Weg mit dem Acht-Stunden-Tag? In der CDU wird nun Kritik laut

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Friedrich Merz will länger und flexibler Arbeiten lassen. Kritik kommt aus seiner eigenen Partei – der Arbeitnehmerflügel fordert strengere Regelungen.

Berlin – Seit Monaten facht die CDU die Debatte um längere Arbeitszeiten an. Die Worte des Bundeskanzlers Friedrich Merz in seiner ersten Regierungserklärung hallen nach: „Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten.“ Merz will mehr Arbeit, aber auch „mehr Flexibilität durch eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit.“ Union und SPD haben die Flexibilisierung der Arbeitszeiten im Koalitionsvertrag aufgenommen – doch das sehen nicht alle in der Merz-Partei positiv.

Kritik innerhalb der CDU: Arbeitnehmerflügel bemängelt Flexibilisierung von Arbeitszeiten

Die CDA, die Arbeitnehmervertretung der CDU, zeigt sich skeptisch. Der CDA-Vorsitzende, Dennis Radtke, betonte gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Wir mahnen die notwendige Balance an.“ Er warnte vor einer schleichenden Ausweitung der Arbeitszeiten: „Es darf nicht zu einer schleichenden Entgrenzung der Arbeitszeit kommen.“

In einem Positionspapier mit dem Titel „Grundsätze für eine attraktive Arbeitszeitpolitik“ warnt der Arbeitnehmerflügel nun vor einer übermäßigen Lockerung des Arbeitszeitgesetzes, berichtete die Zeitung. Es gebe „viele Tätigkeiten, bei denen flexible Begrenzungen zu realen Nachteilen führen könnten“, heiße es in dem Dokument – deswegen fordere die CDA den Erhalt klarer Schutzregelungen. Gerade in Bereichen wie Pflege, Handwerk oder Gastronomie dürfe eine flexiblere Wochenarbeitszeit nicht dazu führen, dass notwendige Ruhezeiten ausgehebelt werden.

Während für Beschäftigte in der Produktion weiterhin die bestehenden Schutzvorgaben gelten müssten, sieht Radtke bei anderen Tätigkeiten Spielraum: „Für Leute, die am Abend auf der Couch E-Mails checken, muss dagegen nicht jedes mal die gesetzliche Ruhezeit greifen.“

Arbeit im Lager
Besonders Arbeitnehmer mit körperlicher Arbeit brauchen rechtliche Ruhezeiten, so die CDA. © picture alliance/dpa | Bernd Wüstneck

„Verlässliche Zeiterfassung“: CDA fordert strengere Regeln für flexible Arbeitszeiten

Um Arbeitnehmerrechte effektiv zu schützen, plädiert die CDA für eine „transparente und verlässliche Zeiterfassung“ im Berufsalltag. Eine Reform der Arbeitszeiten müsse daher mit klaren Regeln zur Zeiterfassung einhergehen. Die Koalition plant die Arbeitszeiterfassung verpflichtend elektronisch zu gestalten. Dies solle möglichst „unbürokratisch“ umgesetzt werden. Derzeit gilt grundsätzlich eine tägliche Höchstarbeitszeit von acht Stunden sowie eine Ruhezeit von elf Stunden zwischen zwei Arbeitstagen. Allerdings bestehen bereits heute Ausnahmeregelungen

Im Rahmen des Koalitionsvertrags sollen sich zunächst Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter beraten und gemeinsame Vorschläge entwickeln. CDA-Chef Dennis Radtke betont, dass weitere Öffnungen des Arbeitszeitrechts nicht ohne Beteiligung der Arbeitnehmerseite erfolgen dürfen. Im Papier fordert man eine grundsätzliche Beibehaltung der Höchstarbeitszeit von acht Stunden. Nur „mit mit Zustimmung des Betriebsrats und bei tariflicher Regelung des Arbeitgebers“ solle eine Ausweitung der Arbeitszeit demnach zulässig sein. Wo es keinen Betriebsrat oder Tarifvertrag gibt, soll es laut CDA bei der bisherigen Rechtslage bleiben.

Kritik an Merz-Plänen: Soziologen befürchten gesundheitliche Probleme

Kritik kommt auch von den Gewerkschaften, die sich gegen die Merz-Pläne stellen. Eine aktuelle Untersuchung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung kommt zu dem Schluss, dass eine weitreichende Aufweichung der täglichen Arbeitszeitgrenzen – etwa durch die Möglichkeit, mehr als 12 Stunden am Tag zu arbeiten – gesundheitliche Belastungen für Beschäftigte verstärken würde. „Wenn wir uns Fehlzeitenreporte oder die Berichte der Krankenkassen anschauen, nehmen psychische Belastungen und Burn-out zu“, erklärte die Soziologin Yvonne Lott von der Stiftung dem Deutschlandfunk. Es gebe „eine starke psychische, empfundene Belastung.“

Ein weiteres Risiko der Flexibilisierung der Arbeitszeiten sei das Verschwimmen von Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit. „Dieses Gefühl, immer online zu sein, immer verbunden zu sein mit der Arbeit, führt längerfristig zu gesundheitlichen Problemen“, so die Soziologin Bettina Stadler, die an der Universität Graz forscht. Was zunächst nach mehr Freiheit und Selbstbestimmung aussieht, führt in der Praxis häufig zu längeren Arbeitszeiten, so Stadler gegenüber dem Sender. Zudem würde sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch solche Maßnahmen weiter verschlechtern.

Flexible Arbeitszeiten: SPD sieht gleiche Hürden wie Arbeitnehmervertreter der CDU

Positive Stimmen zum CDA-Papier hört man aus der SPD – es stimme in Teilen mit den Positionen der Koalitionspartei überein. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie man eine Flexibilisierung ohne Beteiligung von Betriebsrat und Tarifparteien macht“, sagte Dagmar Schmidt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktio, der Süddeutschen Zeitung. Auch die Erfassung der Arbeitszeit spiele dabei eine zentrale Rolle: „Uns ist wichtig, dass es eine flächendeckende, elektronische und sichere Zeiterfassung gibt“, so Schmidt. Gleichzeitig merkte sie kritisch an, dass innerhalb der CDU nicht die CDA den Kurs bestimme – maßgeblich seien andere Kräfte. (hk)

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