Bundeswehr-Soldaten ohne deutschen Pass? Auch Opposition offen für Pistorius-Idee
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs kommt in Deutschland die Frage nach Verteidigung und „Kriegstüchtigkeit“ auf. Doch der Bundeswehr fehlt Personal.
Berlin – Um die Personalprobleme bei der Bundeswehr zu lösen, werden in den vergangenen Wochen immer wieder andere Lösungen diskutiert: Eine Rückkehr zur Wehrpflicht, die Schaffung neuer Anreize für Bewerberinnen und Bewerber, eine Öffnung der Bundeswehr für Menschen ohne deutschen Pass. Vor allem die letzte Option, die Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in einem Interview mit dem Tagesspiegel als Möglichkeit in Betracht gezogen hat, stößt nun sogar bei der Opposition auf Rückhalt.
Demnach wäre die Frage einer Öffnung für Menschen ohne deutschen Pass bereits von Fachleuten des Verteidigungsministeriums aufgeworfen worden und die Bundeswehr „nicht die ersten Streitkräfte in Europa, die das tun würden“. So gebe es in Deutschland viele, die in zweiter oder dritter Generation im Land lebten, ohne die deutsche Staatsbürgerschaft zu haben. Zu seinen Überlegungen kündigte Pistorius an, dass man sich der Frage widmen wolle, damit aber noch am Anfang stehe.
Ohne deutschen Pass zur Bundeswehr: FDP-Verteidigungsexpertin schlägt Anreiz vor
Dafür erhielt die Idee bereits von einigen Seiten Unterstützung, etwa von der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die im Gespräch mit der Rheinischen Post forderte, Deutschland müsse bei der Rekrutierung „deutlich europäischer denken“. Dazu gehöre auch die Überlegung, „dass Soldaten und Soldatinnen ohne deutschen Pass diesen durch den erfolgreichen Dienst in der Bundeswehr schneller bekommen können.“
Selbst aus den Reihen der Union erhielt der Verteidigungsminister erste Rückendeckung, etwa von CDU-Verteidigungsfachmann Johann Wadephul, der den Gedanken, die Bundeswehr auch für ausländische Staatsbürger zu öffnen, in der Rheinischen Post als „grundsätzlich richtig“ bezeichnete.
„In fünf bis acht Jahren kriegstüchtig“: Pistorius muss „schleunigst handeln“
Dazu sei es aber wichtig, die Ausgestaltung des Plans zu klären und sich davor einige Fragen zu stellen, so Wadephul: „Gilt diese Möglichkeit nur für Bürgerinnen und Bürger von EU- oder Nato-Staaten oder auch noch darüber hinaus? Ist die vollständige Kenntnis der deutschen Sprache nötig?“ Für die Klärung solcher Fragen riet Wadephul dem Minister, sich nicht allzu lange Zeit zu lassen, nachdem Pistorius dem Tagesspiegel erklärt hatte, dass die Bundeswehr „in fünf bis acht Jahren kriegstüchtig sein“ solle. „Das ist in Fragen einer Personalstrategie ein furchtbar kurzer Zeitraum. Er sollte also schleunigst handeln.“
In seinem Tagesspiegel-Interview hatte Pistorius erneut vor einer Ausweitung des Ukraine-Kriegs gewarnt. Trotz aktueller Sicherheitsbedenken leidet die Bundeswehr wie viele Bereiche der Wirtschaft derzeit unter einem akuten Bewerbermangel, der die vor Pistorius‘ Amtsantritt festgelegte Sollstärke der Streitkräfte von 203.000 Soldatinnen und Soldaten für den Moment in weite Ferne rücken lässt. Aktuell hat die Bundeswehr gut 181.600 Streitkräfte, dazu rund 81.600 zivile Beschäftigte. (saka mit AFP)