Republik?

Ob Ukraine-Krieg, der bedrohliche Aufstieg Chinas oder der erneute Sieg von Donald Trump bei der US-Wahl: Unsere Welt ist im Umbruch. Autoritäre Regime haben Aufwind, westliche Demokratien geraten in der Defensive. Für IPPEN.MEDIA blickt Alexander Görlach in der Videokolumne „Görlachs Weltgeschehen“ regelmäßig auf die Brennpunkte dieser Welt. Görlach ist Geopolitik-Experte und unterrichtet an der New York University.

Herr Görlach, ist Deutschland nach dem Ampel-Aus international noch handlungsfähig?

Die Frage, ob die Bundesrepublik nach dem Aus der Ampel-Koalition international handlungsfähig bleibt, drängt ja gleichzeitig die Frage auf, ob sie es zuvor denn gewesen ist. Und wenn man sich daran erinnert, dass es sehr lange gedauert hat, bis die Ampel die China-Strategie veröffentlicht hat, die dann gegensätzlich interpretiert wurde, also der Bundeskanzler in China etwas anderes tat als die Außenministerin, das legt den Schluss nahe, dass es zuvor nicht ganz rund lief. Und jetzt, in einem Vakuum – wenn man nach Syrien schaut, wenn man auf den Verlauf des Ukraine-Kriegs schaut, wenn man auch auf die Amtseinführung von Donald Trump schaut: In diesem Moment, in diesem wichtigen Moment für die internationalen Beziehungen gibt es in Berlin niemand, der den Ton angeben kann.

Was bedeutet das für den Ukraine-Krieg?

Welche Auswirkungen das auf den Kriegsverlauf in der Ukraine hat, wird sich im Wahlkampf für die Bundestagswahl zeigen. Bisher waren die USA und die Bundesrepublik die größten Geber humanitärer und militärischer Hilfen für die Ukraine. Es könnte sein, dass im Bundestagswahlkampf daran gerüttelt wird. Denn auch in Deutschland hat sich eine gewisse Kriegsmüdigkeit breitgemacht. Und mittlerweile haben ja von CDU bis AfD Politikerinnen begonnen, mit leicht xenophoben Untertönen auch die Ukrainer zu belegen: dass sie unter anderem schneller zum Arzt gehen könnten als Bundesdeutsche. All das lässt vermuten, dass das Thema sicherlich auch im Bundestagswahlkampf aufkommen wird.

Für Putin selber dürfe das von wenig Interesse sein, wie sich die Bundesrepublik hier neu positioniert. In Europa geben, wenn überhaupt, die Franzosen, und außerhalb der Europäischen Union die Briten, den Ton an. Man wird, so wie es aussieht, in diesem Kontext keine Berliner Stimme vermissen.

Zur Person

Professor Alexander Görlach unterrichtet Demokratie-Theorie und -Praxis an der New York University. Der Geopolitik-Experte hatte verschiedene Positionen an der Universitäten Harvard und Cambridge inne. Unter anderem erschien von ihm „Alarmstufe Rot: Wie Chinas aggressive Außenpolitik im Westpazifik in einen globalen Krieg führt“ (2022).

Alexander Görlach
Alexander Görlach © Hong Kiu Cheng

„Einige der Stimmen, die nach dem Ende der Assad-Diktatur in Syrien zu vernehmen sind, sind unappetitlich“

Wird Donald Trump das deutsche Regierungschaos ausnutzen?

Welches Verhältnis die Bundesrepublik nach der Bundestagswahl mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump haben wird, das wird sich zeigen. Im Moment ist noch wirklich vieles oder sogar alles offen. Donald Trump hat sich ja mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj getroffen, nach der Einweihung der wiederhergestellten Notre-Dame-Kathedrale in Paris. Das hat die Beobachter schon aufhorchen lassen. Vielleicht gibt es ja in der Tat doch mehr und weiter Unterstützung für die Ukraine aus den USA.

Die Personalien, die Donald Trump für Außen und Sicherheit und auch für das Außenministerium festgelegt hat, sind ja eher traditionelle, wenngleich China-skeptische Politiker, dennoch sehr erfahrene Außen- und Sicherheitspolitiker, sodass es auch sein kann, dass diese in der Lage sind, Donald Trump in eine Richtung zu bewegen, dass die USA weiter die Ukraine unterstützen. Natürlich kann es sein, dass es ganz anders kommt, denn bei Donald Trump wissen wir das nicht. Es kann also auch sein, dass wie in der ersten Amtszeit er versucht, die ein oder andere Nation in Europa mehr für sich einzunehmen. Er ist ja mehr ein bilateraler als ein multilateraler Charakter, wenn man das so sagen darf. Von daher bleibt es spannend, und man muss wirklich abwarten, wie sich seine neue Administration nach der Amtseinführung positionieren wird.

Kann Deutschland derzeit angemessen auf die Situation in Syrien reagieren?

Einige der Stimmen, die jetzt nach dem Ende der Assad-Diktatur in Syrien aus dem deutschen Diskurs zu vernehmen sind, sind unappetitlich und unangebracht. Im Moment besteht noch keinerlei Grund zu den Überlegungen, ob und wann syrische Geflüchtete zurück in ihr Heimatland gehen können. Im Moment ist also die Syrien-Frage in Deutschland eher eine innenpolitische, die im Bundestagswahlkampf instrumentalisiert werden wird. Von daher ist es vielleicht alles andere als schlecht, dass sich die Bundesrepublik hier international nicht so sehr mit ins Gespräch bringen kann, als das in normalen Zeiten mit einer funktionierenden Bundesregierung wahrscheinlich der Fall wäre.

Auch interessant

Kommentare