Russlands Nachbarstaaten warnen Nato vor „Falle“ im Ukraine-Krieg
Viele Staaten verlieren die Hoffnung auf einen Sieg der Ukraine gegen Putin. Die lettische Premierministerin mahnt zur Resilizenz im Ukraine-Krieg.
Riga – Der Ukraine-Krieg kristallisiert sich mehr und mehr heraus als langwieriger, opferreicher Konflikt. Ein ukrainischer Sieg erscheint, gerade jetzt zur Winterzeit, immer unerreichbarer. So zeigten sich auch die westlichen Staatsoberhäupter bei der Münchner Sicherheitskonferenz mit gedämpfter Stimmung, nicht zuletzt auch aufgrund des Todes des Kremlkritikers Alexej Nawalny. Die lettische Premierministerin Evika Silina warnte jedoch vor voreiligen Schlüssen.
„Wenn du anfängst zu glauben, dass du verloren hast, hast du wirklich verloren. Wir können nicht in die Falle tappen und anfangen zu glauben, dass wir verloren haben.“, so Silina in einem Newsweek-Interview. „Was ist dann die Option? Werden Sie Russland beitreten? Auf keinen Fall. Also wachen Sie auf, stehen Sie von der Couch auf und beginnen Sie, das Beste zu tun, was Sie für Ihr Land und für sich selbst tun können.“
„Nicht nur um zu überleben“: Premierministerin Silina fordert mehr Waffenlieferungen für die Ukraine
Lettland hat mehr als ein Prozent des staatlichen Bruttoinlandsprodukts für die ukrainische Verteidigung gespendet. Viele der baltischen Staaten drängen vor diesem Zusammenhang umso mehr auf Waffenlieferungen für die Ukraine und härtere Maßnahmen gegen Russland. Die lettische Premierministerin will eine Nachricht verbreiten: „Kommen Sie nicht zu spät, lernen Sie aus den Lektionen, die Ihnen andere kostenlos geben.“
Für Premierministerin Silina sind die Waffenlieferungen das Wichtigste in der Unterstützungspolitik „und nicht nur um zu überleben, sondern um zu gewinnen; das ist ein großer Unterschied, das ist ein großer Paradigmenwechsel“, so die Premierministerin. Auch die Befreiung kritischer russischer Journalisten sei jedoch eine Chance, um in Russland hineinwirken zu können.

Forderung nach mehr Grenzschutz für baltische Staaten: „Wir stehen an der Front“
„Wir erleben bereits seit zwei Jahren hybride Bedrohungen über unsere Grenzen hinweg“, sagte die Premierministerin gegenüber Newsweek. „Wir sind die Führenden, wir stehen an der Front.“ Sie betonte, dass die östliche Grenze auch eine Grenze der EU sei, die geschützt werden müsse. „Und wenn wir das nicht tun, wird es wahrscheinlich ein Problem für Frankreich, Großbritannien und Deutschland sein.“, so Silina. An einigen Stellen der Ostflanke sind bereits Nato-Soldaten stationiert.
Wie andere Nato-Verbündete sorgt sich auch die lettische Staatschefin vor weiteren Angriffen durch Russland: „Wir glauben zwar, dass die Ukraine gewinnt. Aber trotzdem wird Russland danach wieder die Fähigkeit erlangen, jemand anderen anzugreifen. Und es könnten fünf Jahre sein, es könnten auch drei Jahre sein, es hängt davon ab, für welche Tools sie sich entscheiden.“ Auch in den anderen baltischen Staaten Estland und Litauen herrscht die Angst vor einer Eskalation.
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Ukraine-Krieg verstärkt Position von Russlands Nachbarstaaten: Russland-Skepsis und Eurointegration
Lettische Beamte forderten außerdem eine ukrainische Integration in die euro-atlantischen Beziehungen und eine weitere Isolation der russischen Wirtschaft. Die baltischen Staaten waren schon länger skeptisch gegenüber einer europäischen Kooperation mit Russland, nun verstärkt durch den Ukraine-Krieg. Gleichzeitig berichtete Politico, dass gerade die baltische Region „ein erstklassiges Ziel“ für die Umgehung von Sanktionen sei.
„Wir haben mit Russland und Belarus immer noch nur einige Punkte für den Transit offen, weil es dieses gemeinsame europäische Abkommen mit Drittländern gibt, um sie mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Aber ja, es wäre für uns viel einfacher, einfach alles zu schließen.“, so die Premierministerin in dem Newsweek-Interview. Dafür brauche es eine gemeinsame europäische Entscheidung, erklärte Silina weiter.
Die lettische Premierministerin warnte auch vor den russischen Präsidentschaftswahlen, bei denen auch in den besetzten Gebieten der Ukraine gewählt werden soll. „Es ist wieder eine große Chance für die Propaganda, lautstark zu wirken“, so Silina. Auch in Lettland ist etwa ein Viertel der Bevölkerung muttersprachlich russisch, das Land arbeitet noch an dem Umgang mit den sogenannten „Nichtbürgern“. (lismah)