Neue Hilfe im Ukraine-Krieg: Kann das US-Geld Kiew retten?
Die Ukraine freut sich über das riesige Paket von 57 Milliarden Euro, das nach monatelanger Verzögerung vom US-Kongress freigegeben wurde. Bringt die neue Militärhilfe eine Wende?
Kiew – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich erleichtert und dankbar, dass nach monatelanger Blockade die US-Hilfsgelder freigegeben wurden: „Nun werden wir alles tun, um die sechs Monate auszugleichen, die in Debatten und Zweifeln vorbeigezogen sind.“ Bringt das 57-Milliarden-Euro-Paket der USA die Wende für Kiew?
Was bringt das Geld dem ukrainischen Militär?
Christoph Trebesch vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) sagt, dass die 23 Milliarden Euro, die aus dem Hilfspaket ins Militär fließen, „nur vorübergehend Entlastung“ bringen würden. Ein Großteil der Gelder wird gar nicht für den Bedarf der Ukraine selbst verwendet. Sie sind unter anderem für das Auffüllen der geleerten Arsenale der USA und ihrer Verbündeten vorgesehen. Trotz des neuen Pakets wird Kiew aber mit weniger als in den Vorjahren auskommen müssen. Und das in einer Situation, in der Kriegsgegner Russland seine eigene Produktion ausweitet. „Sollten die USA Ende 2024 oder 2025 keine weiteren Unterstützungspakete verabschieden, wird die Ukraine im Jahr 2025 höchstwahrscheinlich mit dem gleichen Versorgungsengpass wie jetzt konfrontiert sein“, so Trebesch.
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Was wird jetzt geliefert?
Die Soldaten in der Ukraine erwarten nach Monaten rationierter Munition schon kommende Woche Artilleriegeschosse, Ausrüstung für die Flugabwehr und gepanzerte Fahrzeuge. Zudem sind bereits jetzt Kurzstreckenraketen vom Typ ATACMS in der Ukraine. Die Raketen seien Teil eines Hilfspakets aus dem März gewesen, erläuterte US-Außenamtssprecher Vedant Patel. Die USA hatten der Ukraine schon 2023 ATACMS-Raketen geliefert – aber nur mit einer Reichweite von 165 Kilometern. Die jetzt gelieferte Variante kann Ziele in bis zu 300 Kilometern Entfernung treffen.
Wie viel Militärhilfe ist schon geflossen?
Ohne Einberechnung des jüngsten US-Pakets haben die Verbündeten der Ukraine seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 insgesamt 112 Milliarden Euro an Militärhilfe zugewiesen. Der überwiegende Teil davon kam aus den USA und der EU, ein kleinerer Anteil aus Staaten wie Australien und Japan. Laut IfW haben die EU-Staaten bis Ende Februar 2024 insgesamt 42 Milliarden Euro an militärischer Hilfe geleistet, die USA 43,1 Milliarden Euro.
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Europa habe in den vergangenen Monaten zu den USA „aufgeholt“ und sei nun „bei der Militärhilfe mit den USA auf Augenhöhe“, so IfW-Experte Trebesch. Die EU-Staaten seien jedoch nicht in der Lage gewesen, „die große Lücke zu schließen, welche die USA hinterlassen haben, insbesondere bei der Munition“. Der europäische Verteidigungssektor habe „nur sehr langsam Produktionskapazitäten aufgebaut“.
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Was bedeutet die Hilfe für die Lage an der Front?
Die Militärhilfe soll vor allem den russischen Vormarsch stoppen. Russland dürfte aber die aktuellen materiellen und personellen Einschränkungen des ukrainischen Militärs ausnutzen, bis die US-Hilfe tatsächlich in vollem Umfang eintreffe, hieß es in einer Analyse des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) in Washington. Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes HUR, Kyrylo Budanow, erwartet vor allem Mitte Mai, Anfang Juni Probleme an der Front.
Die Situation sei aber „nicht katastrophal. Das Armageddon kommt nicht, wie vielleicht jetzt viele sagen“, sagte er. Russland verkündet seit Monaten immer wieder Geländegewinne, vor allem im Osten der Ukraine. Allerdings betonten die ISW-Experten in Washington, dass die Russen lediglich operative Erfolge verzeichneten – und keinen echten Durchbruch an der Frontlinie.
Der Ukraine gehen die Soldaten aus. Wie löst Kiew das personelle Problem?
Kiew hatte die Regeln für die Mobilisierung von Soldaten vor gut zwei Wochen verschärft. Unter anderem werden Kriegsdienstverweigerer härter bestraft, das Mobilisierungsalter wurde auf 25 gesenkt. Die Ukraine hat derzeit mehr als eine Million Frauen und Männer unter Waffen, rund 300.000 Soldaten sollen im direkten Fronteinsatz sein. Der Bedarf in diesem Jahr an zusätzlichen Soldaten wird auf mehr als 300.000 Soldaten geschätzt. Kiew hat deshalb den Druck auf die rund 700 000 im Ausland lebenden Staatsbürger im wehrfähigen Alter erhöht, ins Land zurückzukehren: Männer im wehrfähigen Alter können ihre Reisepässe künftig nur noch in der Ukraine selbst erhalten, nicht mehr im Ausland. (Andreas Stein und Klaus Rimpel)