Wegen Verlusten im Ukraine-Krieg: Putin nimmt „Ausrottung ganzer Nationen“ in Kauf

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Indigene Aktivisten schlugen schon lange um die unverhältnismäßige Mobilisierung von russischen Minderheiten für den Ukraine-Krieg Alarm. Jetzt gibt es Belege.

Kiew/Moskau – Vor wenigen Tagen hat sich der Beginn des Ukraine-Kriegs zum dritten Mal gejährt. Vor allem zu den Verlustzahlen gefallener Soldaten halten sich sowohl die Ukraine als auch Russland bedeckt. Auch zu den verstorbenen Angehörigen von indigenen Völkern und ethnischen Minderheiten aufgrund des Krieges gab es kaum Zahlen - zumindest bisher.

Studie belegt: Ethnische Minderheiten werden unverhältnismäßig oft für Ukraine-Front eingezogen

Denn die Wissenschaftlerin für ethnische Zugehörigkeiten Maria Wyushkova hat nun Zahlen veröffentlicht, die belegen, wie unverhältnismäßig die Mobilisierung von Minderheiten für den Ukraine-Krieg sind. Die Zahlen und Fakten belegen das Ausmaß der ethnischen Ungleichheiten bei den bestätigten Opfern auf russischer Seite. Zum Hintergrund: Indigene Aktivisten hatten seit langem deswegen Alarm geschlagen. In einem Interview mit der Moscow Times sprach sie über die Nutzung wissenschaftlicher Erkenntnisse und die scheinbar unmögliche Aufgabe, die Opfer unter der indigenen Bevölkerung zu zählen.

Moskau und Kiew beklagen hohe Verluste im Krieg. (Archivbild) © Friedemann Kohler/dpa

Für ihre Untersuchungen durchforstete sie die Listen der verstorbenen Soldaten und verglich Aussagen von Gefangenen. Fakt ist, russische ethnische Gruppen, wenn sie nach der Zahl der Todesfälle pro Kopf geordnet werden, zeigen hohe Verluste im Ukraine-Krieg. „Kleine indigene Gemeinschaften sind in allen Listen überrepräsentiert, einschließlich der aus Gefängnissen rekrutierten Soldaten – höchstwahrscheinlich spielt auch die übermäßige Inhaftierung dieser Völker eine Rolle“, so die Wissenschaftlerin weiter.

So sind beispielsweise im Dorf Elabuga in der Region Chabarowsk in Russland, wo 80 indigene Familien leben, 15 Männer mobilisiert worden, während weitere zehn angeblich Verträge als „Freiwillige“ unterzeichneten. Das sind erschreckende Zahlen. Hintergrund: Diese Gemeinschaften brauchen Männer, um ihre traditionelle Lebensweise aufrechtzuerhalten, was bedeutet, dass sie durch diesen Krieg ihre kulturelle Identität verlieren könnten. „Dies bedeutet im Wesentlichen die Ausrottung ganzer Nationen – es ist erschreckend“, so Wyushkova im Interview.

Allgemeiner Trend der Verluste: „2024 war das blutigste Jahr dieses Krieges“

Auch die allgemeinen Trends bei den Kriegsverlusten Russlands beobachtete die Wissenschaftlerin: „Ich bin nicht die Erste, die das sagt, aber 2024 war das blutigste Jahr dieses Krieges. Die Zahl der Todesopfer ist dramatisch gestiegen.“ Moskau und Kiew geben ihre eigenen militärischen Verluste in der Regel nicht bekannt. In einer seltenen öffentlichen Schätzung sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj kürzlich dem US-Sender NBC, dass mehr als 46.000 ukrainische Soldaten getötet und etwa 380.000 weitere verletzt worden seien. 

Der unabhängige ukrainische Kriegsberichterstatter Juri Butusow veröffentlichte im Dezember unter Berufung auf Quellen im Militär weit höhere Zahlen: Er sprach von rund 70.000 getöteten und 35.000 vermissten ukrainischen Soldaten. Die Angaben in westlichen Medien, die sich auf europäische und US-Quellen stützen, reichen von 50.000 bis 100.000 im Kampf getöteten Ukrainern.

Russland machte seit September 2022 keine Angaben mehr zu seinen Opfern. Damals hieß es, weniger als 6000 Soldaten seien getötet worden. Mehrere unabhängige Untersuchungen, die auf öffentlich zugänglichen Quellen wie Todesanzeigen basieren, kommen auf weit mehr Tote.

Die russische Website Mediazona und der russische Dienst der BBC gaben an, die Namen von etwa 91.000 getöteten russischen Soldaten ermittelt zu haben. Die tatsächliche Zahl könne noch „erheblich höher“ liegen, erklärten sie. Ende 2024 sprach der damalige US-Verteidigungsminister Lloyd Austin von insgesamt 700.000 getöteten und verletzten Soldaten auf russischer Seite. Hinzu kommen die Getöteten unter den nordkoreanischen Soldaten, die für Russland kämpfen. Seoul gibt ihre Zahl mit 1100 an, Kiew mit rund 3000. (bg/dpa)

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