Trump will Ukraine-Krieg beenden – Olaf Scholz äußert sich deutlich: „Kein Diktatfrieden“
Im Interview spricht Kanzler Olaf Scholz über den Ukraine-Krieg, den München-Anschlag, die „Hofnarr“-Debatte – und die Zeit nach der Bundestagswahl.
München/Fürth – Der Kanzler spricht auffällig leise, fast im Flüsterton. Will er Kräfte sparen im Endspurt vor der Bundestagswahl? Die Stimme schonen? Vielleicht ist es auch Ausdruck der Erschütterung: Nur wenige Stunden, bevor wir Olaf Scholz am Donnerstag zum Gespräch treffen, ist in München ein Auto in eine Menschenmenge gefahren. Dutzende wurden teils schwer verletzt. „Es ist furchtbar, was da passiert ist“, sagt Olaf Scholz. „Das sollte im Mittelpunkt all dessen stehen, was uns jetzt umtreibt.“
Olaf Scholz über den München-Anschlag: Abschiebeflüge müssen „regelmäßig geschehen“
Inzwischen ist klar: Der mutmaßliche Täter ist ein Asylbewerber aus Afghanistan. Wie in Solingen. Wie in Aschaffenburg. Man müsse jetzt „mit allen Möglichkeiten der Justiz strengstens gegen den Täter“ vorgehen, so Scholz. „Wer Straftaten in Deutschland begeht, kann nicht damit rechnen, dass er in Deutschland bleiben kann.“ Es werde bald erneut Abschiebeflüge geben, „das muss regelmäßig geschehen“, sagt der Kanzler.

Der Umgang mit dem Thema Migration ist längst das alles beherrschende Wahlkampfthema. Die SPD setzt im Wahlkampf auch auf ein sozialdemokratisches Kernthema: soziale Gerechtigkeit. Auch zu Ampel-Zeiten haben die Genossen durchaus geliefert bei Mindestlohn, Rente und Kindergeld. Nur: Ist das jetzt die richtige Politik zur falschen Zeit? „Nein“, sagt Scholz entschieden. Es gehe um die Menschen, die sich jeden Tag anstrengen, die breite Mitte – für die sei das die richtige Politik.
AfD vor Bundestagswahl bei über 20 Prozent – Scholz über Ampel-Fehler
Derweil steht die AfD in Umfragen zur Bundestagswahl bei über 20 Prozent, während die SPD bei um die 15 Prozent eingefroren ist. Ein deutlicher Rechtsruck geht durch die Gesellschaft. Welchen Anteil hat die Scholz-Politik am Aufstieg der AfD? Den Stiefel mag sich der Kanzler nicht anziehen, verweist auf globale Trends. Auch in den Nachbarländern seien die Extremen im Aufwind: „Finnland, Schweden, Niederlande – ich könnte die Aufzählung ziemlich verlängern“, sagt er. „Gerade wäre es beinahe dazu gekommen, dass eine Partei wie die AfD den nächsten österreichischen Kanzler gestellt hätte.“
Dann doch so etwas wie ein Eingeständnis, wenn auch arg verklausuliert: Er könne nicht verhehlen, „dass die Art und Weise, wie Entscheidungen in der letzten Regierung zustande gebracht werden mussten, die Sache nicht leichter gemacht hat“.

