Schlafwagen-Kanzler versagt bei ZDF-Sendung „Klartext“: Ein Satz zeigt Scholz‘ ganze Überheblichkeit
Kurz vor der Bundestagswahl können im ZDF nur zwei der vier Kandidaten überzeugen. Der Kommentar zur Sendung „Klartext“.
Vier Kanzlerkandidaten. Vier Diskussionen mit Zuschauern. In einem ZDF-Wahlformat soll am Donnerstagabend „Klartext“ gesprochen werden. Das gelingt aber nicht immer. Mit dabei sind Olaf Scholz, Robert Habeck, Alice Weidel und Friedrich Merz. Nicht jeder von ihnen überzeugt; allen voran Kanzler Scholz fällt durch.
Olaf Scholz versagt bei ZDF-Sendung zur Bundestagswahl
Den Anfang macht Olaf Scholz, der gleich mal ordentlich Kontra aus dem Publikum bekommt. Eine Frau aus Solingen fragt nach einer „moralischen Mitschuld“ des Kanzlers bei Anschlägen. Rumms. Scholz spricht von besserer Überwachung von Straftätern und Abschiebungen, kommt insgesamt aber nicht über die üblichen Worthülsen hinaus („Innere Sicherheit mit größter Priorität behandeln“).
Der SPD-Politiker fährt an diesem Abend die schon gewohnte wie durchschaubare Strategie: Regelmäßig betont er, was er und seine Regierung alles richtig gemacht hätten. Er spricht von einer „Führungskraft, wie man sie höher nicht haben kann“. Wow, was für eine Überheblichkeit. Einsicht und Selbstkritik gleich null.
Ansonsten bleibt der Kanzler ruhig und wie gewohnt sachlich. Fast schon einschläfernd. Die ZDF-Kameras fangen einen jungen Zuschauer ein, der wegnickt. Von keinem der sechs Fragenstellern und auch nicht von Moderator Sievers lässt sich der Kanzler wirklich aus der Reserve locken. Dabei würde es dem ungeliebten Kandidaten durchaus guttun, mal aus sich herauszukommen.
Scholz ist laut Umfragen der unbeliebteste der vier Kandidaten und seine SPD rangiert hinter der AfD. Ein derart schwacher Kandidat sollte jede Chance zu punkten nutzen. Doch Scholz versucht gar nicht erst, auf Angriff zu setzen. „Ich spiele auf Sieg, ich will gewinnen“, sagt er zum Ende seines Auftritts. Um zu gewinnen, muss man aber auch Tore erzielen. Das hat Scholz an diesem Abend einmal mehr verpasst.
Robert Habeck gibt sich vor Bundestagswahl locker – und im ZDF Fehler zu
Robert Habeck schafft etwas, was dem Kanzler in einer halben Stunde nicht gelungen ist. Es wird tatsächlich geklatscht, als der Grünen-Kandidat einen potenziellen Nicht-Wähler überzeugen will. Habeck überzeugt auch sonst mehr als Scholz. Er setzt sich mehr mit den Fragenstellern auseinander, stellt Nachfragen, als ein Unternehmer von wirtschaftlichen Problemen erzählt.
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Inhaltlich ist Habeck konkreter als Scholz. Bei der inneren Sicherheit, einem der drängendsten Fragen für viele Wählerinnen und Wähler, kann aber auch er keine echten Akzente setzen. „Wir müssen im Sicherheitsbereich nachlegen.“ In anderen Bereichen ist er angriffslustiger. Er argumentiert, Journalisten seien die einzigen, die ihm nach dem Heizungsgesetz fragen. Bei den Menschen sei das kein Thema. Ob das wirklich der Realität entspricht? Habeck wird nicht nur von Journalisten mit dem gescheiterten Heiz-Gesetz in Verbindung gebracht.
Zudem setzt er seinen Körper mehr ein, variiert in Mimik und Gestik. Anders als Scholz zeigt er auch eine gewisse Selbstkritik, gibt Fehleinschätzungen bei E-Autos zu. Auch hierfür gibt es im Publikum Applaus. Der Grünen-Kandidat, der sich im Fernsehen locker geben will, kann mit seinem Auftritt zufrieden sein. Er verlässt das Studio, deutet mit einem Finger in Richtung Publikum und sagt: „Und wählen gehen“.

