Spionage und Sabotage: Putin beunruhigt Industrie – CDU-Experte nennt fünf Schritte für Deutschland
„Reserve“ bis „Spannungsfall“: Deutschland könnte einige Maßnahmen für Sicherheit vor Russlands Sabotage ergreifen. Teile der Wirtschaft sind dafür.
Hunderte Milliarden Euro aus Deutschland und der ganzen EU sollen in den kommenden Jahren in die Rüstung fließen. Ein Grund: Geheimdienstinformationen zufolge könnte ein Angriff aus Russland auf das Gebiet der Union drohen. Da stellt sich am Rande eine weitere Frage: Sind die Fabriken der Rüstungsindustrie etwa in Deutschland eigentlich selbst ausreichend gegen Attacken jeglicher Art geschützt?
Der Hauptgeschäftsführer des zuständigen Branchenverbandes BDSV, Hans Christoph Atzpodien, sieht Verbesserungsbedarf bei der Sicherheit, wie er zuletzt dem Münchner Merkur sagte. Unterstützung erhält er auf Anfrage unserer Redaktion vom CDU-Außenexperten Roderich Kiesewetter – Kiesewetter hält mindestens fünf bis sechs konkrete Maßnahmen in Deutschland für notwendig.
Putins hybride Attacken in Deutschland: Kiesewetter erklärt Maßnahmen-Liste zum Schutz
„Die Kriegsführung von Aggressor-Staaten wie Russland ist hybrid und umfasst auch die wirtschaftlichen Aspekte“, erklärte der Bundeswehr-Oberst a.D. – und Deutschland stehe als „Logistikdrehscheibe“ und Produktionsstandort sicherheitsrelevanter Güter besonders im Fokus hybrider Angriffe: „Spionage und Sabotage“ seien Kriegsvorbereitung, aber auch „Teil des eigentlichen Angriffs“, so Kiesewetter. Deshalb brauche es ausgeweitete und ganz neue Schutzmaßnahmen. Für die Rüstungsproduktion und auch für „sicherheitsrelevante Infrastruktur“.

Kiesewetter nannte einen Katalog konkreter Schritte. Ein paar davon setzen sehr grundlegend an:
- Klärung von Zuständigkeiten und Definition hybrider Angriffe
- Fähigkeitsaufbau und rechtliche Befugnisse für Nachrichtendienste, Sicherheitsbehörden und Bundeswehr
- Aufbau von Abwehrfähigkeiten – konkret „elektronische Kriegsführung, Sensorik, Drohnenabwehr und vor allem auch Cyberschutz und Cyberabschreckung“
- Schaffung einer militärischen und zivilen Reserve ...
- ... und eines Bevölkerungsschutzes, der den Schutz kritischer Infrastrukturen miteinbezieht
„Sabotage und Spionage“: Kiesewetter fordert „Dachgesetz“ – Ampel-Plan scheint vorerst versandet
Kiesewetter betont: Wie „kritische“ und „sicherheitsrelevante“ Infrastruktur zu schützen sei, das sei in Deutschland bislang nicht ausreichend geklärt. Einerseits brauche es das Know-how, „um Sabotage und Spionage effektiv zu verhindern“. Andererseits aber auch Gesetze, die den Sicherheitsbehörden Prävention ermöglichen – und ein Gesamtkonzept. Konkret fordert der CDU-Abgeordnete ein „KRITIS-Dachgesetz“. Und zwar in „ausgereifter Form“.
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Das Wort „KRITIS“ steht dabei für „kritische Infrastrukturen“. Gemeint sind laut Bundesverfassungsschutz Einrichtungen, deren Ausfall Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit hätte – etwa für Energie, Telekommunikation, Verkehr, Wasser, Ernährung. Einen Entwurf für ein „Dachgesetz“ zum Schutz dieser Strukturen hatte das rot-grüne Minderheitskabinett noch im November auf den Weg, aber nicht mehr durchs Parlament gebracht. Was daraus wird, dürfte nun eine neue Koalition im frisch konstituierten Bundestag in der Hand haben. Deutschland steht unter Druck: Das Gesetz soll auch verbindliche EU-Vorgaben umsetzen.
Schutz vor Putins Bedrohungen in Deutschland: Helfen „Gesellschaftsdienst“ und Reservisten?
Leichter greifbar als die praktischen Folgen dieses Gesetzes scheint die Idee eines „Bevölkerungsschutzes“. Als einen möglichen Umsetzungsweg nannte Kiesewetter dem Merkur einen „Gesellschaftsdienst“. Auch diese Idee ist schon länger in der Debatte: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte schon 2022 eine „soziale Pflichtzeit“ ins Gespräch gebracht. Eine (Teil-)Wehrpflicht wird ebenfalls wieder diskutiert. Freiwilligendienste gibt es ohnehin bereits. Die Hertie-Stiftung hatte Ende 2024 eine Studie zum Thema vorgelegt – und zum Beispiel ein „Reservistenkonzept“ für zivile Freiwilligen- oder Pflichtdienste vorgeschlagen.
Kiesewetter erinnerte indes auch an einen vergleichsweise einfachen, aber nicht zuletzt in der symbolischen Wirkung mächtigen Schritt: Angesichts hybrider Bedrohungen aus Russland den „Spannungsfall“ auszurufen, könne schon jetzt weitere Schutzmaßnahmen ermöglichen, erklärte er dem Münchner Merkur. Dafür bräuchte es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag – unter anderem die Wehrpflicht würde dann laut einem Bundestags-Papier wieder in Kraft treten. Der CDU-Politiker hätte sich diesen Weg auch schon anstelle von Sondervermögen oder Grundgesetzänderungen gewünscht, wie er unserer Redaktion unlängst sagte.
Atzpodien vom BDSV hatte sich dazu nicht konkret geäußert. Aber er befürwortete weitere Schutzmaßnahmen für die Rüstungsindustrie und „andere Infrastrukturen“ – man werde wohl „mehr machen müssen“: „Der Vizepräsident des Bundesverfassungsschutzes hat kürzlich auf einer Konferenz gesagt: Wir sind nicht hybrid bedroht, wir sind angegriffen, ständig. Also müssen wir uns auch gegen diese Angriffe schützen.“ (fn)