US-Hilfen als Rettung für die Ukraine? Experten machen düstere Prognose

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61 Milliarden Dollar geben die USA an Hilfen für die Ukraine für deren Verteidigung gegen Russland frei. Während die einen Experten loben, mahnen andere.

Kiew - Nach langem Hin und Her rollen sie wieder so richtig an, die Waffen-Lieferungen der USA für die Ukrainer. 61 Milliarden US-Dollar an Militärhilfen haben die beiden Kammern des US-Kongress in den vergangenen Tagen im Ukraine-Krieg für das völkerrechtswidrig angegriffene Land freigegeben.

Waffen-Lieferungen an die Ukraine: USA schicken Bradley-Panzer und ATACMS

Unmittelbar danach ging unter ukrainischen Bloggern bei X (vormals Twitter) ein Video viral (siehe unten im Text), das reihenweise amerikanische Bradley-Schützenpanzer auf dem polnischen Nato-Flugplatz Rzeszow zeigen soll - just von hier aus wickelt die Verteidigungsallianz große Transporte an die ukrainische Armee ab. Damit nicht genug: Zudem werden immense Lieferungen an ATACMS-Mittelstreckenraketen für HIMARS-Mehrfachraketenwerfer, an Patriot-Flugabwehrraketen und an 155-mm-Artilleriegranaten erwartet.

Können diese Hilfen der Ukraine nach schwierigen Monaten jetzt die Wende im Ringen mit dem Russland-Regime Wladimir Putins bringen? Die internationalen Experten weichen bei der Suche nach einer Antwort auf diese Frage in ihren Einschätzungen teils erheblich weit voneinander ab.

US-amerikanische HIMARS-Mehrfachraketenwerfer, wie sie auch die Ukrainer verwenden, beim Schießen. (Symbolfoto)
US-amerikanische HIMARS-Mehrfachraketenwerfer, wie sie auch die Ukrainer verwenden, beim Schießen. (Symbolfoto) © IMAGO / ZUMA Wire

Waffen und Munition für die Ukraine: USA hatten Kiew lange nichts mehr geliefert

Dr. Frank Umbach vom European Centre for Energy and Resource Security (EUCERS) am King’s College London erklärte zum Beispiel bei ntv: „Wir haben hier eine Größenordnung, die fast so groß ist wie die gesamte US-Militärhilfe in zwei Jahren.“ Der Experte für Sicherheitspolitik lobte „modernste Waffen“ und hob explizit die wuchtigen ATACMS-Raketen mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern hervor, die angeblich auch Kommando- und Kommunikationsanlagen in Bunkern zerstören können.

Zur Einordnung: Washington hatte unter Präsident Joe Biden zwischen Februar 2022 und Januar 2024 70 Milliarden US-Dollar an militärischer Unterstützung bereitgestellt. Etwa in Form der treffsicheren HIMARS, mit extrem wirkungsvollen Javelin-Panzerabwehrlenkwaffen oder durch weniger erfolgreiche Kampfpanzer M1 Abrams (31 Stück). Jetzt kommt auf einen Schlag eine ähnlich hohe Summe. Aber: Nicht außer Acht gelassen werden darf, dass zuvor seit Dezember 2023 lange gar nichts mehr floss - was die Reserven an Artilleriemunition sprichwörtlich ausbombte.

Wende im Ukraine-Krieg? Militär-Experte reagiert verhalten auf US-Waffenlieferung

Wesentlich defensiver ordnete Militärexperte Gustav Gressel die kommenden US-Waffen-Lieferungen an Kiew ein. „Die Finanzhilfen sind wichtig, weil die ukrainische Rüstungsindustrie zurzeit nur auf 40 bis 50 Prozent läuft. Ein Großteil des ukrainischen Verteidigungsbudgets geht für Personal drauf. Der Anteil wird im Zuge der Mobilmachung, um die Verluste zu kompensieren, noch steigen“, erklärte Gressel dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Die US-Hilfen werden verhindern, dass die Ukraine in diesem Jahr untergeht – mehr nicht. Die Ukraine wird den Krieg nicht in die andere Richtung drehen können.“ 

Der Senior Policy Fellow des European Council on Foreign Relations (ECFR) wird sehr konkret, was den ukrainischen Streitkräften seiner Ansicht nach weiter fehlt. Damit die Ukrainer langfristig eine Chance gegen die Russen hätten, brauche es mehr Marschflugkörper, erzählte der Österreicher: „Jede Tiefenwirkung ist gut. Ob mithilfe von Taurus oder Storm Shadow, ist egal – Hauptsache Marschflugkörper.“ Zudem brauche es mehr Flugabwehrsysteme, um sowohl Städte als auch militärische Strukturen zu schützen, sowie Kampfflugzeuge des US-Typs F-16. Und die Ukrainer würden dringend weitere westliche Kampfpanzer und mehr gepanzerte Fahrzeuge benötigen.

Militär-Hilfe für die Ukraine: Deutsches Paket mit FFG MRAPs verzögert sich

Hier gibt es zum Beispiel einen Haken in Deutschland. Denn: Berlin kann offenbar die Lieferung von Dutzenden FFG MRAP an die ukrainische Armee nicht einhalten. Konkret: Wie die Bild schreibt, wurde der Lieferbeginn für die minenresistenten FFG MRAPs (Stückpreis 787.500 Euro) von Januar auf Mai 2024 verschoben. Somit können Kiew demnach in diesem Jahr „nur“ 100 Exemplare statt, wie ursprünglich geplant, 200 Stück übergeben werden.

Mit solch scheibchenweisen Lieferungen lassen sich freilich nur schwer gepanzerte Verbände für Offensiven aufstellen, zumal sich etwa auch die Lieferungen von 20 alten spanischen Leopard 2 A4 und von 14 alten Leopard 2 A4 aus deutschen Industriebeständen (finanziert durch Dänemark und die Niederlande) monatelang hinziehen werden. Stattdessen gehören zum US-Paket laut Gressel uralte Mannschaftstransporter M113 aus den 1960er Jahren, die reihenweise auf dem ukrainischen Schlachtfeld zurückblieben. Nur ein Makel: Die Seitenwannen des M113 sind steil. Und somit ein leichtes Ziel für schultergestützte Panzerabwehrwaffen.

Ukraine-Befreiungsschlag? Nicht jede Waffe aus den USA ist modern

Die Panzerung beträgt teils nicht mehr als 12 Millimeter und ist aus Aluminium, nicht aus Stahl. Derlei Erkenntnisse schmälern die Waffen-Lieferungen, bei aller ukrainischen Erleichterung über mehr PAC-3-Flugabwehrraketen für die Patriots. Nach Ansicht des Militärexperten Markus Reisner bringt das neue Waffenpaket die Ukraine sogar in ein „Dilemma“. „Auch die ATACMS dienen nur dazu, das befreite Gelände zu halten“, erklärte der österreichische Offizier und Historiker bei ntv.

Seiner Einschätzung nach fehlt es an Luftabwehr. „Fliegerabwehr wird sowohl an der Front als auch in den Städten dringend benötigt. Aus meiner Sicht wäre es deshalb eine sehr gute Entscheidung der USA, wenn sie auch ein, zwei oder drei weitere Patriot-Batterien liefern würden. So wie Deutschland dies getan hat“, meinte Reisner: „Das würde die Ukraine nachhaltig in die Lage versetzen, die Tiefe des Landes zu schützen. Und nur dann kann sie den Krieg auch weiterführen.“ (pm)

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