Kiew will Wehrfähige zurückholen: Wie Berlin mit mehr Kontrolle beim Bürgergeld der Ukraine helfen kann

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Die ukrainischen Soldaten sind seit über zwei Jahren ununterbrochen im Kriegseinsatz. Jetzt erhöht Kiew auch den Druck auf die vielen wehrfähigen Männer, die nach Westeuropa geflohen sind. Ein Kommentar von Merkur-Chefredakteur Georg Anastasiadis. © Efrem Lukatsky/AP/dpa/Klaus Haag

Deutschland gehört zu den Ländern, die die Ukraine im Kampf gegen Putins Angriff stark unterstützen. Helfen kann Berlin Kiew jetzt aber auch, wenn beim Bürgergeld für geflüchtete Ukrainer genauer hingeschaut wird, kommentiert Georg Anastasiadis.

Putins mörderischer Krieg gegen die Ukraine führt die Verteidiger zunehmend an ihre Grenzen. Das gilt für die Unterstützerländer, die – zum Unmut mancher Wähler – ihre eigenen Waffenarsenale leer räumen und ein Milliardenpaket nach dem anderen schnüren und dafür anderswo sparen müssen. Es gilt für die tapfere Zivilbevölkerung, die fast überall im Land jederzeit möglichen Bombardements ausgesetzt ist. Am brutalsten aber leiden die Frontsoldaten, von denen viele seit nunmehr über zwei Jahren ununterbrochen im Kriegseinsatz sind. Es ist daher ein Gebot der Gerechtigkeit, dass die Ukraine nun auch den Druck auf die vielen wehrfähigen Männer erhöht, die nach Westeuropa geflohen sind. Sie werden in dem bedrängten Land auch weit hinter der Front dringend benötigt. Kiew will ihnen nun die Ausstellung von Dokumenten verweigern, um sie zur Rückkehr in die Heimat zu bewegen.

Das Bürgergeld setzt einen doppelt falschen Anreiz

4,3 Millionen Ukrainer und Ukrainerinnen sind bis heute in andere europäische Länder geflohen, ein Viertel davon nach Deutschland. Ihnen hier nach ihrer Ankunft sofort unbürokratisch Zugang zum Bürgergeld zu gewähren, war als Soforthilfe vertretbar. Doch wird das, je länger der Krieg dauert, zunehmend zum Problem. Das Bürgergeld setzt einen doppelt falschen Anreiz: Es lockt erstens daheim dringend benötigte Menschen aus der Ukraine weg und hält sie zweitens vom deutschen Arbeitsmarkt fern, weil der Staat meist mehr Geld gibt, als am Arbeitsmarkt zu erzielen ist. So ist am Ende niemandem geholfen. Nicht der Ukraine, und auch nicht dem Gastland Deutschland, das selbst große solidarische Leistungen für das überfallene Land erbringt. Noch immer sind die Erwerbsquoten von Ukrainern in Deutschland deutlich geringer als in anderen westeuropäischen Ländern. Berichtet wird zudem unter der Hand von einer wachsenden Zahl ukrainischer Flüchtlinge, die in Deutschland Bürgergeld und eine Wohnung beziehen, sich aber regelmäßig in der (West-)Ukraine aufhalten, wo jedenfalls Frauen keine Einberufung droht.

CDU-Chef Friedrich Merz hat das mal als „Sozialtourismus“ kritisiert. Das ist ihm damals nicht gut bekommen. Doch hat er damit eine nicht unübliche Praxis beschrieben. Es ist unverständlich, dass die Bundesregierung dieses offensichtliche Problem bis heute nicht angepackt hat. Wenn der Westen, auch im ureigensten Interesse, die Ukraine stärken will, damit sie in späteren Friedensverhandlungen Putin auf Augenhöhe begegnen kann, darf er sich keine Schwächen erlauben, weder an noch jenseits der Front.

Georg Anastasiadis

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