Wehrpflicht würde deutsche Volkswirtschaft Milliarden kosten – Experten haben Gegenvorschlag

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Wehrpflicht würde deutsche Volkswirtschaft Milliarden kosten – Experten haben Gegenvorschlag

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Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will die marode Bundeswehr unter anderem mit einer neuen Art von Wehrdienst wieder auf Vordermann bringen. (Archivbild) © Bernd Wüstneck / dpa

Verteidigungsminister Pistorius möchte wieder eine Art Wehrpflicht einführen. Das Münchner Ifo-Institut warnt vor immensen volkswirtschaftlichen Kosten. 

München – Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will die marode Bundeswehr unter anderem mit einer neuen Art von Wehrdienst wieder auf Vordermann bringen. Die Hoffnung: Damit könnten die Bundeswehr ihre erheblichen Personalprobleme beheben. Das Münchner Ifo-Institut warnt allerdings vor den volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Wiedereinführung der Wehrpflicht.

Ifo-Institut: Wehrpflicht würde deutsche Volkswirtschaft Milliarden kosten

Wie die Forschenden am Mittwoch erklärten, wäre abhängig vom Szenario mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung Deutschlands um bis 70 Milliarden Euro zu rechnen. Es wäre demnach sinnvoller, die Bundeswehr mit mehr Mitteln auszustatten, um sie als Arbeitgeber attraktiver zu machen.

Pistorius hatte im Juni ein neues Modell für die systematische Untersuchung junger Männer auf ihre Eignung zum Wehrdienst vorgestellt. Eine Rückkehr zur Wehrpflicht ist darin allerdings nicht vorgesehen. Im Zentrum stehen vielmehr eine verpflichtende Erfassung und eine bedarfsorientierte Musterung – eine Pflicht zur Ableistung des Diensts besteht nicht. Gleichzeitig wird aber auch die Einführung eines verpflichtenden Dienstes diskutiert.

Im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen beleuchtete das Ifo-Institut nun drei unterschiedliche Szenarien. Betreffe die Pflicht demnach alle Menschen eines Jahrgangs, wäre mit dem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,6 Prozent und 70 Milliarden Euro zu rechnen. Würde wie bei der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht rund ein Viertel zum Militär- oder Zivildienst eingezogen, beträgt der Rückgang den Angaben nach 0,4 Prozent oder 17 Milliarden Euro. Sind nur fünf Prozent eines Jahrgangs betroffen (ähnlich wie in Schweden), beziffern die Forschenden den Rückgang mit 0,1 Prozent oder drei Milliarden Euro.

Studie kritisiert Wehrpflicht: Ungleiche Verteilung der Lasten

Die von dem Ifo-Experten Panu Poutvaara vorgeschlagene bessere Ausstattung der Bundeswehr würde den Berechnungen zufolge in den Szenarien nur etwas mehr als die Hälfte der gesamtwirtschaftlichen Kosten verursachen – bei jeweils gleichem Wachstum der militärischen Fähigkeiten. Allerdings würde diese Variante den Staatshaushalt stärker belasten, weil höhere Gehälter gezahlt werden müssten. Je nach Szenario geht das weit in die Milliarden.

Zudem geht es den Forschern auch um Fairness: Würde nur ein kleiner Anteil eines Jahrgangs verpflichtet, werfe das angesichts der ungleichen Verteilung der Lasten erhebliche Zweifel an der Wehrgerechtigkeit auf, sagte Poutvaara. Bei einer Marktlösung mit höheren Gehältern müssten dagegen alle gleichermaßen die höheren Staatsausgaben finanzieren. „Bei einer Wehrpflicht entstehen für die Nicht-Wehrpflichtigen kaum Kosten“, sagte Schlepper. „Das mag erklären, warum eine Wehrpflicht insbesondere bei jenen Altersgruppen so beliebt ist, die nicht selbst betroffen wären.“

Pistorius verteidigt Wehrpflicht-Vorschlag: „Aufsatzthema verfehlt, setzen, sechs“

Das Modell von Pistorius ist auch innerhalb der Ampel-Regierung umstritten: So erklärten Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Justizminister Marco Buschmann (auch FDP) in einem Schreiben an den Verteidigungsminister diese Woche, dass sie eine allgemeine Wehr- oder Dienstpflicht aus finanziellen, volkswirtschaftlichen und rechtlichen Gründen für nicht realistisch halten. Dabei führen sie unter anderem die Ergebnisse der Ifo-Studie als Grund an. Stattdessen setzen die beiden FDP-Politiker auf eine Attraktivitätssteigerung des Soldatenberufes und eine stärkere Rolle der Reserve.

Pistorius, der zu dem Zeitpunkt in den USA weilte, verteidigte dagegen seinen Vorschlag. Der Brief der FDP-Politiker setze sich mit Dingen auseinander, die nicht im Mittelpunkt des Vorschlags stünden, sagte Pistorius in Washington. „In der Schule hätte man wahrscheinlich gesagt: Aufsatzthema verfehlt, setzen, sechs“, sagte er weiter. Von einem Finanzminister, der auch noch Major der Reserve sei, hätte er sich gewünscht, die Notwendigkeiten der Truppe klar zu sehen. Zudem sei kein Ifo-Gutachten nötig, um zu wissen, dass der Wehrdienst oder eine Wehrpflicht wirtschaftliche Folgen habe. Pistorius sagte: „Verteidigung, Sicherheit hat volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Implikationen. Das habe ich immer gesagt.“ Mit Material der dpa und AFP

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