Merz-Plan zur Abschaffung des Acht-Stunden-Tages: Erste Kritik wird laut – „Kollaps droht“

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Friedrich Merz möchte bei der Arbeitszeit nicht mehr auf jeden einzelnen Tag schauen. Die propagierte Flexibilität stößt aber auch auf Ablehnung.

Berlin – Nicht weniger als der Bruch mit einer deutschen Tradition schwebt Union und SPD vor. Zugunsten der Flexibilität. Beim Thema Arbeitszeit will die künftige Koalition unter Führung von CDU-Chef Friedrich Merz an den ganz großen Stellschrauben drehen. So steht es im Koalitionsvertrag, demzufolge „im Einklang mit der europäischen Arbeitszeitrichtlinie die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit“ geschaffen werden soll.

Heißt: Der Acht-Stunden-Tag könnte in vielen Branchen der Vergangenheit angehören. Vorgegeben werden sollen lediglich die zwischen den Wochenenden zu leistenden Arbeitsstunden. „Als Vollzeitarbeit soll dabei für tarifliche Regelungen eine Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden, für nicht tariflich festgelegte oder vereinbarte Arbeitszeiten von 40 Stunden gelten“, ist zu lesen.

Merz und die Arbeitszeit-Reform: Wochenende könnte um dritten freie Tag erweitert werden

Wie sich diese Anzahl auf die Tage von Montag bis Freitag verteilt, bliebe jedem Angestellten nach Absprache mit dem Vorgesetzten oder dem Arbeitgeber vorbehalten. Es wäre also möglich, die Wochenarbeitsstunden bis Donnerstagabend hinter sich zu bringen und ab Freitag drei freie Tage zu genießen. Oder auch mal unter der Woche einen Tag frei zu machen, ohne Urlaub oder einen Ausgleichstag nehmen zu müssen. Es handelt sich also um nicht weniger als eine Arbeitszeit-Reform.

Es darf auch mal ein bisschen mehr Arbeit am Tag sein: Friedrich Merz plant mit seiner Regierung die Abkehr des Acht-Stunden-Tags. © IMAGO / Panthermedia, IMAGO / Future Image

Damit wäre § 3 des Arbeitszeitgesetzes unter dem Titel „Arbeitszeit der Arbeitnehmer“ überholt. Denn der legt fest, dass die „werktägliche Arbeitszeit“ den Rahmen von acht Stunden nicht sprengen darf. Ausnahmen von bis zu zehn Stunden am Tag sind nur erlaubt, „wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden“.

Lob für Merz-Plan der Abkehr vom Acht-Stunden-Tag: Arbeitgeberverbände für schnelle Umsetzung

Als Profiteure der neuen schwarz-roten Regelung mit Fokussierung auf die Wochenarbeitszeit würde Michael Fuhlrott, Fachanwalt für Arbeitsrecht, laut Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in erster Linie Branchen mit wechselndem Arbeitsanfall oder Schichtbetrieb sehen. Also auf dem Bau, im Einzelhandel, in der Gastronomie oder in der Projektarbeit.

Denn wo, wie im Supermarkt oder bei der Produktion, Anwesenheitspflicht herrsche, würden die Unternehmen die Flexibilität oft gerne nutzen. Weniger Auswirkungen vermutet der Anwalt für viele Bürojobs, in denen die Beschäftigten an fünf Tagen erreichbar sein müssen.

Steffen Kampeter steht an einem Rednerpult
Kann sich mit dem Ende des Acht-Stunden-Tags anfreunden: Steffen Kampeter, Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, ist wie Friedrich Merz CDU-Politiker. © IMAGO / dts Nachrichtenagentur

Lob für die Idee von Merz & Co. gibt es in dem Artikel von Steffen Kampeter. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und CDU-Politiker beurteilt die Abkehr von der Acht-Stunden-Vorgabe als positives Signal. Nun gehe es um die schnelle Umsetzung. Seine Hoffnung: Flexibilität fördert freiwillige Mehrarbeit.

DGB-Chefin Fahimi gegen Merz-Idee: Risiko von „13-Stunden-Schichten als neuer Standard“

Auch andere Branchenverbände wie der Lobbyverband „Die Familienunternehmer“ um Präsidentin Marie-Christine Ostermann aus Hamm heben den Daumen. Kritik setzt es hingegen von Gewerkschaftsverbänden. Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und SPD-Politikerin, betonte: „Das Arbeitszeitgesetz ist keine politische Verhandlungsmasse. Es ist ein Schutzgesetz, das Erholung und Gesundheit sichert und fußt auf arbeitsmedizinischen Erkenntnissen.“

In vielen Branchen würden die Arbeitnehmer bereits an ihre Belastungsgrenze stoßen: „Dort droht ein Kollaps mit einer weiteren beliebigen Ausweitung der Arbeitszeiten.“ Sie sieht das Risiko von „13-Stunden-Schichten als neuen Standard“.

Yasmin Fahimi hält die Hände abwehrend hoch
Noch nicht überzeugt vom Plan der Union und ihrer SPD: Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, befürchtet bei einer Änderung des Arbeitszeitgesetzes einen „Kollaps“. © IMAGO / Stefan Zeitz

Auch die IG Metall verwies laut FAZ auf die hohen körperlichen Belastungen für die Arbeitnehmer und bewertet die Flexibilität daher kritisch. Anwalt Fuhlrott erwähnt in diesem Zusammenhang, dass die Unfallgefahr nach langer Arbeit nachweislich steige. Er geht aber nicht davon aus, dass in der Breite Arbeitsverträge mit mehr Stunden auf den Tisch kommen werden.

Merz-Regierung will Arbeitszeit neu regeln: Steuerfreie Zuschläge bei Mehrarbeit wohl kompliziert

Für einfacher umsetzbar hält der Jurist im Vergleich zum Wandel von fixer Tages- zu fester Wochenarbeitszeit einen weiteren Punkt, den sich Union und SPD zum Thema Arbeitsrecht in den Koalitionsvertrag geschrieben haben. Die Merz-Regierung will „Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte beziehungsweise an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen, steuerfrei“ stellen.

Fuhlrott merkt allerdings an, solange keine tarifvertragliche oder arbeitsvertragliche Regelung bestehe, gebe es gar keinen allgemeinen gesetzlichen Anspruch auf Zuschläge für Überstunden. Unternehmen hätten vielmehr auch die Möglichkeit, Mehrarbeit über das normale Gehalt abzugelten.

„In den Standardarbeitsverträgen behält sich der Arbeitgeber vor, ob er bei Überstunden Freizeitausgleich oder Auszahlung bei Überstunden vornimmt“, betont der Anwalt. Folglich müsste zumindest dieser Merz-Plan erst einmal dem Realitätscheck standhalten.

Was für die Arbeitszeitregelung ohnehin gelten muss. Denn mit Traditionen zu brechen, kann sich bekanntlich als besonders kompliziertes Unterfangen herausstellen. Zumal Union und SPD noch zu klären haben, wer überhaupt in den Genuss dieser anvisierten Flexibilität kommen soll. (mg)

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