Als der ZDF-Moderator von „Willkommenskultur“ spricht, hebt Weidel den Finger
Als Drittes folgt Alice Weidel und hier ist der Ton direkt gesetzt. Moderator Sievers fragt nach Reaktionen auf die Amokfahrt von München. Weidel setzt direkt auf Angriff: „Mit einer AfD-geführten Regierung wäre der Mann überhaupt nicht ins Land gekommen.“ Klartext von der AfD-Kandidatin.
„Aber natürlich“ wolle sie qualifizierte Fachkräfte in Deutschland haben, sagt sie dann nach einem längeren Austausch mit einem Unternehmer. Sievers greift das auf, spricht von „Willkommenskultur“. Weidel hebt den Zeigefinger, reißt die Augen auf und zischt: „Willkommenskultur für qualifizierte Leute, die hier arbeiten gehen und Steuern zahlen.“ Das Aushängeschild der Rechtspopulisten weiter: „Aber nicht für Illegale.“
Fachkräfte dürften bleiben. Zu einer Pflegekraft aus Georgien sagt sie: „Sie sprechen gut deutsch, wow.“ Das Programm zur Pflege sei trotzdem eine „absolute Enttäuschung“, sagt ihr Chef. Weidel muss jetzt beweisen, dass die AfD auch andere Themen bespielen kann als Migration – und scheitert. Statt inhaltlich auf die Kritik einzugehen, spielt Weidel die Opferkarte. Der Mann habe das AfD-Programm nicht gelesen, man höre ihr nicht zu.
Auch auf Fragen zur Energie- und Europapolitik reagiert Weidel genervt und pampig. Wohl, weil sie inhaltlich kaum liefern kann. Bei ihrer Position zur Windkraft eiert sie herum und auch eine junge Frau kann sie nicht mit ihrer EU-Politik überzeugen. Insgesamt ist Weidel aber, und das muss man ihr zugutehalten, rhetorisch facettenreicher als Scholz. Sie hat es verstanden, auf Attacke zu schalten.
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Friedrich Merz: „Mit dieser Frage gehe ich abends lange nicht schlafen“
Als Friedrich Merz ins Studio kommt, ist Alice Weidel noch da. Sie will ihn ködern. Die Union habe schon entschieden, mit den Grünen zu koalieren. „Wir haben eine Entscheidung getroffen“, kontert Merz: „Mit ihnen nicht.“ Später sagt der Unions-Kanzlerkandidat: Die AfD sei in Europa „so unappetitlich, dass nicht einmal Frau Le Pen mit ihnen zusammenarbeiten will.“ Klartext von Merz.
Danach kann der Sauerländer Merz mit Lokalpatriotismus punkten, als er von einem Thyssenkrupp-Mitarbeiter nach der Zukunft der Firma gefragt wird. Heimspiel für Merz, er überzeugt den jungen Mann. Ins Schwimmen gerät er im Gespräch mit einem Wärmepumpen-Unternehmer, der sich mit Merz‘ Antworten zunächst nicht zufriedengibt. Die Unions-Nebelkerzen in Richtung Grünen-Kritik wirken arg durchschaubar; der Mann ist skeptisch. Am Ende steht doch noch ein Kompromiss von Merz: „Der Staat sollte keine Technologien vorgeben.“
Auch bei Fragen zur Bahn gibt es Kontra vom Publikum. Merz wehrt aber auch das ab, inklusive Selbstkritik („Dass wir da auch was aus unserer Zeit zu tun haben, ist völlig unbestritten“). Insgesamt ist Merz‘ Auftritt kein Erfolg auf ganzer Linie. Dafür ist auch er nicht immer klar genug. Insgesamt kann er aber zufrieden sein.
Gegen Ende der Sendung erklärt eine Frau ihre Sorgen vor einer Eskalation im Ukraine-Krieg. Merz argumentiert seine Sicht der Dinge, erklärt ruhig, fast schon staatsmännisch. Anders als Scholz zeigt er aber auch eine gewisse emotionale Nähe zum Publikum: „Mit dieser Frage gehe ich abends lange nicht schlafen.“ Das direkte Duell Merz-Scholz geht an den Herausforderer.
Fazit: „Klartext“ gibt es in der Sendung nur selten. Alle Kandidaten haben ihre schwachen Momente – besonders Olaf Scholz.