Abgeordnete schießt gegen Merz wegen Kritik an EU-Asylpolitik: „Will er eine Mauer um Deutschland ziehen?“

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Friedrich Merz will die deutsche Migrationspolitik verschärfen. Für Katarina Barley sind die Mittel seiner Wahl „gefährlich“, sie denkt an Angela Merkel zurück.

Brüssel – Die Vorgänge von Berlin hallen auch im EU-Parlament nach. Das verdeutlicht Katarina Barley in einem Spiegel-Interview zur Migrationspolitik und EU-Kritik von Friedrich Merz. Es sei „noch einmal eine ganz andere Qualität“, was sich derzeit entwickele in Deutschland und auch in Österreich, wo die erste FPÖ-Kanzlerschaft bevorzustehen scheint. Anders und damit schwerwiegender im Vergleich zur Zusammenarbeit von Konservativen und Rechtspopulisten bei manchen Anträgen in Brüssel, meint die SPD-Politikerin.

Sie hält es für „gefährlich, was da gerade passiert“. Womit die 56-Jährige auf die Abstimmung zum Fünf-Punkte-Plan des CDU-Chefs für eine restriktivere Migrationspolitik anspielt. Denn diese fand im Bundestag nur mit den Stimmen der AfD eine Mehrheit, was Merz in Kauf nahm.

Barley kritisiert Merz: „Unter Merkel wäre solch ein Vorgang unmöglich gewesen“

„Bis Mittwoch habe ich für unvorstellbar gehalten, was dann im Bundestag geschehen ist. Ich war ja selbst Ministerin in einer Koalition mit der CDU“, zeigt sich die ehemalige Familien- und Justizministerin erschüttert: „Unter Angela Merkel wäre solch ein Vorgang unmöglich gewesen, niemals hätte sie gehandelt wie Friedrich Merz und Stimmen der AfD für eine Mehrheit akzeptiert.“

Wegen dieser Billigung gehen bereits zahlreiche SPD- und Grünen-Politiker auf Distanz zum mit Abstand aussichtsreichsten Kanzlerkandidaten. Seine Eignung für den Posten als Regierungschef wird offen in Frage gestellt.

Barley ist sich zumindest sicher, die Union würde „lieber mit der demokratischen Mitte regieren. Aber wenn wir nicht mit machen, was die wollen, gehen sie zu den Rechtsaußen. Dabei ist das fatal, denn es wertet die extremistischen Kräfte auf.“

Kommen bei der Migrationspolitik nicht auf einen Nenner: Katarina Barley verteidigt das Vorgehen der EU und kritisiert Friedrich Merz. ©  IMAGO / Future Image, IMAGO / rheinmainfoto

Merz und die Kritik an der EU-Asylpolitik: SPD-Politikerin setzt auf neuen Kompromiss in Brüssel

Der mutmaßliche deutsche Alleingang in der Migrationspolitik unter einem Kanzler Merz würde in ihren Augen ins Verderben führen. Denn Fragen der Migration müssten in Zusammenarbeit mit anderen Staaten gelöst werden.

Dabei verweist die Vizepräsidentin des EU-Parlaments auf den neuen Asylkompromiss und prognostiziert: „So werden Geflüchtete, die eine Bleibeberechtigung haben, bald fair auf die Mitgliedsstaaten verteilt. Für diejenigen, die keine Aussicht auf ein Bleiberecht haben, wird das Verfahren direkt bei der Einreise deutlich schneller durchgeführt und bei negativer Entscheidung dürfen sie nicht weiter in die Europäische Union einreisen.“

Experten bezweifeln jedoch, ob die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) der große Gamechanger wird. Schon allein, weil fraglich ist, ob sich die anderen EU-Länder überhaupt daran gebunden fühlen. Die Reform soll für einen wirksamen Grenzschutz an den EU-Außengrenzen sorgen, hinzu kommen einheitliche Standards für Registrierungen und Zuständigkeiten sowie ein Solidaritätsmechanismus, der verpflichtend ist. So zumindest die Theorie.

Merz und die dauerhaften Grenzkontrollen: „Enorme Probleme für Unternehmen und Pendler“

Merz hatte im Rahmen der Bundestagsdebatte die europäische Asyl- und Migrationspolitik als dysfunktional gebrandmarkt. Zudem betonte er, mit Dänemark und den Niederlanden würden bereits Länder genau das machen, was er nun vorschlage.

Dem entgegnete Barley im Spiegel: „Die Europäische Union lebt davon, dass man nach außen hin geltendes Recht anwendet und nach innen Freiheiten hat. Flächendeckende, dauerhafte Grenzkontrollen in Deutschland, wie von der Union gefordert, machen enorme Probleme in der Grenzregion, für exportierende Unternehmen, für Pendler.“ Obendrein entsprächen sie nicht dem Europarecht.

Polizisten schauen neben einem Auto mit offenem Kofferraum in einen Rucksack
Grenzkontrolle: Polizisten nehmen Einreisende und ihr Gepäck unter die Lupe - hier in Pomellen in Mecklenburg-Vorpommern. © IMAGO / Andy Bünning

Deutschland und Abschiebungen: „SPD sieht den Menschen und betreibt keine Politik der Vorurteile“

Die Deutsch-Britin fühlt sich erinnert an „die konservative Irrfahrt, die zum Brexit geführt hat“. Sie fragt: „Wie weit will Friedrich Merz denn gehen? Will er eine Mauer um Deutschland ziehen? Sollen alle 50 Meter Polizisten patrouillieren? Das ist für Deutschland nicht umsetzbar.“

Abschiebungen für Menschen, die kein Recht auf Verbleib in Deutschland oder der EU generell haben, würden dazu gehören. Aber: „Flucht bleibt ein Menschenrecht. Ich bin in die SPD eingetreten, weil die Partei wirklich den einzelnen Menschen sieht und nicht Politik anhand von Vorurteilen betreibt.“ (mg)

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