„Wird keine Wahl von Merz als Kanzler geben“: Gegenwind vor heutiger Abstimmung – und Bundestagswahl
Hat sich Friedrich Merz mit seiner verschärften Migrationspolitik verzockt? Unter SPD- und Grünen-Politikern regt sich Widerstand gegen seine mögliche Kanzlerschaft.
Berlin – Beim Blick auf die Umfrage-Werte der vergangenen Monate schien sich mehr und mehr abzuzeichnen: Friedrich Merz kann sich den Weg ins Kanzleramt nach der Bundestagswahl nur selbst verbauen. Zu deutlich ist der Vorsprung der Union vor den anderen Parteien, die zudem keine tragfähigen Mehrheiten im Bundestag zusammenbekommen würden.
Doch womöglich hat sich der CDU-Chef mit seinem kompromisslosen Vorgehen in der Migrationspolitik nun selbst ein Bein gestellt. Die vielbeschriebene Brandmauer zur AfD scheint zu bröckeln, ohne deren Stimmen hätte er seinen Fünf-Punkte-Plan inklusive dauerhaften Grenzkontrollen und direkten Abweisungen nicht durch das Parlament bekommen. Was ihm bewusst gewesen sein muss.
Hofreiter wegen Abstimmung mit AfD gegen Merz: „Darf auf keinen Fall Kanzler werden“
In den übriggebliebenen Regierungsparteien, die gegen den Merz-Antrag gestimmt haben, distanzieren sich deshalb einige Politiker klar vom 69-Jährigen. Etwa Anton Hofreiter. Der Grünen-Abgeordnete aus Bayern sagte laut Süddeutscher Zeitung (SZ): „So überfordert Olaf Scholz in der geopolitischen Lage auch war: Was Merz gemacht hat, nach diesem Wortbruch, nach dieser Kopflosigkeit: Dieser Mann darf auf keinen Fall mehr Kanzler werden.“
Mit dieser Meinung steht der Münchner keinesfalls alleine da. In dem Artikel wird auch ein nicht namentlich genannter lang gedienter SPD-Abgeordneter mit diesen Worten zitiert: „Es gibt ganz viele, die sagen: Egal was passiert, es wird keine Wahl von Friedrich Merz als Kanzler geben.“ Zudem soll eine Fraktionskollegin erklärt haben, im Falle von Koalitionsgesprächen zwischen Sozialdemokraten und Union müsste zur Bedingung gemacht werden, dass Merz nicht Teil der Regierung wird.

SPD-Politiker hält Merz für „unberechenbar“: „Wahnsinn, ihn zum Kanzler zu wählen“
Im Tagesspiegel wird mit Jan Dieren ein weiterer SPD-Bundestagsabgeordneter in Richtung Merz deutlich: „Ich hielte es für Wahnsinn, ihn zum Kanzler zu wählen.“ Denn er sei „unberechenbar“. Es müsse davon ausgegangen werden, dass Merz auch in Koalitionsverhandlungen „erpresserisch“ agiere, warnt der stellvertretende Vorsitzende des „Forum Demokratische Linke 21“: „Entweder Zustimmungen zu seinen Forderungen oder er setzt sie mit Rechtsextremen durch.“
Erik von Malottki, Co-Vorsitzender des linken Flügels in der SPD, pflichtete seinem Parteikollegen in dem Bericht bei: „Mit dieser Merz-CDU kann ich mir keine Zusammenarbeit vorstellen.“ Und die SPD-Bundestagsabgeordnete Leni Breymaier schüttelt es beim Blick in die Zukunft: „Ich bekomme Würgereiz, wenn ich heute an eine große Koalition und Herrn Merz als Kanzler denke.“

Meine news
Grünen-Politiker distanzieren sich von Merz: „Zweifel an seiner Eignung als Kanzler“
Aus den Reihen der Grünen warf Kathrin Henneberger Merz im Tagesspiegel vor, „keinen Funken an Reue“ zu zeigen, obwohl er mit „Faschisten gemeinsame Sache“ gemacht habe. „Unter diesen Umständen wird er nicht meine Stimme bekommen“, betont die Klimaaktivistin.
Parteifreund Johannes Wagner warnt zwar vor einer „Ausschließeritis“, hält Merz aber vor, mit der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD seiner Glaubwürdigkeit schweren Schaden zugefügt zu haben. Daher habe er „Zweifel an seiner Eignung als Kanzler“.
Katrin Schmidberger, aktuell für die Grünen im Abgeordnetenhaus von Berlin und bei der Bundestagswahl Direktkandidatin in der Grünen-Hochburg Friedrichshain-Kreuzberg, kündigt bereits an, im Falle von Schwarz-Grün den Daumen zu senken: „Einen Friedrich Merz, der lieber mit Nazis stimmt, als mit Demokraten verhandelt, werde ich niemals zum Kanzler wählen.“

Merz und die Migrationspolitik: CDU-Chef weiß laut Deutschlandtrend Mehrheit hinter sich
Laut SZ ordnen SPD und Grüne die von Merz eingebrachte Abstimmung über den Fünf-Punkte-Plan als Wortbruch ein. Denn kurz nach dem Ampel-Aus hatte er im Bundestag noch betont, keine „zufällige oder tatsächlich herbeigeführte Mehrheit“ mit der AfD erringen zu wollen. Das soll er SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sowie den Grünen-Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann jeweils in vertraulichen Gesprächen noch einmal versprochen haben.
Dagegen werfe Merz den beiden Regierungsparteien vor, die Stimmung im Land zu verkennen. Im neuesten „ARD-Deutschlandtrend“ stimmten 67 Prozent dafür, die aktuell befristeten Grenzkontrollen zu allen Nachbarländern in eine dauerhafte Maßnahme zu verwandeln. Sogar 68 Prozent sind dafür, dass Deutschland weniger Flüchtlinge aufnimmt als bislang. Dafür hatte das Meinungsforschungsinstitut infratest dimap von Montag bis Mittwoch 1336 Wahlberechtigte in Deutschland befragt.
Grundsätzlich darf sich Merz demnach bestätigt fühlen, einen Großteil der Bevölkerung hinter sich zu wissen, doch in der Politik geht es auch um das „Wie“. Zudem dürfte ihm auch klar sein, dass der Bundeskanzler eben nicht direkt vom Volk gewählt wird. Und er potenzielle Koalitionspartner überzeugen muss.
Der nächste Versuch steht bereits an diesem Freitag an. Zum Abschluss der turbulenten Bundestagswoche will der Sauerländer das Gesetz „zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland“ durch das Parlament bringen. Sehr wahrscheinlich wird auch das nur mit den Stimmen aus der AfD gelingen. (mg)