Deutschlands Polizei muss jetzt vom Ukraine-Krieg lernen: „Wer holt eine Drohne runter?“
Die Polizei in Europa steht vor neuen Aufgaben: Die Gewerkschaft der Polizei warnt, der Ukraine-Krieg könne auch in Deutschland Konsequenzen haben kann.
Berlin – Jochen Kopelke ist kein Haudrauf-Rhetoriker. Wenn sich der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) zu aktuellen Themen äußert, hat das in der Regel Substanz. Umso bemerkenswerter ist ein aktueller Vorstoß des Gewerkschafters. Im Interview mit dieser Redaktion mahnt Kopelke: „Seit dem Ukraine-Krieg müssen wir unser Mindset ändern und überlegen, welche Rolle die Polizei im Krisenfall oder bei Attacken einnehmen kann.“
Zuletzt hatte sich Kopelke um Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen unter anderem aus Polen, Litauen, Lettland, Finnland bemüht – Länder mit Grenzen zu Russland. Warum das? „Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sorgt für viel Unsicherheit bei den Polizeien in Europa. Die Kollegen in Polen, Litauen, Estland oder Finnland sehen eine akute Gefahr durch Putin und stellen sich beim Thema Sicherheit ganz anders auf als wir in Deutschland“, erklärt Kopelke.
Ukraine-Krieg: Worauf sich die Polizei im Kriegsfall vorbereiten muss
Osteuropäische Polizisten schauten sich derzeit in der Ukraine ab, wie sich die Polizei im Kriegsfall vorbereiten muss. „In der Ukraine hat die Polizei tagtäglich mit der Erstversorgung von Schusswunden zu tun oder muss Plünderungen verhindern. Auch in Deutschland müssen wir uns auf solche Szenarien vorbereiten. Ukrainische Polizisten sind im Moment nur wochenweise im Dienst, dann kämpfen sie im Krieg.“

Polizisten, die auch militärische Aufgaben übernehmen – das ist in Deutschland nur schwer vorstellbar. In der Tat sei die Trennung von Militär und Polizei hierzulande „eine Errungenschaft“, so Kopelke. Nun müsse man aber darüber nachdenken, ob die Polizei auf weiterführende Aufgaben und Fähigkeiten zumindest vorbereitet werden sollte.
Deutschland erlebt „viele Fälle mit klarem Russland-Bezug“: „Wer holt eine Drohne runter?“
Heißt das, die Polizei müsste im Zweifel auch in die Lage versetzt werden, militärische Angriffe abzuwehren? Ausschließen kann Kopelke das wohl nicht. „Nehmen wir das Thema Drohnen. Nach wie vor ist in Deutschland die Frage nicht geregelt: Wer holt eine Drohne, die bedrohlich über einer Chemiefabrik oder über Bundeswehrstandorten unterwegs ist, runter? Obwohl wir schon viele Fälle mit klarem Bezug nach Russland hatten.“ Die europäischen Nachbarn würden sich bereits fragen, „warum wir das noch nicht gelöst haben“. Viele wünschten sich, dass Deutschland Vorreiter beim Thema Verteidigung sei.
Derweil warnte der GdP-Chef vor möglichen Folgen der verschärften Grenzkontrollen, die Innenminister Alexander Dobrindt angeordnet hatte. „Ein warnendes Beispiel kann Polen sein“, so Kopelke. „Dort hat man viele Polizisten aus anderen Bereichen, also aus der Verkehrspolizei, aus der Kripo, abgezogen und an die Grenzen nach Belarus geschickt. Die machen alle nur noch Grenzkontrolle, während in den Ortschaften die Polizeiarbeit zusammenbricht.“
Ähnliches könne auch in Deutschland drohen. „Wir sprechen in Deutschland schon lange über eine Zunahme von Umfeldkriminalität an den Bahnhöfen. Wenn die Bundespolizei an die Grenzen muss, fehlt dort Personal, das ist unausweichlich. Paradoxerweise kann die Maßnahme also im schlechtesten Fall zu mehr Unsicherheit im Inneren führen.“