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Der Kanzler ist fokussiert im Gespräch, äußerlich ruhig, die Hände meist ineinander gelegt. Eine typische Scholz-Geste, staatsmännisch und analog zur berühmten Merkel-Raute – ein Kniff, den Rhetorik-Coaches Politikern beibringen, falls die mal nicht wissen, wohin mit ihren Händen. Als es um den Berliner Kultursenator Joe Chialo geht, fängt Scholz dann doch an, lebhafter zu gestikulieren. Den hat er „Hofnarr“ genannt und damit für einen Eklat gesorgt. Öffentlich entschuldigen will er sich nicht. „Ich habe mit ihm gesprochen. Das war wichtig und das gehört sich auch so. Wir haben uns unterhalten und ich glaube, dass es der Sache dienlich ist, es dabei bewenden zu lassen“, sagt Scholz.
Debatte um „Hofnarr“-Äußerung gegen Joe Chialo: „Ich finde, man darf sich streiten“
Seine Rechtfertigung klingt ein wenig trotzig: „Ich finde, man darf sich, gerade wenn es um eine ernste Angelegenheit geht, ganz bewusst streiten“, so Scholz. Und die ernste Angelegenheit sei der „Tabubruch der CDU“, als sie mit Stimmen der AfD im Bundestag eine Mehrheit für einen Antrag erwirkt hatte: „Das ist keine coole Angelegenheit.“ Auch den Rassismus-Vorwurf, den ihm manche Medien und einige Unions-Politiker wegen der „Hofnarr“-Geschichte machen, weist er zurück. Die SPD wittert gar eine Kampagne gegen ihren Kanzlerkandidaten kurz vor der Bundestagswahl. Am Ende werden es Juristen klären, Scholz hat schon seine „Anwälte losgeschickt“, wie er im Gespräch sagt. Chialo selbst hatte gesagt, die Wortwahl sei „verletzend und herabwürdigend“ gewesen.
Anfang des Jahres erst war Scholz selbst in der Rolle des Narren: Tech-Milliardär Elon Musk hatte ihn via Twitter so bezeichnet. Wie hat sich das für den Kanzler angefühlt? „Ich habe das abgeschüttelt. Er beleidigt ziemlich viele Leute jeden Tag und das beeindruckt mich gar nicht. Was mich sehr bedrückt, ist, dass ein mächtiger Medienunternehmer zur Wahl extrem rechter Parteien in Europa aufruft.“ Das dürfe man nicht hinnehmen.
Scholz über Ukraine-Krieg: Gut, dass Trump und Putin miteinander sprechen
Während Olaf Scholz mit uns in Fürth beim Gespräch sitzt, laufen in München die letzten Vorbereitungen zur Sicherheitskonferenz. Das alles beherrschende Thema am Siko-Wochenende: der Ukraine-Krieg. Inzwischen hat sich US-Präsident Donald Trump eingeschaltet, hat mit Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Wie findet der Bundeskanzler das? Es sei gut, dass der amerikanische Präsident und der russische Präsident miteinander sprechen, sagt Scholz. Und natürlich betont er schnell noch seine eigene Rolle: „Sie wissen, ich habe auch mit dem russischen Präsidenten immer mal gesprochen, auch um ihm klarzumachen, dass wir unverändert hinter der Ukraine stehen und dass er nicht damit rechnen kann, dass unsere Unterstützung nachlässt.“
Klarer Appell beim Thema Ukraine: „Es darf keinen Diktatfrieden geben“
Dann wird er deutlich: Es gehe um das Signal, „dass keine Entscheidung über die Köpfe der Ukrainer hinweg getroffen werden darf“. Das müsse klar sein. „All das, was jetzt miteinander besprochen wird, muss eine Entscheidung sein, die für die Ukraine richtig ist. Es darf keinen Diktatfrieden geben“, macht der Kanzler klar. Die Ukraine müsse das, „was sie nun drei Jahre gegen den russischen Angriff mit unserer Unterstützung verteidigt hat, nämlich ihre Unabhängigkeit und Souveränität, ihre Demokratie, auch in Zukunft sichern können“.

Nach dem Ampel-Aus und einer wochenlangen Hängepartie, während der sich die SPD nicht recht entscheiden mochte, ob nicht vielleicht doch Boris Pistorius ihr Kanzlerkandidat sein soll, hätte Scholz auch einfach hinwerfen können. Was hat denn seine Frau gesagt habe, als er sich entschlossen hat, noch einmal anzutreten? „Das habe ich ihr ja nicht gestanden, sondern darüber haben wir diskutiert. Und sie ist sehr dafür.“
Was, wenn Merz Kanzler wird? Scholz wird lauter
Dann wird die Stimme des Kanzlers erstmals etwas lauter im Gespräch. Schluss mit Flüsterton, als er die Frage beantwortet, wie es für ihn weitergeht, falls er bald vielleicht nicht mehr Kanzler ist. „Ich stelle mich der Bundestagswahl, um Kanzler zu bleiben.“ Klares Ausrufungszeichen. Und wenn Friedrich Merz Kanzler wird? Bleibt Scholz im Bundestag? Auf solche Gedankenspiele lässt sich der Kanzler nicht ein. „Ich mache Wahlkampf, damit die SPD die Wahl gewinnt.“